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Nr. 1

Jugend

4

1900

arbeiteten Stiefel eines europäischen Kollegen
dem schlecht gearbeiteten eines Landsmannes
oorziehen, als reines Kunstprodukt nämlich.
Würde man ihn dagegen fragen, ob er den
mühsam zusammengepreßten Aus; einer vor-
nehmen Chinesin oder den schlanken einer klei-
nen Wienerin (Berlinerin, Münchnerin w.)
Mt* „s chöner" halte, so würde er freudestrahlend
rufen: „Her mit dem Klumpfuß!"

Wir setzen daraus, daß der Begriff des
Schönen ein durchaus subjektiver ist,
der mit der gerechten Abwägung des Könnens
gar nichts zu thun hat. Kunst ist mehr oder
lveniger fleißige Berwerthnng eines angebore-
uen Gestaltungstalentes; Schönheitsgefühl ist
ein seliges Gemisch von Athmen und Begehren,
von Hoffen und Wünschen. Die Kunst ist
sinnig, die Schönheit sinnlich, wenn auch nur
für Augen und Ohren. Da, wo im einzelnen
Kunstwerk eine Verquickung beider Begriffe
gegeben oder unumgänglich ist, müssen wir sie
erst sorgfältig zu trennen suchen. Wir sind
dies schon den Künstlern schuldig, von denen
manche absichtlich auf Schönheit ver-
zichten, während andere ihre künstlerischen
Schwächen durch den Glanz der Schön-
heit zu verdecken suchen. Bei der Beur-
theilung der Schönheit, namentlich der natür-
lich gewachsenen, ist sich jeder selbst der Nächste.
Wenn ich z. B. ein Türke wäre und „veran-
laßt" würde, mir einen feschen Harem zusam-
menzustellen, — bitte, ich sage nur „wenn" —
dann würde ich dies selber besorgen, nicht
aber durch berühmte oder unberühmte Maler
besorgen lassen. Denn schließlich wäre ja doch
ich der Türke, und der Harem müßte mir
gefallen! Chacun a son goüt. Man sollte
endlich aufhören, die Künstler nach dem zu be-
urtheilen, was andere für schön halten,
was aber weder diese noch jene gen:acht
haben; man sollte unterscheiden zwischen Kön-
nern und Kennern, zwischen Pferdemalern und
Pferdeliebhabern, zwischen Kunst und Harem.
Dort nur objektive Gerechtigkeit, hier nur sub-
jektives Behagen. In Fragen der „Schön-
heit" kann man ja auch durch Erfahrung Vieles
„lernen," aber das ist ein ganz anderes Lernen
als das spezifische Lernen des Künstlers. Wenn
dieser es nebenbei versteht, sich einen guten
Geschmack im Sinne der Gesellschaftskreise
anzueignen, für welche seine Kunstwerke be-
stimmt sind, desto besser für ihn; und wenn
über dem Portale eines Kunsttempels zu lesen
steht: „Hier wird auch Schönheit verzapft," —
so ist dies gewiß keine Benachtheiligung des
verehrlichen Publikums. Was aber Schön-
heit wirklich sei, das trägt ein Jeder doch als
freies Recht im eignen Busen:

Wünsche wie Tu wenn Du wünschest

Wünschen wirst gewünscht zu haben;

Wer nicht Selber kräftig wünschet

Lasse wunschlos sich begraben.

Was ist Kritik? Eigentlich etwas sehr
Trauriges, Kunst- und Genußfeindliches; ich
meine, wenn es mit breitspuriger Absicht und
mit dem Anspruch der Unfehlbarkeit getrieben
wird. Wenn es sich lediglich auf das Können
bezieht, mag es noch angehen; hier lassen sich
allerdings mancherlei Regeln und Meßapparate
anwenden, wie schon Beckmeßer gezeigt hat.
Dagegen ist die Kritik der Schönheit ein
unlenkbares Luftschiff. Sowohl der kluge Könner
als der weise Liebhaber wird für sich immer,

