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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 4.1899, Band 2 (Nr. 27-52)

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Nr. 29 (15. Juli 1899)
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https://doi.org/10.11588/diglit.3779#0052
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Dreyfus

Rach dem geliebten Frankreich, das ihn

weiland

Erbarmungslos in Clual und Schande stieß,
Kehrt er zurück aus schaurigem Verlies
Auf ödem, fluthgepeitschtem Teufelseiland.

Und ob er schuldlos, oder schuldig büßte —
Ist Liner wohl, der Mitleid nicht empfand,
Des Mannes denkend, der sein Vaterland
Ttun unter Thränen jubelnd wieder grüßte?

vielleicht zu früh! Vielleicht, daß jene Sippe,
Der er im Weg' war, Thaten ausersann,

Daß er in Bälde, ein gequälter Mann,

Sich hciß zurücksehnt nach der fernen Klippe!

Und —was er dort vor Zeiten auch gelitten
Vielleicht, daß er den Grt dann innig liebt,
Wo's Gattern zwar und wilde Katzen gibt,
Doch keine Generale und Jesuiten!

Linger-Longer-Lo

Die Heinzelmännchen

)Nach R o p l sch)

„Wie war zu Köln es doch vordem
Mit Heinzelmännchen so bequem!
Denn, war man faul, man legte sich
Hin aus die Bank und pflegte sich:

Da kamen bei Rächt,

Ehe man's gedacht,

Die Männlein und schwärmten
Und klappten und lärmten
Und rupften
Und zupften

Und hupften und trabten
Und putzten und schabten.

Und eh' ein Faulpelz noch erwacht,
war all' sein Tagewerk bereits gemacht."

So geht's auch im deutschen Reichstag zu:
Da ging Graf Ballestrem zur Ruh'

Zn dem Bewußtsein ruhig und froh:
„Ich war korrekt von A bis O!“

Doch kamen zur Rächt
Die Männlein sacht,

Und fälschten Geschichte
Im Sitzungsberichte
Und amendirten
Und korrigirten —

Und als der Brave
Rach süßem Schlafe

Beim Frühstück nach der Zeitung gefragt,
Da las er was Anderes, als er gesagt.

Kilian

Klassisches Aeugniß

„Schon Licero billigt unsere Lompen-
sationsbestrebungen, wenn er sagt (de nat.
deor. I. 9):

Multa sunt incommoda, ut ea sapientes
commodorum compensatione leniant.
(Viele Nachtheile sind dabei, die ein Ge-
scheiter mittels Lompcnsation von Vor-
theilen aufwiegt.)"

Lin Lonservativev

Interessante Umstände

Del Turnverein Hönbach erläßt in der
„Sonneberger Zeitung" folgende Warnung:
„Wir warnen hiermit jedermann für das
Weiterverbreiten des falschen Gerüchts, daß
unsere Fahnenträgerin Fräulein RosaH.
in andern Umständen ist. Nicht diese,
sondern die Begleiterin E. N. N. ist es.
Da diese die Fahne nicht in die Hand bekom-
men hat, so ist unsere Fahne als unbe-
fleckt zu betrachten (!!). Diejenigen Personen,
die sich wiederholt der unverschämten Lüge be-
dienen und uns mit unserer Fahne beleidigen,
werden wir gerichtlich belangen. Der Vorstand
des Turnvereins Hönbach." — Unter Umstän-
den kann also der, welcher sich der Lüge be-
dient, die Umstände, unter welchen Fräulein
Rosa die Hönbacher Fahnenstange gehalten,
seien andere Umstände gewesen, während in
Wahrheit die Umstände einer Andern andere
Umstände waren, wegen Fahnenbeleidigung
unter erschwerenden Umständen, unter andern
Umständen aber auch wegen Ehrenbeleidigilng

des Frl. Rosa verklagt werden, welche er ver-
läumderischer Weise des Besitzes anderer Um-
stände bezichtigt hat. Ein Umstand ist dabei
nicht zu übersehen, daß nämlich vielleicht das
arme Frl. N. N., das wirklich in andern Um-
ständen befindlich und von den Cavalieren des
Hönbacher Turnvereins in so umständlicher
Weise (mit Namen) an die Öffentlichkeit ge-
zogen worden ist, diesen tugendhaften He/"'
durch eine Klage unter Umständen noch recht
unangenehme Umstünde machen könnte.

Hoffentlich thut sie's!

Prügel-Sehnsucht

Die „Dtsch. Tageszeitung." schreibt:
„Unsere Z reih ei tsstra fen wirken durchaus
nicht abschreckend; es ist vielmehr be-
kannt, daß die rücksichtsvolle Behandlung und
gute Ernährung in unsern Gefängnissen einen
besondern Anreiz bieten. . . wenn die ver-
bündeten Negierungen die Reform der Frei-
heitsstrafen in Angriff nehmen wollen, so ist es
durchaus erforderlich, daß sie insbesondere
die Prügelstrafe dabei berücksichtigen.

Sitzen freilich will ein jeder
Bösewicht —

Doch daß man ihm gerbt sein Leder,
will er nicht.

So bemerkt mit Recht die Leitung
Der Berliner Tageszeitung.

Froh in's Loch geht der Verbrecher,
Lebt dort als vergnügter Zecher,
Aller Sorgen bar.

Und heraus kommt er noch frecher
Als er war!

Doch wenn man den Menschen prügelt
Blau und braun,
wird sein böser Drang gezügelt
Durch das Hau'n.

Selbst im schnöden Proletarier,

Im verstockten Nicht-Agrarier,
Fälscher, Räuber, Mörder, Diebe
Regen sich der Tugend Triebe
Wieder — Gott sei Dank! —
wenn er daliegt und kriegt Hiebe
Auf der Bank! Josefus

Herausgeber: Dr. GEORG HIRTH; verantwortlicher Redakteur: F. von OSTINI; G. HIRTH’s Kunstverlag, verantwortlich für den Inseratenteil: G. EICHMANN, sämmtlich in München.

Druck von KNORR & HIRTH, Ges. m. beschr. Haftung in München.

ALLE RECHTE VORBEHALTEN.

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Nf. 29 (Redaktionsschluss: 6. Juli 1899)

1899

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Register
Linger Longer Loo: Dreyfus
Josefus: Prügel-Sehnsucht
[nicht signierter Beitrag]: Interessante Umstände
Kilian: Die Heinzelmännchen
Monogrammist Frosch: Die Dunkelkammer im Münchner Glaspalast
[nicht signierter Beitrag]: Klassisches Zeugniß
 
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