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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 4.1899, Band 2 (Nr. 27-52)

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Nr. 47 (18. November 1899)
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1899

Nr. 47

. JUGEND .

Privat-Docent durch sarkastische Bemerkungen
die Heiterkeitserfolge für sich in Anspruch nähme.
Der Dritte im Bunde spricht nur wenig, läßt
dafür um so mehr seine melancholischen Blicke
reden, Sie waren ihm seit je Frauen gegen-
über die stärkste Waffe. Er ist lyrischer Dichter.

„Aber meine Herren," sagt Fräulein Edith
lächelnd, „Sie verschwenden mit mir Ihre kost-
bare Zeit und versäumen Ihre Ligarre l Solche
Aufopferung kann ich nimmer gebührend be-
lohnen !"

Der Dichter seufzt, der Gelehrte lächelt,
und der Assessor kleidet seine Gedanken in die
schönen Worte:

„Das Glück, in Ihrer Nähe weilen zu
dürfen, ist an und für sich schon eine Belohn-
ung !"

Die beiden Anderen schließen sich der Mein-
ung des geehrten Vorredners vollständig an,
der sich dadurch veranlaßt sieht, einen neuen
Trumpf auszuspielen.

„Aber ich möchte diese Belohnung dauernd
— und für mich allein besitzen," fügt er hinzu.

„Ganz unser Fall," bestätigen wieder die
Rivalen.

Fräulein Edith belustigt der Wettstreit.

„Der Apfel des Paris," sagt sie lächelnd.
„Aber jener Griechenjüngling hatte es leichter,
als ich. Er sollte der Schönsten den Preis
zuertheilen. wenn ich doch auch solch' eine
Richtschnur hätte, Ihren Werth abzuwägen l"

„Die Schönheit des Mannes ist — der
Muth," behauptet der Assessor. Er denkt an
seine zahlreichen Mensuren. Seine beiden Eon-
currenten haben nie einen Paukboden besucht.

„Der Muth?" sagt Fräulein Edith über
legend. „Ja, ja, — ich glaube, daß Sie recht
haben. Nun wohl, der Muth soll entscheiden!
wer von Ihnen der muthigsten That für
mich fähig ist, den will ich der Belohnung
als würdig erachten! Ueberlegen Sie sich's
gut, meine Herren. Noch heute Abend will
ich Ihre Antwort hören!"

Die junge Dame eilt in den Ballsaal zurück. —

Erst als das Fest seinem Ende sich
zuneigt, versammelt sie ihre drei Ritter
wieder um sich.

„Nun, meine Herren," ruft sie über-
müthig, „jetzt bin ich bereit, Ihre Ant-
worten zu hören."

Einer nach dem Anderen kündet
seinen Entschluß. Zuerst der Dichter:

„Ich hätte den Muth, — für Sie zu
sterben!"

„Ich hätte den Muth, — für Sie zu
tödten," spricht der Assessor und mißt
seinen Vorredner mit einem Blicke, als
wollte er ihn sofort auf krumme Säbel
fordern.

Der Privat-Docent schweigt noch. Er
will durch die Kunstpause seinen Worten
mehr Eindruck sichern.

„Bekennen Sie sich geschlagen, Herr Pro-
fessor ?" fragt Fräulein Edith.

„O, im Gegentheil, gnädiges Fräulein!
Ich weiß, daß ich siegen werde; denn ich, —
ich hätte den Muth, — für Sie zu leben!!"

Der Dichter und der Assessor lachen. Aber
das junge Mädchen wird ernst. Sie ist so
geistvoll, daß sie sogar Selbsterkenntniß besitzt.

„Für mich zu leben?" wiederholt sie
zögernd. Sie denkt an die Vergangenheit, an
die Gegenwart und Zukunft. Als Kind der
Schrecken ihrer Bonne, ein Eigensinn par ex-
cellence, verwöhnt, verzogen, egoistisch! Jetzt
eine Salon-Pflanze, blendend, bestechend; aber
keinem Witterungswechsel Stand haltend! Und
künftig? Uebersättigt und doch unersättlich
in ihren Ansprüchen, nervös, verstimmt, un-
befriedigt, — eine aus der Schaar der unver-
standenen Frauen, vielleicht stark genug, sich
zu besiegen, — vielleicht auch — dem Unter-
gänge geweiht?!!

