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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 4.1899, Band 2 (Nr. 27-52)

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Nr. 28 (8. Juli 1899)
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https://doi.org/10.11588/diglit.3779#0034
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„Das deutsche Volk ist wie ein edles Vollblutpferd, es duldet nicht, -atz ihm einer

Das war ein rechtes Raiserwort und ward gehört in Ost und West:
vom edlen deutschen Vollblutroß, das Reinen an die Gurten läßt:

Ein Wort, das wie Fanfarenton so klar und rein und scharf getönt
Durch unsere löschpapierne Zeit, die jeden Hellen Laut verpönt,

1899

Doch fehlt's ihm auch nicht an Humor;

3. B. kommt ein „pfui!"-Ruf vor,

Ob's ihm auch selber unbequem,

Mit Schmunzeln tadelt's Ballcstreml

Und wenn sich Lieber selbst vergißt
Und etwas sagt, was shocking ist,

Dann trifft auch ihn das Anathem
Des allgerechten Ballestrem!

wie er des Hauses würde wahrt,

Das macht er mit gar feiner Art;

Selbst Excellenzen angenehm
Nicht immer ist Graf Lallestrcml

In Wien, Paris und Rom — huhu! —
wie gcht's da in der Kammer zu —

Den deutschen Reichstag macht zur creme
Der Parlamente Ballcstreml

Man spricht sich hier im hohen Haus
Vcrhältnißmäßig höflich aus.

Und wer gelöst hat dies Problem,

Das? war der wackre Ballcstreml

Man schimpft sich selten, haut sich nie,
Man sagt sich kaum 'ne plkant'rie,

Fidel ist's, wie an Micareme,

Im Reichstag unter Ballestrem!

Und ob er zehnmal klerikal,

Das ist mir heute ganz egal,

Und kriegt' ich auch ein Emphysem,

Ich schriee: „Vivat Ballcstreml"

„JUGEND"

£

Bei der Kabinettsbildung

Der neue Premier: Ich denke, das
Portefeuille des Ackerbaus geben wir Herrn
Dupont.

Die Uebrigen: versteht er was davon?
Der neue Premier: Nein.

Die Uebrigen: Also warum nicht?!

Die Blätter berichten mit einem gewissen
Erstaunen, daß kürzlich auf einer altmärk-
ischen Hochzeit 340 Gäste 2 fette Ochsen,
4 fette Kälber, 5 starke Hämmel, 30 Hühner
und 2 fette Schweine vertilgt haben. Die
Leistung hat aber durchaus nichts Verwunder-
liches, da, wie man sieht, die Hochzeitsgäste
ganz erheblich in der Maiorität waren. ...

Nr. 28

Glivenzweige

von Italo Vittorio Brusa
Deutsch von Paul Heyse

Derr Tod ging eines Nachmittags ins Daus
Des Krieges, seines lieben
verehrten Busenfreundes,

Um ihm ein Buch zu bringen,

Das ein berühmter Romancier geschrieben.

Im Garten fand er ihn, das Kleid mit L'rdc

Beschmutzt, da Gclbaumsetzlinge er pflanzte.

Da, rief der Tod, da komm' ich g'rade recht,

Da gibt es was zu sehen I

Zwar soll nichts Neues unterm Mond geschehen,

Doch so was sah ich nie.

wie r wird der Teufel heilig, wenn er alt wird t —

Da lacht der Krieg, und sich den Sand und

Schlamm

vom Kleide schüttelnd, spricht er:

wundert's L'uchr
Ihr würdet's auch so machen.

Gelbäume pflanz' ich, weil ich Gel bedarf,

Um ein'ge rost'ge Piken blank zu putzen.

Die unterm Bette mir noch übrig blieben. —
Famoser Linsall l ries der Andre aus.
wer bracht' Luch drauf l — Mein alter
Gärtner, der Nicolaus,

Der hat schon längst dazu mich angetrieben.

In den „Wiener Studien" ist eine Arbeit
von I. D a - R o c h e abgedruckt, der mit dankenS-
werthem Eifer in jedem der 27803 Verse
der Ilias und Odyssee die Zahl der Daktylen
und Spondeen nachzählt und auf S. 10—69
gewissenhaft rubricirt- Der wissenschaftliche
Gewinn dieser Zählarbeit kann nur einem
ganz verstockten Laien zweifelhaft sein ...

Der verdiente Gelehrte soll übrigens, wie
verlautet, auch die Zahl der ein-, zwei- und drei-
silbigen Wörter, das Vorwiegen einzelner Buch-
staben bei Homer u. A. ziffernmäßig festsetzen
wollen, eingedenk des pythagoreischen Satzes:
„Die Zahl ist das Wesen aller Dinge."

In Halle hat die Polizei gelegentlich eines
Studentenfackelzugs sowohl eine Rede auf
Bismarck, als auch einHoch aufdenKaiser
verboten. Wie sagt doch der Dichter von
der Polizei so schön?

Etwas muß sie verbieten können,

Oder sie ist nicht gesund zu nennen I

Graf Ballestrem

Im Reichstag sitzt ein braver Mann —
Ihr meint, das ging Herrn Richter an?
Da irrt Ihr, cs ist nicht an dem,

Mein Lied, cs gilt Graf Ballcstreml

Und zählt er auch dem Zentrum bei,

Das ist der „Jugend" einerlei,

Sie reicht ein Lorbeerdiadem
Dem edlen Grafen Ballcstreml

wie er als Präsident sich zeigt,

Das hat mein Herz ihm zugeneigt,

Der Mann ist nicht aus weichem Lehm,
Er ist von Stahl, der Ballestrem!

wenn Onkel Liebknecht ruppig wird,
wird ihm ein Ordnungsruf diktirt
Und schrecklich, gleich dem Polyphem,

Ist dann im 3orn Graf Ballcstrem.

Ob einer links ist oder rechts,

Ob noch so adligen Geschlechts —
Gebraucht ein Mann ein wort aus Brehm:
Zur Ordnung ruft ihn Ballcstreml

%
Register
[nicht signierter Beitrag]: In den "Wiener Studien" ist eine...
[nicht signierter Beitrag]: In Halle hat die Polizei...
Monogrammist Frosch: Zeichnung zum Gedicht "Graf Ballestrem"
Redaktion der "Jugend": Graf Ballestrem
Italo Vittorio Brusa: Olivenzweige
Monogrammist Hummer: "Das deutsche Volk ist wie ein edles Vollblutpferd"
[nicht signierter Beitrag]: Bei der Cabinettsbildung
 
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