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Nr. 3

übrige, jawohl. Ich'habe mir nichts behalten
als eine Lappalie von ein paar tausend Mark,
um mich gegen die äußerste Noth zu schützen,
und den Schmuck meiner Frau, damit ihr nicht
kalt sei, wenn sie einmal auf einen Ball geht.
Luch aber bleibt eine Million. Erschreckt nicht,
eine Million ! Ihr seid hundert Arbeiter, ent-
fällt also auf jeden ^0 000 Mark. Ihr werdet
also in Zukunft Kapitalisten sein! Ihr könnt
Reisen machen, Ihr könnt Däuser oder Grund-
stücke kaufen, die Linen von Luch werden im
Sommer auf's Land geheil wollen, die Andern:
werden nach Paris zur Weltausstellung fahren.
Macht das, wie Ihr wollt. Um mich aber küm-
mert' Luch nicht. (Mit Resignation) Ich werde
mich schon durch's Leben schlagen, so oder so....
(Ls klopft; er preßt die pände auf das perz)

Sie sind es_(Lr stellt sich neben der Raffe

auf. Lmphatisch) perein!....

Der Schwiegervater des
jmlgei: Rapitalisten. (Alter
Kapitalist. Lr sieht schon eher
einem Kapitalisten gleich, ob-
wohl auch er keine Uhrkette
über den Bauch trägt. Nicht
aus Diskretion. Aber Scknnick
reizt auf, und aufgereizte Ar-
beiter verlangen Lohnerhöh-
ung.) Servus Paul! wie
geht's?

Dev junge Kapitalist
(entfernt sich lallgsai:: von der
Kassa): Danke Papa. Und Dir?

Dev alte Kapitalist: So, so ... Lala. . .
Ich muß mit Dir was bereden.

Dev j. Kap.: Geschäftlich?

Dev a. Kap.: Ia. *

Dev j. Kap.: peute nicht, Papa.

Dev a. Kap.: Ls handelt sich um eineil
großartige:: Wurf. Um etwas Ungeheuerliches,
pundert Millionen sind dabei zu verdienen,
wie nichts.

Dev j. Kap.: Pu — (widerwillig), worum
handelt es 'sich?

Dev Dienev (:neldet): Der Werkführer

Franz, gnädiger perr!

Dev j. Kap.: Juso! Lr soll einen Augellblick
warten. Bitte, rasch, Papa! Ich werde erwartet.

Dev a. Kap.: past Du schon etwas von
Telegraphie ohne Draht gehört?

Dev j. Kap.: Ia, Papa. Das ist ein
Schwindel.

Dev a. Kap.: Das macht nichts. Ls handelt
sich hier nur um das Prinzip dieser Erfindung.

Dev j. Kap.: Das Prinzip ist auch ein
Schwindel. .

Dev a. Kap. (unbekümmert): Man tele-
graphirt durch die Luft, woinit telegraphirt
man? Mit Elektrizität, wo ist die Elektrizität?
woher kommt sie?

Dev j. Kap : Ich weiß nicht.

Dev a. Kap.: Ans der Luft. Die Luft
enthält Elektrizität, verstehst Du das?

Dev j. Kap.: Nein.

Dev a. Kap. (fortfahrend): wenn aber die
Luft Elektrizität enthält, warum soll man sie
nicht auch zu anderen Zwecken verwenden? wa-
rum soll man nicht z. B. beleuchten mit Luft?

Dev j. Kap.: warum nicht?

Dev a. Kap.: Um kurz zu sein, vorgestern
kommt ein junger Mann zu mir, der es er-
funden hat, mit Luft zu beleuchten. Lr hat
Patente erworben für sämmtliche Länder der
Welt. Für eine Million verkauft er diese
Patente und verzichtet auf alle Rechte des
Erfinders. Ich hätte ihm die Million sofort
gegeben. Leider besitze ich nur eine halbe.

Dev j. Kap.: Die andere pälfte'soll ich
geben?

..Dev a. Kap.: So ist es. Ich habe bis
Mitternacht Bedenkzeit.

Dev j. Kap.: Nein, Papa!

. JUGEND .

Dev a. Kap.: hundert Millionen, sag'
ich Dir.

Dev j. Kap.: Ls ist nicht das, Papa. Aber
— ich ziehe mich vom Geschäft zurück. Und
mein Vermögen vertheile ich unter meine
Arbeiter. (Lr nimmt sich zusammen.) Ia wohl.

Dev a. Kap.: (sperrt den Mund auf)
Und — meine Tochter?

Dev j. Kap.: Für sie ist gesorgt. Ich habe
ein paar Mark beiseite geschafft.

Dev a. Kap. (sieht ihn lange an. Dann
fragt er scheinbar ruhig): Und warum willst
Du das thun?

