29 JAT
Der Johimy stieg dem Michel übern Faun,
Und stahl ihm Aepsel. Als der Michel grollte,
Da sagte Jener: „Paul hat mich verhau'n,
wofür ich setzt mir Tröstung holen wollte.
Ergib Dich, Vetterlein, in Dein Geschick,
Es Hilst Dir sa kein Schelten und kein Greinen,
Ich Hab' nen Prügel, schwer und lang und dick —
Du, armer Teufel, aber, Du hast Leinen!"
Lr sprachs und lachte, pfiff „God save the Queen!
Und Hub dann an von seinem Raub zu naschen —
Der arme Michel sah verdutzt auf ihn
Und ballte seine Fäuste in den Taschen!-
Nr. 4 (Redaktionsschluss: 10. Januar 1900) • JUGEND •
1900
Ich bin begierig, ob die Lehre sitzt
Beim Vetter Michel: wer zur rechten Stunde
Für das Gesindel keinen Stecken schnitzt,
Dem stehlen sie den Löffel weg vom Munde!
Lermann
Das Grab am Tugela
Die deutsche Jubiläums-Postkarte
Nächtlich am Tugela lispeln
Bei Lolenso dumpfe Lieder.
Aus den Wassern schallt cs Antwort,
Wie von Burenflinten, wieder.
Und den Zluß hinauf, hinunter
Zieh'n die Scharen tapfrer Briten ...
Aber drüberweg zu ziehen —
Davor werden sie sich hüten! . .
Unglaublich
In Dingsda hat sich am \. Januar ^900
der als geiziger Sonderling bekannte Millionär
Paphnuzius Kümmerlich durch eigenhändigen
Selbstmord wegen Nahrungssorgen entleibt.
In einem zurückgelassenen, vom XII. 99
datirten Brief erklärte er, er wolle in einem
Jahre nicht leben, dessen Ziffer sich nicht ab-
kürzen läßt. Deyn man könne doch z. B. un-
möglich h. I. 00 schreiben. Der Unglückliche
fürchtete, durch Mehrverbrauch an Tinte in's
Elend zu gerathen.
klassisches Zeugniß
(Rußland und England in Asien)
(namque) acie aequali concurrit russeus
albo. (Antliol. lat.)
Und auf gleichem Boden wetteifert der
Russe mir Albion.
D staunt! Denn die moderne Kunst
Fand endlich auch mal „oben" Gunst,
Worauf sie längst schon nimmer harrte —
Dies zeigt die Jubiläumskarte,
Die im Norddeutschen postgebiet
Hinaus bis in die Dörfer zieht.
Wie symbolistisch und geschickt
Ist nicht der Anfang ausgedrückt
Von unsrem neuen Säkulum!
Ist der nicht ganz verbohrt und dumm,
Der nicht beim ersten Blick bewundert
Den schönen Stil der „J900“?
Und weil bei Schiller ist zu lesen.
Daß zwiegespaltet sei das Wesen
Von dem Gefühl für das Naive,
So suchte man nach keiner Tiefe,
Recht kindlich nur schrasfirte man
Die Wolken, wie's klein Fritzchen kann.
Die Sonne schuf mit ihrem Strahl
Der Girkel mit dem Lineal,
Damit im Volke nicht entschliefe
Der Intellekt für das Naive
Und nicht der Sinn für das, was nett,
Genau und proper und adrett! —
Und. drüben seht! Der Lorbeerkranz,
Der athmet Realismus ganz.
Links ist er kurz, rechts ist er längere
Der Zeichner war kein sormenstrenger
Pedant — er war modern sogar!
Germania mit dem langen Haar
Ist auch von feinster Gharakteristik,
Und in genialer Symbolistik,
Verschmähend alles steif Antike,
Erinnert sie an Schulzens Nieke.
Wie schön und klug ist das Gesicht
Der Heldenjungfrau! Meint man nicht,
Sie hörte die Geschichte grad
Von England und vom „Bundesrath"?
Schraffirt ist sie mit vielem Fleiß,
Den Scheitel ziert ein Eichenreis,
Und eine Krone hat sie auf.
Die Rechte hat des Schwertes Knauf
Bedeutungsvoll und kühn erfaßt,
Dazu noch einen Lorbeerast,
Und bis zur rechten Brust erhoben;
Ss schützen blanke Hemigloben
Von Stahl des Busens holde Zier —
Und weiter steht man nichts von ihr!
Doch für 5 Pfennig dünkt mit Fug
Mich dieses überaus genug!
Darum Hab' ich dies werk besungen:
Ls ist apart, es ist gelungen,
Lin Stolz für uns're Industrie,
Gleich sieht man: rnade in Germany!
So zeigt noch späten Enkeln gleich,
wie's um die Kunst im deutschen Reich
(Ich meine da die osficielle,
Maßgebend von berufner Stelle
Beliebt, genehmigt, angewandt)
Im Jahre 1900 stand!
Der späte Lnkel sagt sich blos
Das eine Wörtlein dann: „Famos!"
RunikiuHl
Herausgeber: Dr. GEORG HIRTH; verantwortlicher Redakteur: F. von OSTINI; G. HIRTH’s Kunstverlag, verantwortlich für den
Druck von KNORR & HIRTH, Ges. ra. des ehr. Haftung in München.
ALLE RECHTE VO REEHALTEN.
