Nr. 4
JUGEND
1900
Die sWnste Äugend
von Gottfried Leyendecker
EBkas ist nicht die schönste Jugend, wo man
mit offeneil 2lugen im Kinderwagen liegt
und das Dasein aus der Saugflasche genießt,
wo mall wie eine Porzellanpupxe abgewaschen
und in wäschebündel eingewickelt wird.
Das ist nicht die schönste Jugend, wo man
deil lächerlichsten Lehrer ehrfürchtig grüßen und
die langweiligsten römischeil Könige auswendig
lernen muß, wo jede zerrissene Hose durch Prü-
gel geflickt wird und sämmtliche Tanten ihre
guten Lehren auf uns abladen fömtctt.
Das ist nicht die schöilste Jugend, wo jeder
gelbe oder schwarze Zopf hitzige, schlaflose
Nächte und jede Tanzstunde cm Guartheft voll
glühender Gedichte erzeugt, wo trotz aller Sal-
ben der Schnurrbart nicht so schnell wachseil
will wie die Beine, an denen alle Hosen zu
kurz werden.
Das ist nicht die schönste Jugend, wo inan
des Nachts im Lafe sitzt und im ÜZualm wild
gerauchter Zigarretten an der Freiheit und den
Menschenrechten die Köpfe heiß redet, wo zwi-
schen ausgegosseileil Biergläsern und Schnaps-
rändern auf der weißen Marmorplatte die ge-
falleneil Ideale dutzendweise herumliegen wie
nasse Zündhölzer und Nietzsche jedermanns
Bruder ist.
Aber wenn Männer mit dunklen, bloilden
und weißeil Haaren und Fraueil mit Söhnen
und Enkeln einhergehen in Kraft und Gesund-
heit, mit helleil Augen uild Herzen, wenn sie
nicht mit sehnsüchtigen Augen nach den ver-
lorenen Jugendtagen wie ilach fernen Küsten
zurückblickeil und mit Sorgeilfalten tu den Stir-
nen die Zukunft erwarteil, fonbcrn wenn sie
den goldenen Tag wie aus einem Becher trin-
ken uild ihr Leben wie etncit gestrafften Bogen
fühlen, weilil sie iin Arbeiten und Ruhen, im
Lieben und Haffeii ihre Lust haben, weil sie
ihre Kraft spüren, weil sie gesund siild: Das
ist die schönste Jugeild!
Nicht alle Kilospeil koiiliireil zur Frucht und
die welligsten Menschen zu ihrer Jugend. Die
andern packeil deil Kopf voll Weisheit, aber
deil Magen voll Unverdaulichkeit. Sie ver-
geffen, daß sie Pflanzen sind mit auf- und ab-
steigendeil Säften und wachsenden Zellen. Sie
wisseil, wie sie im Krieg die Feiilde erschlagen
und im Friedeil die Freunde betrügen können;
aber nicht, wie sie die Glieder, die alle Kraft
entfalteil, und die Gehirnzelleil, die alle List
ersinnen, ernähren müssen. Sie halteil es für
würdig, über Kunst uild neue Steuern zu reden,
aber für unwürdig, an das zu denken, was der
Mensch haben muß, um die Lippeil roth und
das Gehirn blutreich zu erhalteil. Sie schätzen
den Werth der sinnlichen Wahrnehmungen als
die Nahrung alles geistigen Lebeils, aber sie
inißachteil das Eiweiß als den Hauptstoff aller
körperlicheil Nahrung.
Für edle Blumen bauen sie Mistbeete und
für das nahrhafte Korn düilgen sie den Acker.
aber auf ihr eigenes Leben haben sie nur Acht-
ung, wenn sie es durch Krankheit zu verlieren
glauben. Dann kaufen sie Medizin uild reisen
in Bäder, dann schreiben sie pessimistische No-
vellen und zeigen Gesichter wie Stoppelfelder
im Regenwetter. Sie könnten sich selber die
Medizin und die Bäder, und ihren Mitmenschen
ihre Novellen und ihre Gesichter erspareil, wenn
sie dafür sorgten, daß ihre Nahrung regelmäßig
die \20g (Eitüeig enthält, die täglich zur Neu-
bildung der Zetten unbedingt nothwendig sind,
was sie bis jetzt verspeiseil, ist in deil meisten
Fällen ganz unzulänglich; denn wer ißt täg-
lich 2<\ Pfund Kartoffeln oder 2<\ Eier oder
ein ganzes Schwarzbrot? Oder wer käsin sich
täglich p/- bis 2 Pfund Fleisch gönnen? Und
noch viel weiliger; wer kann sie auf die Dauer
ohne Schadeil verdauen; deiln starker Fleisch-
genuß und Gicht siild zwei Dinge, die eiilander
folgen.
