Nr. 3
JUGEND
1900
E. Neumann (München)
Die freundliche Bedienung
„was, noch a Semmel möcht der Herr — und zwei Hai er schon giessen. Wärns
doch lieber gleich zum Bäcker 'gangen und hätiens Ihnen Ihr schundigs Vuartel
Bier dort 'nüber holen lassen!"
mehr und da hat Mama einen kleinen Jungen
gekauft. Ein reizendes kleines Kerlchen.
Georgette: Mein Brüderchen ?
Victoire: Ja.
Georgette: Ich will ihn küssen. Ich darf
ihn doch küssen, nicht?
Victoire: Das will ich meiner..
Georgette: Und darum soll ich auch keinen
Lärm machen; Brüderchen würde sich fürchten,
nicht wahr?
Victoire: Gewiss! (Nach Worten suchend)
Und dann . . . und dann . . . wegen . . . also . ..
der Papa . . . Papa wird es Dir sagen . . . selbst
sagen... Armer Herr! Ach, Dein Papa ist
sehr, sehr unglücklich.
Georgette (zitternd): Vica ! Was fehlt Mama?
Sprich doch! O, warum drückst Du mich so?
Du thust mir ja weh. Warum weinst Du,
Vica? Ach Mama! Mama! — Was fehlt Mama-
chen? (Sie schluchzt).
Victoire (weinend): Aber Georgette! . . . .
Georgette! Mein gutes Kind, mein liebes,
gutes Kind, rege Dich doch nicht so auf! (Sie
versucht, sie zu beruhigen, indem sie sie in
ihren Armen wiegt). Du bist doch jetzt ein
Fräulein; du bist doch kein Baby mehr. Du
weisst doch, dass Du mir vorhin erst gesagt
hast, Du bist ein grosses Mädchen. Ein grosses
Mädchen von sechs Jahren muss doch ver-
nünftig sein .... nicht wahr? . . . nicht wahr?
Du ... Du wirst doch vernünftig sein? So . ..
so . . . mein gutes Kind ... Du wirst. .. ver-
nünftig sein?... Ob Du sie sehen wirst?..
Natürlich ... ja ... ja .. . Du wirst sie sehen . . .
man wird sie Dir zeigen .. . Sie ist so schön . . .
Sie sieht aus, als ob sie schliefe!. . . Du wirst
Papa’s Trost sein . .. Dein armer, guter Papa! . .
Du wirst ihn trösten . .. Der arme Mann!
Georgette (mit herzzerreissender Stimme):
Mama ist todt! Meine Mama ist todt! O Vica,
Vica! Mama ist todt!
Victoire: O mein Gott! Mein Gott! Welch’
ein grosses, schreckliches Unglück! Heut
Nachmittag um vier Uhr ist sie... gestorben.
Ja... Aber... die Mama’s . . . die wirklichen
Mama’s . . . sterben nicht. . . nicht ganz. Du ..
Du wirst sie Wiedersehen !. . . Eines Tages . . .
Bald! . . . Ich weiss nicht, wie ich Dir das er-
klären soll; aber ich weiss es bestimmt...»
Du wirst sie bald Wiedersehen.
Georgette (schluchzend): Nein! Nein!
Ich will sie sehen .. . Gleich ! .. . Meine
Mama!.. Ich will!... Ich will!... O!...
0! Mama! (Sie kann nicht weiter sprechen;
ihr kleiner Körper wird von langanhalten-
den Schauern geschüttelt und bleibt dann
unbeweglich.)
Victoire (zum Kutscher): Kutscher! Be-
eilen Sie sich ein wenig!
Der Kutscher: Warum? Ick kann nich’
schneller fahren.
Victoire (tastet über Georgette’s zusammen-
gekrampftes Gesicht; das Kind ist halb ohn-
mächtig) : Um Gottes willen ! . . . . Kutscher!
Halten Sie vor der Apotheke an! So halten
Sie doch, Kutscher!
Der Kutscher (anhaltend): Ihr Mä’chen is
woll krank jeworden?
Victoire: Ja! (Sie steigt aus und trägt
Georgette auf ihren Armen fort).
Der Kutscher (theilnahmsvoll und mit plötz-
lichem Wohlwollen): Soll ick sie dragen?
Victoire: Nein, danke! (Sie tritt in die
Apotheke und setzt die ohnmächtige Georgette
auf einen Stuhl, der Provisor blickt sie fra-
gend an.)
Victoire: Ach, mein Herr; hier ist ein kleines
Mädchen, das ich soeben aus dem Kloster ge-
holt habe, weil ihre Mutter heut Nachmittag
gestorben ist, und da . . . (Und sie erzählt, was
soeben in der Droschke vor sich gegangen ist.)
(Deutsch von Paul Bornstein)
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Naturam
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Habe» eine 0cm
treffen in der 2.
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vornehmen äußer
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„wohin," ft-aej
„wohin gedenkenj
Haife?" 1
„Ich wcrd' n|
-Zenngsdorf."
