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1899

JUGEND

Nr. 24

Gefährdete Interessen

Die drahtlose Telegraphie soll auch
im Handels- und Privatverkehr eingeführt wer-
den. Natürlich bedecken sich bereits J8 Peti-
tionen mit zoooo Unterschriften von Draht-
ziehern, die die Regierungen ersuchen, die
neue Erfindung und alle künftigen Erfindungen
dieser Art zu verbieten. Die Spatzen erklären
mit agrarischem Geschrei, die Telegraphendrähte
seien eine wohlerworbene Niederlassung, auf
die sie ein historisches Recht hätten. Diese be-
herrschende Position setze sie eben in den Stand,
ihre Untergebenen reichlich und in Ruhe zu
bedenken und ihnen ihren Antheil an den Er-
trägnissen der Landwirthschaft zukommen zu
lassen.

O

Die rcvisionsfreundliche Presse von Paris
verlangt, daß General Mercier wegen Mein-
eids,illegaler Urtheilserzwingung und Gebrauchs
von Fälschungen vor den Obersten Gerichtshof
gestellt werde.

Unsinn! Wohin sollte das führen, wenn
man jeden französischen Offizier wegen solcher
Lappalien vor Gericht stellen wollte!

Der Freiherr v. Stumm hat sich bei
einer Wagenfahrt nach Eltville in Folge Scheu-
werdens der Pferde, das ihn zum Abspringen
nöthigte, eine unbedenkliche Verstauchung zuge-
zogen. Sämmtliche übrigen Souveräne er-
kundigten sich telegraphisch nach seinem Befinden.

Sollte er über seiner eifrigen Berliner
Thätigkeit vergessen haben, seine Pferde scharf
zu machen? _

Griechenland will den gregorianischen
Kalender einführen. Die Gläubiger werden
aber wohl auch nachher aä Oalenäas Qrae-
cas vertröstet werden.

&

Die Kapuziner in Untermais

(Mir zwei Zeichnungen)
folgende verführerische Speisekarte hat ee
nach Mittheilung der „Meraner Ztg," bei einer
am 30. April d. ft. in Untermais bei Meran
stattgehabten p r i m i; fe i e r, noch dazu eines K a -
puzinerpriesters, gegeben- „Weiße Hühner-
suppe. Forellen in Mayonnaise. Gedämpftes
Aindsftück garnirt. Tirolerknödel. Blätterteig-
paftetchen mit Hache, Gespickter Kalbsbraten.
Blumenkohl. Salat. Hühner in Fricaffö-Sauce,
Reis, Englischer plum-pudding mit Punschcreme.
Kaiserfleisch mit Kraut. Indian mit Kompots.
Grüne Erbsen mit Zrikandellen. Gebackenes
Lamm. Gemischter Salat. Wein-Gallerte mit
Vanille-Sauce, pöckelzunge mit Meerrettig. Filet
ä la Wellington, Madeira-Sauce. Creme Aeffel-
rode. Gebäck. Spielhahn und Birkhahn mit
Preiselbeeren, Apfelkompot. Salat. Düten mit

Dbersschaum, Torten, verschiedenes Backwerk,
Schwarzer Kaffee," Die ganz begeisterte „Me-
raner Zeitung" vergißt natürlich nicht zu er-
wähnen, daß auch das Getränk sfeinster Traminer)
vorzüglich war.

Ein Sxezialberichterstatter der „Jugend" ist
tit der Lage, das Tafellied mitzutheilen, das bei
diesem erhebenden Anlasse von den Kapuzinern
„nach bekannter Melodie" gesungen wurde.
Hier ist es:

Ein fainosres Leben

Kann's fürwahr nicht geben

Als in Untermais nah bei Meran,

Wo der Kapuziner
Feurigen Traminer

Trinkt, Und das Ulenu, das schau Dir an!

Bei den frommen Nönnchen

Und den Bettelmönchen

Glaubt man, sei die Kost gewöhnlich schmal.

Aber nicht der Schmalhans —

Nein: der dicke Prahlhans

Kocht als Küchenmeister uns das Mahl.

