Nr. 37
JUGEND
1899
^ mmer sch' ich Dich so, mein Vater,
3u jeder Zeit des Jahres, so oft ich Dein
gedenke:
Als Säemann.
Und Deine Söhne, groß und schlank wie Du,
Ganz Dein verjüngtes Bild
Barhäuptig und barfuß
Am Pflug.
Ein breiter Acker, aus der Mulde,
Die so windstill,
Nach der Höhe, luftig bewegt.
Lang am Wald hin
Dunkle Eichen und helle Birken.
wilde Heckenrosen am Rain, in runden
Büschen,
Wollen-Flöckchcn an den Dornen.
Die frisch gebrochenen Furchen braun
Und dampfend im herben, würzigen Früh-
wind.
Hinter uns stolzirend der schwarzglänzende
Rabe,
Emsig im Spähen nach des Engerlings
fettem Wurm.
Weiße Wolken als träumende Schäfchen,
Hinziehend am hohen Himmel.
Du, in langen Schritten, geradeaus,
Kräftig athmend,
Das Auge hell und fest.
VTtm gürtest Du um den Leib
Den grauen, körnerschwercn Samen-Sack.
Der rechte Arm, nackt bis zum Ellenbogen,
Mit flatterndem Aermel,
Geht im Schwung mit dem Schritt,
Aus der Hand fliegen sausend
Im Bogen
Die Körner, sorglich erlesen,
Glatt und prall und glanzend in Keimkraft.
Stillbcdächtig,
wie in verhaltener Lust,
Empfängt sie die Erde und zieht sie ein
In den harrenden Schooß.
Immer seh' ich Dich so, mein Vater,
Als Säemann.
Immer so im festen Schritt
Ueber den frischgepflügtcn, dampfenden
Acker hin,
wie von heimlicher Musik
Aus der Tiefe der Erde begleitet,
Von segnenden winden umsungen
Aus des Himmels leuchtender Höhe.
Und Deine Söhne alle, emsig wie Du,
Immer wieder am Pflug,
Bespannt mit jungen Stieren, gelben und
weißen,
weitleuchtend über die Felder hin.
Und aus der Ferne
Hör' ich den Zuruf der Mutter, lieb und
fröhlich:
wie seid Ihr fleißig heute!"
Dann erscheint sie,
Die Hand schirmend über den lachenden
Augen,
Die feine Gestalt umflossen vom goldenen
Licht:
Längst ist vorüber der Mittag,
Habt Ihr nicht läuten gehört?
Kommt jetzt, der Tisch ist bereitet,
Linsensuppe giebt's und Klöße —I"
Und wir wischen uns den Schweiß von
der Stirn:
Gleich, Mutter, gleich,
wir sind hungrig wie Wölfe."
„Gott sei Dank," sagst Du, Vater:
„wir haben das Unsere gethan.
XXun schenk' uns der Himmel gut Wetter
Zu Wachsthum und Ernte."
Immer seh' ich uns so, ganz deutlich,
Und hör' jedes Wort von Dir und der
seligen Mutter.
So lange ist's her — so lange, so lange.
( Und immer noch schwillt uns das Herz
In Hoffnung künftiger Ernten.
Michael Georg Lonrad
Lrntegang
H. Rossmann
S94
JUGEND
1899
^ mmer sch' ich Dich so, mein Vater,
3u jeder Zeit des Jahres, so oft ich Dein
gedenke:
Als Säemann.
Und Deine Söhne, groß und schlank wie Du,
Ganz Dein verjüngtes Bild
Barhäuptig und barfuß
Am Pflug.
Ein breiter Acker, aus der Mulde,
Die so windstill,
Nach der Höhe, luftig bewegt.
Lang am Wald hin
Dunkle Eichen und helle Birken.
wilde Heckenrosen am Rain, in runden
Büschen,
Wollen-Flöckchcn an den Dornen.
Die frisch gebrochenen Furchen braun
Und dampfend im herben, würzigen Früh-
wind.
Hinter uns stolzirend der schwarzglänzende
Rabe,
Emsig im Spähen nach des Engerlings
fettem Wurm.
Weiße Wolken als träumende Schäfchen,
Hinziehend am hohen Himmel.
Du, in langen Schritten, geradeaus,
Kräftig athmend,
Das Auge hell und fest.
VTtm gürtest Du um den Leib
Den grauen, körnerschwercn Samen-Sack.
Der rechte Arm, nackt bis zum Ellenbogen,
Mit flatterndem Aermel,
Geht im Schwung mit dem Schritt,
Aus der Hand fliegen sausend
Im Bogen
Die Körner, sorglich erlesen,
Glatt und prall und glanzend in Keimkraft.
Stillbcdächtig,
wie in verhaltener Lust,
Empfängt sie die Erde und zieht sie ein
In den harrenden Schooß.
Immer seh' ich Dich so, mein Vater,
Als Säemann.
Immer so im festen Schritt
Ueber den frischgepflügtcn, dampfenden
Acker hin,
wie von heimlicher Musik
Aus der Tiefe der Erde begleitet,
Von segnenden winden umsungen
Aus des Himmels leuchtender Höhe.
Und Deine Söhne alle, emsig wie Du,
Immer wieder am Pflug,
Bespannt mit jungen Stieren, gelben und
weißen,
weitleuchtend über die Felder hin.
Und aus der Ferne
Hör' ich den Zuruf der Mutter, lieb und
fröhlich:
wie seid Ihr fleißig heute!"
Dann erscheint sie,
Die Hand schirmend über den lachenden
Augen,
Die feine Gestalt umflossen vom goldenen
Licht:
Längst ist vorüber der Mittag,
Habt Ihr nicht läuten gehört?
Kommt jetzt, der Tisch ist bereitet,
Linsensuppe giebt's und Klöße —I"
Und wir wischen uns den Schweiß von
der Stirn:
Gleich, Mutter, gleich,
wir sind hungrig wie Wölfe."
„Gott sei Dank," sagst Du, Vater:
„wir haben das Unsere gethan.
XXun schenk' uns der Himmel gut Wetter
Zu Wachsthum und Ernte."
Immer seh' ich uns so, ganz deutlich,
Und hör' jedes Wort von Dir und der
seligen Mutter.
So lange ist's her — so lange, so lange.
( Und immer noch schwillt uns das Herz
In Hoffnung künftiger Ernten.
Michael Georg Lonrad
Lrntegang
H. Rossmann
S94