wenn auch nur unbewußt und intuitiv, kriti-
sieren; aber von der grande dame „Kritik",
angethan mit Reifrock und Himmelbettfeder-
busch, wird er sich lieber fern halten. Ich ge-
höre zu den ketzerischen Genußmenschen, die
in dem Ueberwuchern der Kritik nur einen
Hemmschuh des künstlerischen Frohmuthes, etwas
Seniles, den Humor wie den Charakter Ver-
derbendes erblicken, einen Weckruf dann und
wann an die kunst- nnb denkfaule Nation lasse
ich mir gefallen; aber den tagtäglich en
Ausschank hyperkritischer Weisheit, diese bleich-
süchtigen nnb doch oft recht boshaften Ergüsse
über jeden künstlerischen ruptum und bumbu-
lum — der Teufel soll das Geschmiere holen!
Es ist ein schlimmes Zeichen giftiger Oxydation,
wenn Künstler und Dichter vor ihren Zensoren
zittern wie vor Scharfrichtern. Und wirklich,
hundert Jahre nach der Entdeckung der Guil-
lotine, sind die kritischen Hinrichtungen
an der Tagesordnung, und ein großer The'l
dcs Publikums steht verdutzt dabei, wie der
Ochs am Berge. Tann tauchen so barbarische
Fragen auf, wie: „Was kann der Kerl eigent-
lich selber?" — und in das olympische Völk-
chen fährt eine Art von antisemitischer Ver-
wilderung : „Schlagt ihn todt den Hund, es
ist ein Recensent!" Ter das gesagt hat, war
zwar noch nicht Geheimrath, aber doch schon
mehr als „Einer." Die Zeitungen, die sich
doch so gern mit den Saaten ihres Wohl-
wollens und mit ihren Kultmaufgaben brü-
sten, sollten sich wohl davor hüten, ihren großen
Mund zur künstlichen Züchtung solcher Roh-
heitsbazillm herzugeben. Georg Hirth

Libo und KUlrratü

Motto:

,,Zibo und Asserato, zwei Mißvergnügte."
Z > e s c o (personenverzeichniß)

Ls gibt zwei mürrische Gesellen,
Umwölkt von Mißmuth und Verdruß -
Die schlürfen Gift aus allen Duellen
Und Lssig aus dem klarsten Fluß.

Sie sehn den wurm in jeder Blume,
verrath in jedem Mädchenblick,

Nur Fälscherlist in jedem Ruhme,

Nur Selbstbetrug in jedem Glück!

Sie kennen nicht des Frohmuths Segen,
Nicht des Genügens mildes Licht.

Ihr Wahlspruch heißte „Ich bin dagegen!"
Zhr Wappenwort: „Nun g'rade nicht!"
Und hätt' auch weisheitsvoll wie Plato
Lin Fürst den Bau des Staats gefügt —
Die Zibo und die Asserato,

Sie bleiben ewig mißvergnügt.

Strahlt uns der Stolz im Auge wider,
wenn uns des Ruhmes Frühglanz tagt,
Dann wird durch diese herben Brüder
Zersäuert Alles und zernagt . . .
wenn noch so warm die Sonne schiene
Und noch so mild die Mailust haucht,
Sie sitzen da mit einer Miene —

Als war' sie in Alaun getaucht!

Umsonst versucht sie zu umschmeicheln
Der Götter Schoßkind, der Humor.

Die krausen Falten sortzustreicheln
vermag kein Weiser und kein Thor.

Die eh'rne Strenge eines Lato
Bleibt eingekerbt in ihr Gesicht —

Die Zibo und die Asserato,

Sie leben, doch ste lachen nicht.

An ihren Häusern eilt vorüber
Der Genius der Zufriedenheit.

Die Scheelsucht macht ihr Auge trüber,
In ihren Herzen wühlt der Neid.

Das Fett der Andern macht ste mager,
Des Freunds Gesundheit macht sie krank;
Das Glück des Nachbars ist ihr Plager.
Sein Iubel ist ihr Grabgesang . . .

Sylveslernackt 1899

Heute noch fin de siecle! Was
werden wir morgen sein?"

So unken sie aus ihrer Leier
Die ewig gleiche Litanei.

Sie stöhnten gestern, stöhnen heuer
Die alte Trauer-Melodei.

Bald geht es Largo, bald Staccato,

Sie werkeln es von Haus zu Haus ...
Die Zibo und die. Asserato,

Sie sterben nie und nimmer aus.

Gskar Blumentkal

Deutsch lateinisches Scherz-Räthsel

Das erste ist ’ne röm’sche Sau,

Das zweite das ist meine Frau,

Das Ganze ist mein Töchterlein —
Nun rathet mal, was mag das sein?

VNNV-Sns
Register
Arpad Schmidhammer: Vater Chronos mit der Wurstspritze
Agricola: Viel Schwein!
 
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