Hühner-Suppe, weiße,

Ich willkommen heiße,

Mayonnais'-Forellen ebenfalls.

Rindstück mit Garnirnng —

Und dann rutscht voll Führung
Der Tiroler Knödel durch den Hals.

Mit dem Starken paarte
Sich hierauf das Zarte:

Blätterteig-Pastetchen mit Hachü —

Und vom Kalb der Braten
Folgt dann mit Salaten.

Ferner gibt es Hühner-Fricaffö.

plum-pudding mit Punschcreme,

Kurz da ist kein Wunsch, dem
Nicht sofort Genüge wird gethan;

Kaiserfleisch geräuchert,

Massig aufgcspeichert,

Mit Kompott sodann der Indian.

Erbsen, grün, gesellen
Sich zu Fricandellen,

In: Salat liegt das geback'ne
Lamm —

Birkhahn und so weiter.

Nur vergnügt und heiter!

Zugegriffen unverzagt und

stramm!

Ach Du meine Güte,

Himmlisch schmeckt die Düte
Mit dem süßen, weißen

Dbersschaum!

Kapuziner-Leben,

Kann's was Schön'res geben?

's ist der reine Götter-

Wonnetraum!

Loki

Oer Streit um Damlets Bauch

Dick oder mager — dieses ist die Lrage,

Gb vamlct dick — ob vamlet mager war.

Die dürre Sarah stellte dieser Tage
Den vamlet in Paris höchst mager dar.

Gb dies im Einklang mit der Dichtung Geist —
Db vamlet wirklich mager, ob er seist,
Darüber kam es — ach! — zum Bauchauffchlitzen
Und Blutverspritzen!

Tatull Mendss, der sonst gar sehr frivole,
(wenn ich ihn lese, werd' ich roth dabei)
Erklärte, daß vom Wirbel bis zur Sohle
Die dürre Sarah ganz geschaffen sei
Für diese Rolle. Aber Derrn vanor,

Dem kam der dünne Damlet komisch vor,

Denn Damlet sei — wie wir bei

Shakespeare lesen —

Sehr fett gewesen.

Als solcherweis' ste lang herumgestritten,

Da wurden leider Beide handgemein,
woraus ste ritterlich zum Zweikampf schritten,
Auf daß die Ehre wieder werde rein.

Es ist zum Glück nicht schwierig sondern leicht.
Daß man der Ehre Reinigung erreicht,
viezu genügt nach diesem edlen Brauche —
Ein Loch im Bauche:

Tatull Mendös, als ihm dies Loch gestochen
Sein Gegner hatte, blieb trotz diesem Loch
Ganz „unentwegt" — gleich Jenem,

der gesprochen

Das stolze Wort: „Und sic bewegt sich doch!"
Stolz ruft Mendss fetzt auf dem Rrankenlag-r:
„vamlet war mager!" —

Boliciuund

£

InWien wurde kürzlich wieder ein junger
Hochadeligcr zum Ritter des Deutschherren-
ord ens geschlagen. Die Anfschwörer mußten
nach uraltem Ritus das „deutsch e Geblüt"
des Kandidaten bestätigen, und dieser selbst
mußte allerlei Gelöbnisse in Betreff der Er-
haltung und Hochhaltung des Deutschthums
in Wien und Nmgegend machen. Die Sache
wäre ausgezeichnet, wenn nicht der österreich-
ische und böhmische Hochadel unter dem Ein-
flüsse jesuitischer Erziehung allmählich ver-
lernt hätte, was die Gründer des Ordens
unter „Deutsch" verstanden. Heute ist es
nur noch ein prunkhaftes Schaugericht, eine
hohle Phrase, ein lucnrs a non lucendo. Die
Hohenwart und Thun sind ja wohl auch
„Deutschherreu", oder würden mit Handkuß
aufgenonnnen, wenn sie Werth darauf legten.
Da braucht man wahrlich kaum zu sagen: „Herr
Ritter, nehmt Euch in Acht, daß Euch das
deutsche Schwert nicht am Gehen hindert."

Post coenarn: Wenn das die Ahnen ahnten I

„ . . . Contenti eslote,

Begnügt euch mit eurem Commißbrote!"
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