Edith erröthet bei dem schrecklichen Gedanken.
— Aber noch ist es ja Zeit, Alles anders zu
gestalten! Der Professor hat .ihr die Augen
geöffnet, ehe es zu spät war. Gott sei Dank!

Sie wendet sich zu ihren Lavalieren und
sagt in tändelndem Ton:

„Meine Herren, ich danke Ihnen allen
Dreien für Ihre Bemühungen. Ich halte den
von Ihnen für den Tapfersten, der den Muth
hat, — für mich zu leben! Sie verdienen
den Preis, Herr Professor, und Sie sollen ihn
erhalten! Die höchste Belohnung, die ich Ihnen
gewähren kann, ist das versprechen, — daß
ich niemals Ihre Frau werde!" —

Fidus

Der Lüßer

J. Diez

Latull-ZZerze

von Gustav Mhl

II. Mit Dank zurück!

Deine Dedication, mein süßer Willi —

Hätt' ich Dich nicht so lieb, ich kann Dir sagen,
Kerl, ich würde Dich Haffen wie Othello!
Denn „was that ich Dir," Mensch, daß Du mit

solchem

Wust von Literaturschund mich zu Tod quälst?
In die Hölle mit ihm, der Dir das blöde
Miserabele Zeug da aufgehalst hat!

Sollte freilich der Journalist, der Maier,

An den interessanten Novitäten
Schuld sein, wie ich vermuthe — gratulire!
Denn Dein Eifer ist nicht umsonst gewesen.
Dieses elende Iammerbuch, gerechter Fimmel,
Schenkst Du zweifellos Deinem Herzensanton
Nur, damit er noch diesen Tag krepire,

Grad' am Karneval, mitten in der Festzeit.
Doch Du kommst mir nicht so davon, Du

Schlingel!

Morgen lauf' ich in alle Bücherläden,

Und mit Julius Wolf und Heinrich Seidel,
Larmen Sylva und Friderike Kemxner
werd' ich, wie sich's gehört, mich revanchiren,
Ihr hier aber, hinaus zum Tempel! packt euch,
Scheert euch wieder?nach Haus, von wo ihr

herkommt,

Mir zum Aerger, ihr lausigen Poeten!

[Ni te plus oculis meis amarem, / Iucun-
dissime Calve, munere isto / Odissem te odio
Vatiniano: Nam quid feci ego quidve sum
locutus, / Cur me tot male perderes poetis?/
Isti di mala multa dent clienti, / Qui tantum
tibi misit impiorum. / Quodsi, ut suspicor, hoc
novum ac repertum / Munus dat tibi Sulla lit-
terator, / Non est mi male, sed bene ac beate, /
Quod non dispereunt tui labores. / Di magni,
horribilem et sacrum libellum! / Quem tu
scilicet ad tuum Catullum / Misti, continuo ut
die periret / Saturnalibus, optimo dierum! /
Non, non hoc tibi, salse, sic abibit: /Namsi
luxerit, ad libraiorum / Curram scrinia: Caeisos,
Aquinos, Suffenum, / omnia colligam venena /
Ac te his suppliciis remunerabor. / Vos hinc
interea, valete, abite / illuc, unde malum
pedem attulisti, / saecli incommoda, pessimi
poetae 1]

$.

Der Biisser

verzeih mir nicht, schau mich nicht an!
Deine Güte war' nicht wohlgethan!

Laß mich zu Deinen Füßen sinken;
Deine Hand soll meine Thronen trinken.

Laß meine Thronen bis zum Rand
Füllen die Schale Deiner Hand,

Laß mich vergehen vor Scham und

Lehnen:

Davn sollst Du mich taufen mit meinen

Thronen...

Hugo Salus
Register
Fidus: Zeichnung zum Gedicht "Der Büßer"
Gustav Kühl: Catull-Scherze
Julius Diez: Zierleiste
Hugo Salus: Der Büßer
 
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