Inseratentheil: G. EICHMANN, säramtlich in München
er illustrieri
Der Johimy stieg dem Michel übern Faun,
Und stahl ihm Aepsel. Als der Michel grollte,
Da sagte Jener: „Paul hat mich verhau'n,
wofür ich setzt mir Tröstung holen wollte.
Ergib Dich, Vetterlein, in Dein Geschick,
Es Hilst Dir sa kein Schelten und kein Greinen,
Ich Hab' nen Prügel, schwer und lang und dick —
Du, armer Teufel, aber, Du hast Leinen!"
Lr sprachs und lachte, pfiff „God save the Queen!
Und Hub dann an von seinem Raub zu naschen —
Der arme Michel sah verdutzt auf ihn
Und ballte seine Fäuste in den Taschen!-
Nr. 4 (Redaktionsschluss: 10. Januar 1900) • JUGEND •
1900
Ich bin begierig, ob die Lehre sitzt
Beim Vetter Michel: wer zur rechten Stunde
Für das Gesindel keinen Stecken schnitzt,
Dem stehlen sie den Löffel weg vom Munde!
Lermann
Das Grab am Tugela
Die deutsche Jubiläums-Postkarte
Nächtlich am Tugela lispeln
Bei Lolenso dumpfe Lieder.
Aus den Wassern schallt cs Antwort,
Wie von Burenflinten, wieder.
Und den Zluß hinauf, hinunter
Zieh'n die Scharen tapfrer Briten ...
Aber drüberweg zu ziehen —
Davor werden sie sich hüten! . .
Unglaublich
In Dingsda hat sich am \. Januar ^900
der als geiziger Sonderling bekannte Millionär
Paphnuzius Kümmerlich durch eigenhändigen
Selbstmord wegen Nahrungssorgen entleibt.
In einem zurückgelassenen, vom XII. 99
datirten Brief erklärte er, er wolle in einem
Jahre nicht leben, dessen Ziffer sich nicht ab-
kürzen läßt. Deyn man könne doch z. B. un-
möglich h. I. 00 schreiben. Der Unglückliche
fürchtete, durch Mehrverbrauch an Tinte in's
Elend zu gerathen.
klassisches Zeugniß
(Rußland und England in Asien)
(namque) acie aequali concurrit russeus
albo. (Antliol. lat.)
Und auf gleichem Boden wetteifert der
Russe mir Albion.
D staunt! Denn die moderne Kunst
Fand endlich auch mal „oben" Gunst,
Worauf sie längst schon nimmer harrte —
Dies zeigt die Jubiläumskarte,
Die im Norddeutschen postgebiet
Hinaus bis in die Dörfer zieht.
Wie symbolistisch und geschickt
Ist nicht der Anfang ausgedrückt
Von unsrem neuen Säkulum!
Ist der nicht ganz verbohrt und dumm,
Der nicht beim ersten Blick bewundert
Den schönen Stil der „J900“?
Und weil bei Schiller ist zu lesen.
Daß zwiegespaltet sei das Wesen
Von dem Gefühl für das Naive,
So suchte man nach keiner Tiefe,
Recht kindlich nur schrasfirte man
Die Wolken, wie's klein Fritzchen kann.
Die Sonne schuf mit ihrem Strahl
Der Girkel mit dem Lineal,
Damit im Volke nicht entschliefe
Der Intellekt für das Naive
Und nicht der Sinn für das, was nett,
Genau und proper und adrett! —
Und. drüben seht! Der Lorbeerkranz,
Der athmet Realismus ganz.
Links ist er kurz, rechts ist er längere
Der Zeichner war kein sormenstrenger
Pedant — er war modern sogar!
Germania mit dem langen Haar
Ist auch von feinster Gharakteristik,
Und in genialer Symbolistik,
Verschmähend alles steif Antike,
Erinnert sie an Schulzens Nieke.
Wie schön und klug ist das Gesicht
Der Heldenjungfrau! Meint man nicht,
Sie hörte die Geschichte grad
Von England und vom „Bundesrath"?
Schraffirt ist sie mit vielem Fleiß,
Den Scheitel ziert ein Eichenreis,
Und eine Krone hat sie auf.
Die Rechte hat des Schwertes Knauf
Bedeutungsvoll und kühn erfaßt,
Dazu noch einen Lorbeerast,
Und bis zur rechten Brust erhoben;
Ss schützen blanke Hemigloben
Von Stahl des Busens holde Zier —
Und weiter steht man nichts von ihr!
Doch für 5 Pfennig dünkt mit Fug
Mich dieses überaus genug!
Darum Hab' ich dies werk besungen:
Ls ist apart, es ist gelungen,
Lin Stolz für uns're Industrie,
Gleich sieht man: rnade in Germany!
So zeigt noch späten Enkeln gleich,
wie's um die Kunst im deutschen Reich
(Ich meine da die osficielle,
Maßgebend von berufner Stelle
Beliebt, genehmigt, angewandt)
Im Jahre 1900 stand!
Der späte Lnkel sagt sich blos
Das eine Wörtlein dann: „Famos!"
RunikiuHl
Herausgeber: Dr. GEORG HIRTH; verantwortlicher Redakteur: F. von OSTINI; G. HIRTH’s Kunstverlag, verantwortlich für den
Druck von KNORR & HIRTH, Ges. ra. des ehr. Haftung in München.
ALLE RECHTE VO REEHALTEN.
Inseratentheil: G. EICHMANN, säramtlich in München
er illustrieri