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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 4.1899, Band 2 (Nr. 27-52)

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Nr. 32 (5. August 1899)
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https://doi.org/10.11588/diglit.3779#0097
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Line Zuschrift!

Liebe Jugend! es war höchst am Platze sogar, und ein Thor nur könnt' es Dir tadeln,

Daß zu paffender Zeit Du ein Blatt hast geweiht allen Dämchen und Herrchen, die radeln,

Doch eins nehm' ich Dir krumm, o sag' an mir, warum sangst kein Lob Du dem Automobile?
warum sprichst Du kein Wort von dem edelsten Sport, dem sich heut' doch schon widmen so viele?
Biedermeier (mit ei), Deine Lobhudelei auf das tretbare Bad schier zuviel ist,

Denn vergessen Du hast, daß viel wen'ger zur Last ohne Zweifel das Automobil ist,

Das man treten nicht muß, ist es einmal im Schutz, das allein durch die Straßen kann jagen,
Thut nichts selber dazu, macht nur manchmal „Tutuuu", streckt die Bein aus in ruh'gem Behagen!
Und mit Schadenfreud fällt dann der Blick auf die Welt, die rings um Dich strampelnd im Schweiß ist,
Und man steht dann ganz klar, wie es wirklich nicht wahr, daß in: Leben ohn' Fleiß auch kein Preis ist!
Daß vielmehr es sehr gut, wenn ein anderer thut, was uns selber viel Last und viel Müh' macht,
Und man ab ihm das zwackt, wofür er sich geplackt, und man selbst dazu „Hott" nur und „Hüh" macht!
Darum schaff' in der That (gut ist „der" und „das" Rat —d—) Dir nur schleunigst bald einen Motor an —
Ja, das lohnet sich mehr, denn es schonet Dich sehr und Du kommst auch viel schneller d'rauf voran!

« * Hurtig

Herr Biedermeier mit et, dem wir diesen scharfen Angriff vor Abdruck
selbstverständlich vorlegen mußten, hat uns sofort folgende Erwiderung zugeschickt:

Lieber Motorcyclist! So begeistert Du bist für das automobilische Fuhrwerk,

Du vergißt, Optimist, wie so trist es noch ist oft bestellt mit dem pfauchenden Uhrwerk!
wie's riecht, sagst Du nicht, es gebricht dem Gedicht überhaupt oft an ehrlicher Klarheit,
weil erpicht Dein Bericht nur verficht und verspricht, was dann doch nicht der Fall ist in Wahrheit!
Da ist erstens der Fluch mit besagtem Geruch, weil die Welt jetzt voll Rauch und Gestank ist,
Es empfindet dies bös, wer ein Bischen nervös oder gar katarrhalisch und krank ist!

Da ist zweitens der Preis, der ja doch, wie man weiß, vor der Hand um vier Fünftel zu groß ist,
Daß nur der den Motor sich zum Fahrzeug erkor, der verseh'n mit beträchtlichem Moos ist!

Da ist drittens der Gang, vor dein Mancher noch bang, weil er gar nicht bequem noch und weich ist,
weil er stößt und vibrirt und den Fahrer genirt, bis er schließlich ganz seekrank und bleich ist!
Da ist viertens fürwahr die immense Gefahr! wenn der Fahrer im Geist nicht dabei ist,

Ist der Spaß gleich vorbei und es gibt ein Geschrei, weil dann Fahrzeug und Lenker entzwei ist!
Da ist fünftens die Pein — und der Fall ist gemein! — daß das Gas 'mal nicht richtig herauskommt,
Und das Zeug explodirt und dem Fahrer passirt, daß er nur in Fragmenten nach fjaus kommt!
Da ist sechstens die Oual, daß es leicht wohl zu Thal, aber schwer mit dem Fuhrwerk bergan geht,
Und dann spricht man ihm zu wie der leidende!: Kuh, bis es endlich so gut ist und angeht!

Da ist siebtens der Fall, daß noch nicht überall die elektrische Kraft und Benzin ist,

Und dies ausgeht sodann und inan weiter nicht kann und man schiebt und man zieht bis man hin ist!
Da ist achtens die Roth, daß ein amtlich verbot oft die Straßen dem Motor verwehrt hat,
weil so häßlich er qualint und so Manchen zermalmt, der ihm sorglos beit weg überquert hat!
Da ist neuntens der Leim, daß man schwer nur daheim so ein klobiges Fahrzeug bewahrt sich,
Und drei Stunden dran putzt, wenn man's einmal benutzt, und ganz schmierig dabei wird und harzig!
Da ist zehnteils der Schmerz — und ein Jeder erfährt's und er fällt, kommt die Rechnung, in Ohnmacht,
Daß die Reparatur, schätz' ich billig sie nur, alle Jahr eine viertel Million macht!

Da ist elftens in: Spiel, daß ein Automobil so horrend complizirt coi:struirt ist,

Daß man rathlos davor, wie der Ochs vor dem Thor, steht, im Falle, daß d'ran was ruinirt ist!
Da ist zwölftens zun: Schluß der fatale Genuß, den das „Tutututuh" für das Ohr bringt,

Das Gepfauch' und Geklirr und Geklopf' und Geschwirr, das die Rasselmaschine hervorbringt!
Darum geb' ich de:: Rath: wer hin Fahrzeug noch hat, und nicht gern ein Billet für die Bahn kauft,
Ueberleg' es zuvor, eh' er eii:en Motor sich um etliche Tausender ankapft!

Tr betracht' ihn genau, wie der Mann sich die Frau zu betrachten wohl pflegt vor der Heirath,
Und dann wai:dle er froh zu dem Fahrrad-Depot — und erhandle ein tüchtiges Zweirad!

Biedermeier mit ei


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liiert

Aus dem lyrischen Tagebuch des Leutnants von verfewitz

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I. Der

Kölner Münster? Na ja — janz schön!
Nettes scharmantes Jebäude!

Muß aber doch janz ehrlich jesteh'n:

Machen zu viel draus, die Leute!

Ewig in Zeitung von „Steineriten Wald
„Finger Jottes" zu lese:: —

Tteht mir nun bis zum Halse bald —

Nie für Hyperbeln jewesei: ....

„Pyramidal" ui: „Kolossal" —
lvird mir immer ja::z schwiitdlich!

Js ja ein stattliches, propp'res Lokal —
Aber Ekstase? — kindlich!

Aehnliche Diitger doch jede Stadt —
Müssen mir zujestehen:

Kölner Dom

Dome in Deutschland dick und satt —
Ueberdruß fast zu sehen!

Köliter nich sowas Appartes, daß
Trauerte, we::n nich stände —

', Klingt ja ein bischen lieblos, was?

Js aber richtig am Ende:

Schließlich doch nur ein j roß er Ste

Altdeutsch erklärt von Joethe-

Soll übrigens nich mal altdeutsch sei
Also — wozu das Jerede?

Halte mich — prinzipiell — nie auf
Heber kirchliche Sachen,

Nehme auch Dom so mit in Kauf —•
Aber Ekstase? — zum Lachen!

5J9


Das versenkte Orchester

— Nun, Herr Kammermusiker, was ist denn aus
Ihrem Herrn Bruder geworden?

— Der ist zur Zeit Grubenarbeiter in Bayreuth!
Register
Biedermeier mit ei: Eine Zuschrift!
Biedermeier mit ei: Lieber Motorcyclist!
Leutnant v. Versewitz: Aus dem lyrischen Tagebuch des Leutnants von Versewitz: I. Der Kölner Dom
Paul Rieth: Das versenkte Orchester
 
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