Dev j. Kap.: Um mich unsterblich zu
machen! (schüchtern) Und vor allen: aus
Menschlichkeit, Papa! Arbeiter sind auch Men-
schen, Papa! wir stehen an: Beginne des
zwanzigsten Iahrhunderts, Papa .... (Da

1900

Papa ihn beobachtet, ohne etwas zu reden)
Du hältst mich wohl für verrückt, Papa?

Dev a. Kap.: Durchaus nicht. Ich finde
diese Idee sehr schön, (seufzend) wie oft Hab'
ich selbst schon daran gedacht, zu theilen!

Dev j. Kap.: Du auch, Papa! . . . Ah!
So theilen wir beide, wir kommen beide in
die Zeitung, wir werden beide unsterblich.
(Der alte Kap. schüttelt den Kopf.) Du willst
nicht? warum nicht?

Dev a. Kap.: weil ich kein Egoist bin,
wie Du!

Dev j. Kap. (verwundert): wenn ich theile,
bin ich ein Egoist?

Dev a. Kap.: Ia. Ich werde Dir das
erklären. — wie viel kommt auf jeden Arbeiter,
wenn Du Dein vermögen auftheilst?

Dev j. Kap.: Zehiltausend Mark, Papa.

Dev a. Kap.: Siehst Du, da steckt der Fehler.
Zehntausend Mark, das ist mir zu wenig.

Dev j. Kap.: Ls ist etwas.

Dev a. Kap.: Ls ist gar nichts. Zun:
Leben zu wenig, zun: Sterben zu viel.

Dev j. Kap.: Schließlich, ich habe nicht mehr.

Dev a. Kap.: wenn man nichts hat, so
theilt inan nicht.

Dev j. Kap.: Um nicht wenig zu geben,
soll ich gar nichts geben?

Dev a. Kap.: Iawohl. Hub ab warten,
bis Du viel geben kannst. Siehst Du, was
Du thun willst, ist ja doch nur eine ungeheure
Eitelkeit, peute eine M'llion verschenken, und
sich morgen in der Zeitung lesen, das kann
— entschuldige — jeder Esel, wenn Du wirk-
lich ein bedeutender Mensch bist, mußt Du
ganz anders Vorgehen.

Dev j. Kap.: Und wie, Papa?

Dev a. Kap.: Du mußt Deine Million be-
halten und weiter arbeiten, so lange bis auf
jeden Deiner Arbeiter statt zehntausend, hundert-
tausend Mark entfallen. Das bist Du Deinen
Arbeitern schuldig. Ich schlage Dir ein glänzen-
des Geschäft vor, durch das Du Dem ver-
mögen verzehnfachen kannst, wenn Du es
ausschlägst, so begehst Du einen Raub an Deine::
Arbeitern. Iawohl.

Dev j. Kap.: Und wenn ich es nicht aus-
schlage?

Dev a. Kap.: So wirst Du im Iahre
statt einer Million zehn Millionen besitzen.

Dev j. Kap. (mit leuchtenden Augen): Und
dann theilen wir?

Dev a. Kap.: Aber natürlich, dann thci-
len wir.

Dev j. Kap.: Du hast Recht. Papa.

Dev a. Kap.: Na, siehst Du. (Für sich):
Ls ist sein Glück, daß er das einsieht, wäre er
bei seinen: Vorhaben geblieben — beim Leben
meiner Tochter! — ich hätte ihn noch diesen
Sylvesterabend in ein Tollhaus bringen lassen.

Dev Dienev: Gnädiger perv, der Werk-
führer Franz läßt fragen, ob er die Arbeiter
nicht zuerst entlassen soll, ehe er zum gnädigen
perrn kommt.

Dev j. Kap.: Richtig, der Werkführer, er
soll herein kommen. —

Dev wevkfühvev Franz (tritt scheu in
das Gemach): Küß' die pand, gnädiger perr.

Dev j. Kap.: pören Sie, lieber Freund.
Meine Arbeiter wollen mir gratulieren. Ich
lasse ihnen danken. Ich käme persönlich hin-
unter, aber — Sie sehen — ich habe Besuch.
Lassen Sie jeden: Arbeiter einen doppelten
Wochenlohn auszahlen, und sagen Sie ihnen,
ich lasse sie grüßen, und Sie bekommen ^00 Mark.

Franz: Küß' die pand, gnädiger perr.

Dev j. Kap.: Lassen Sie nur. Ia, und
morgen feiern wir. Und lassen Sie fünf Fässer
Bier anschlagen. Auf meine Rechnung. (Mit
einem gnädigen Lachen): Die Leute sollen sich
einen kleinen Rausch antrinken an der Iahr*
Hundertwende! — Adieu.

Fritz Christ (München)

Verführung
Register
Fritz Christ: Fotografie einer Skulptur "Verführung"
 
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