Aber das hilft nichts, seine ^20 g Eiweiß
muß der- Magen täglich erhalten. Uild wer
da weiß, daß eine gesunde Seele nur tu einem
gesunden Körper wohnen kann, der orientirt
sich nicht nur darüber, welche überflüssigen Pla-
neten neu entdeckt siild, und wie man Keil-
schrift entziffert, sondern auch, was die mo-
derne Wissenschaft zur moderilen Ernährung
sagt. Diese moderne Wissenschaft hat längst
eingesehen, daß die bisherigen Nahrungsmittel
dem armen Magen zwar Arbeit genug, aber
zu weilig Eiweißlohn gaben, und daß neue
Eiweißquelleil erschloffeil werden mußten.
Solche Eiweißquelle besitzt nun die Welt tu
dem Tropon, das seit seiner ersteil Bekannt-
gabe einen wahren Siegeszug durch die Welt
ailgetreteil hat und in allen größeren Hospitälern
als Krankenkost eingeführt ist. wer täglich
50 g Tropon — die übrigens nur 27 pfg.
kosten — seiner Nahrung beimischt, der ist
besser ernährt, als mit der kostspieligsten Ge-
flügel- oder Beefsteakilahrung, ohne daß er
irgendwie feine Nahrungsgewohnheiten zu an-
dern braucht. Tropon ist ein geruch- und ge-
schinackloses Mehl, das zu jedem Getränk und
zu jeder Speise verkocht, verbraten und ver-
backen werden kann. So bequem also ist es
Dank der deutschen Wissenschaft uns modernen
Meilschen gemacht, nicht die ewige Jugend,
aber Kraft uild Gesundheit zu erlangen und
zu bewahren: denn daß alle Krankheit schlechte
Vermischung der Säfte, also stets eine teil-
weise Folge unzureichender oder falscher Er-
nährung ist, predigen alle Aerzte und Laien-
priester. Sorgen wir dafür, daß wir nicht nur
unseren Geist mit verdaulichen Gedanken, son-
dern auch mlseren Körper mit verdaulichem
Eiweiß ernähren — das eine ist durch Tropon
so leicht gemacht wie das andere —1 so werden
wir für die verlorene Jugend unserer Kindheit
die Kraft und Gesundheit des reifen Alters,
die Energie und Beweglichkeit des blühenden
und fruchtbringenden Körpers, die Fröhlich-
keit einer guten Saftströmung gewinnen: Die
schönste Jugend.
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JUGEND
1900
Die sWnste Äugend
von Gottfried Leyendecker
EBkas ist nicht die schönste Jugend, wo man
mit offeneil 2lugen im Kinderwagen liegt
und das Dasein aus der Saugflasche genießt,
wo mall wie eine Porzellanpupxe abgewaschen
und in wäschebündel eingewickelt wird.
Das ist nicht die schönste Jugend, wo man
deil lächerlichsten Lehrer ehrfürchtig grüßen und
die langweiligsten römischeil Könige auswendig
lernen muß, wo jede zerrissene Hose durch Prü-
gel geflickt wird und sämmtliche Tanten ihre
guten Lehren auf uns abladen fömtctt.
Das ist nicht die schöilste Jugend, wo jeder
gelbe oder schwarze Zopf hitzige, schlaflose
Nächte und jede Tanzstunde cm Guartheft voll
glühender Gedichte erzeugt, wo trotz aller Sal-
ben der Schnurrbart nicht so schnell wachseil
will wie die Beine, an denen alle Hosen zu
kurz werden.
Das ist nicht die schönste Jugend, wo inan
des Nachts im Lafe sitzt und im ÜZualm wild
gerauchter Zigarretten an der Freiheit und den
Menschenrechten die Köpfe heiß redet, wo zwi-
schen ausgegosseileil Biergläsern und Schnaps-
rändern auf der weißen Marmorplatte die ge-
falleneil Ideale dutzendweise herumliegen wie
nasse Zündhölzer und Nietzsche jedermanns
Bruder ist.
Aber wenn Männer mit dunklen, bloilden
und weißeil Haaren und Fraueil mit Söhnen
und Enkeln einhergehen in Kraft und Gesund-
heit, mit helleil Augen uild Herzen, wenn sie
nicht mit sehnsüchtigen Augen nach den ver-
lorenen Jugendtagen wie ilach fernen Küsten
zurückblickeil und mit Sorgeilfalten tu den Stir-
nen die Zukunft erwarteil, fonbcrn wenn sie
den goldenen Tag wie aus einem Becher trin-
ken uild ihr Leben wie etncit gestrafften Bogen
fühlen, weilil sie iin Arbeiten und Ruhen, im
Lieben und Haffeii ihre Lust haben, weil sie
ihre Kraft spüren, weil sie gesund siild: Das
ist die schönste Jugeild!