„Und wohin
mahlin?"
„MaineFrau
„In der Thal
„Uen der Taij
sei! schuft I"
*) Tatet*.
Der ne!
Zeichnungen von
Z0l
derung
was f
wachte
JUGEND
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„was, noch a Semmel möcht der Herr — und zwei Hai er schon giessen. Wärns
doch lieber gleich zum Bäcker 'gangen und hätiens Ihnen Ihr schundigs Vuartel
Bier dort 'nüber holen lassen!"
mehr und da hat Mama einen kleinen Jungen
gekauft. Ein reizendes kleines Kerlchen.
Georgette: Mein Brüderchen ?
Victoire: Ja.
Georgette: Ich will ihn küssen. Ich darf
ihn doch küssen, nicht?
Victoire: Das will ich meiner..
Georgette: Und darum soll ich auch keinen
Lärm machen; Brüderchen würde sich fürchten,
nicht wahr?
Victoire: Gewiss! (Nach Worten suchend)
Und dann . . . und dann . . . wegen . . . also . ..
der Papa . . . Papa wird es Dir sagen . . . selbst
sagen... Armer Herr! Ach, Dein Papa ist
sehr, sehr unglücklich.
Georgette (zitternd): Vica ! Was fehlt Mama?
Sprich doch! O, warum drückst Du mich so?
Du thust mir ja weh. Warum weinst Du,
Vica? Ach Mama! Mama! — Was fehlt Mama-
chen? (Sie schluchzt).
Victoire (weinend): Aber Georgette! . . . .
Georgette! Mein gutes Kind, mein liebes,
gutes Kind, rege Dich doch nicht so auf! (Sie
versucht, sie zu beruhigen, indem sie sie in
ihren Armen wiegt). Du bist doch jetzt ein
Fräulein; du bist doch kein Baby mehr. Du
weisst doch, dass Du mir vorhin erst gesagt
hast, Du bist ein grosses Mädchen. Ein grosses
Mädchen von sechs Jahren muss doch ver-
nünftig sein .... nicht wahr? . . . nicht wahr?
Du ... Du wirst doch vernünftig sein? So . ..
so . . . mein gutes Kind ... Du wirst. .. ver-
nünftig sein?... Ob Du sie sehen wirst?..
Natürlich ... ja ... ja .. . Du wirst sie sehen . . .
man wird sie Dir zeigen .. . Sie ist so schön . . .
Sie sieht aus, als ob sie schliefe!. . . Du wirst
Papa’s Trost sein . .. Dein armer, guter Papa! . .
Du wirst ihn trösten . .. Der arme Mann!
Georgette (mit herzzerreissender Stimme):
Mama ist todt! Meine Mama ist todt! O Vica,
Vica! Mama ist todt!
Victoire: O mein Gott! Mein Gott! Welch’
ein grosses, schreckliches Unglück! Heut
Nachmittag um vier Uhr ist sie... gestorben.
Ja... Aber... die Mama’s . . . die wirklichen
Mama’s . . . sterben nicht. . . nicht ganz. Du ..
Du wirst sie Wiedersehen !. . . Eines Tages . . .
Bald! . . . Ich weiss nicht, wie ich Dir das er-
klären soll; aber ich weiss es bestimmt...»
Du wirst sie bald Wiedersehen.
Georgette (schluchzend): Nein! Nein!
Ich will sie sehen .. . Gleich ! .. . Meine
Mama!.. Ich will!... Ich will!... O!...
0! Mama! (Sie kann nicht weiter sprechen;
ihr kleiner Körper wird von langanhalten-
den Schauern geschüttelt und bleibt dann
unbeweglich.)
Victoire (zum Kutscher): Kutscher! Be-
eilen Sie sich ein wenig!
Der Kutscher: Warum? Ick kann nich’
schneller fahren.
Victoire (tastet über Georgette’s zusammen-
gekrampftes Gesicht; das Kind ist halb ohn-
mächtig) : Um Gottes willen ! . . . . Kutscher!
Halten Sie vor der Apotheke an! So halten
Sie doch, Kutscher!
Der Kutscher (anhaltend): Ihr Mä’chen is
woll krank jeworden?
Victoire: Ja! (Sie steigt aus und trägt
Georgette auf ihren Armen fort).
Der Kutscher (theilnahmsvoll und mit plötz-
lichem Wohlwollen): Soll ick sie dragen?
Victoire: Nein, danke! (Sie tritt in die
Apotheke und setzt die ohnmächtige Georgette
auf einen Stuhl, der Provisor blickt sie fra-
gend an.)
Victoire: Ach, mein Herr; hier ist ein kleines
Mädchen, das ich soeben aus dem Kloster ge-
holt habe, weil ihre Mutter heut Nachmittag
gestorben ist, und da . . . (Und sie erzählt, was
soeben in der Droschke vor sich gegangen ist.)
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