Nicht alle Kilospeil koiiliireil zur Frucht und
die welligsten Menschen zu ihrer Jugend. Die
andern packeil deil Kopf voll Weisheit, aber
deil Magen voll Unverdaulichkeit. Sie ver-
geffen, daß sie Pflanzen sind mit auf- und ab-
steigendeil Säften und wachsenden Zellen. Sie
wisseil, wie sie im Krieg die Feiilde erschlagen
und im Friedeil die Freunde betrügen können;
aber nicht, wie sie die Glieder, die alle Kraft
entfalteil, und die Gehirnzelleil, die alle List
ersinnen, ernähren müssen. Sie halteil es für
würdig, über Kunst uild neue Steuern zu reden,
aber für unwürdig, an das zu denken, was der
Mensch haben muß, um die Lippeil roth und
das Gehirn blutreich zu erhalteil. Sie schätzen
den Werth der sinnlichen Wahrnehmungen als
die Nahrung alles geistigen Lebeils, aber sie
inißachteil das Eiweiß als den Hauptstoff aller
körperlicheil Nahrung.
Für edle Blumen bauen sie Mistbeete und
für das nahrhafte Korn düilgen sie den Acker.
aber auf ihr eigenes Leben haben sie nur Acht-
ung, wenn sie es durch Krankheit zu verlieren
glauben. Dann kaufen sie Medizin uild reisen
in Bäder, dann schreiben sie pessimistische No-
vellen und zeigen Gesichter wie Stoppelfelder
im Regenwetter. Sie könnten sich selber die
Medizin und die Bäder, und ihren Mitmenschen
ihre Novellen und ihre Gesichter erspareil, wenn
sie dafür sorgten, daß ihre Nahrung regelmäßig
die \20g (Eitüeig enthält, die täglich zur Neu-
bildung der Zetten unbedingt nothwendig sind,
was sie bis jetzt verspeiseil, ist in deil meisten
Fällen ganz unzulänglich; denn wer ißt täg-
lich 2<\ Pfund Kartoffeln oder 2<\ Eier oder
ein ganzes Schwarzbrot? Oder wer käsin sich
täglich p/- bis 2 Pfund Fleisch gönnen? Und
noch viel weiliger; wer kann sie auf die Dauer
ohne Schadeil verdauen; deiln starker Fleisch-
genuß und Gicht siild zwei Dinge, die eiilander
folgen.
Aber das hilft nichts, seine ^20 g Eiweiß
muß der- Magen täglich erhalten. Uild wer
da weiß, daß eine gesunde Seele nur tu einem
gesunden Körper wohnen kann, der orientirt
sich nicht nur darüber, welche überflüssigen Pla-
neten neu entdeckt siild, und wie man Keil-
schrift entziffert, sondern auch, was die mo-
derne Wissenschaft zur moderilen Ernährung
sagt. Diese moderne Wissenschaft hat längst
eingesehen, daß die bisherigen Nahrungsmittel
dem armen Magen zwar Arbeit genug, aber
zu weilig Eiweißlohn gaben, und daß neue
Eiweißquelleil erschloffeil werden mußten.
Solche Eiweißquelle besitzt nun die Welt tu
dem Tropon, das seit seiner ersteil Bekannt-
gabe einen wahren Siegeszug durch die Welt
ailgetreteil hat und in allen größeren Hospitälern
als Krankenkost eingeführt ist. wer täglich
50 g Tropon — die übrigens nur 27 pfg.
kosten — seiner Nahrung beimischt, der ist
besser ernährt, als mit der kostspieligsten Ge-
flügel- oder Beefsteakilahrung, ohne daß er
irgendwie feine Nahrungsgewohnheiten zu an-
dern braucht. Tropon ist ein geruch- und ge-
schinackloses Mehl, das zu jedem Getränk und
zu jeder Speise verkocht, verbraten und ver-
backen werden kann. So bequem also ist es
Dank der deutschen Wissenschaft uns modernen
Meilschen gemacht, nicht die ewige Jugend,
aber Kraft uild Gesundheit zu erlangen und
zu bewahren: denn daß alle Krankheit schlechte
Vermischung der Säfte, also stets eine teil-
weise Folge unzureichender oder falscher Er-
nährung ist, predigen alle Aerzte und Laien-
priester. Sorgen wir dafür, daß wir nicht nur
unseren Geist mit verdaulichen Gedanken, son-
dern auch mlseren Körper mit verdaulichem
Eiweiß ernähren — das eine ist durch Tropon
so leicht gemacht wie das andere —1 so werden
wir für die verlorene Jugend unserer Kindheit
die Kraft und Gesundheit des reifen Alters,
die Energie und Beweglichkeit des blühenden
und fruchtbringenden Körpers, die Fröhlich-
keit einer guten Saftströmung gewinnen: Die
schönste Jugend.
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