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1900

. JUGEND •

Nr 5

Er (gibt den Kampf mit der Eravate auf):
Meinetwegen also ...

Sie: Also kniee nieder.

Er: Nein.

Sie: Also, dann bind' Dir sie selbst.

Er: Also, ich kniee schon.

Sie: So. Den Kopf ruhig gehalten. (Sie
bindet ihm die Eravate.) Siehst Du, so bist
Du vor anderthalb Jahren vor mir gekniet.
Damals wollte ich nicht, daß Du kniest, heute
willst Du nicht.

Er: Das ist der £auf der Welt.

Sie: Jawohl. (Sie betrachtet ihn aufmerk-
sam, während sie die Enden der Schleife aus-
zieht.) weißt Du, daß Du schon Falten auf
der Stirne hast?

Er: Es ist doch gut, wenn matt eine Ge-
liebte hat. Sie weiß Einem immer etwas An-
genehmes zu sagen.

Sie: Das macht ja nichts. Zum Ehemann
bist Du ttoch lang zu gut. — Und graue Haare
kriegst Du auch schon. Da... hier int Gettick.
Bei Gott. (Sie küßt ihn in's Genick; er er-
schauert.)

Er (unwillig): Du weißt doch —

Sie: Daß es Dich schüttelt, wetttt ich Dich
itt's Gettick küsse. Aber siehst Du, darum küsse
ich Dich ja so gerne in's Genick... — Also
komm, warum stehst Du nicht auf? GH!...

Er: was denn?

Sie: Mein Schuh knöpft sich auf. Und
wenn ich mtd? bücke, brech ich das Planchett.

Er: Kotnm her, ich will ihn zuknöpfen.

Sie: Du bist sehr liebenswürdig. Aber das
geht nicht so schnell.

Er: Das macht nichts. — Gib Dritten Fuß.

Sie: Da. (Sie stellt den Fuß auf sein Knie;
er knöpft mit Eifer zu. Sie sieht mit eittem
unsäglich irottischen Lächeln auf ihn herab.)

Er (nach einer weile, sinnend): Seit wann
trägst Du so hohe Stiefelchen?

Sie: Aber im Winter doch immer. (Er
kttöpft weiter.)

Sie (ttach einer weile, elegisch): Ich Hab'
mir das so bübsch vorgestellt heute Abend.

Er: was?

Sie: Alles.

Er: Du wolltest doch zu Deiner Freundin
gehet:.

Sie: was fällt Dir ein? Ich habe ja gar
keine Freundin, wenn Du jetzt weg gehst, geh
ich ttach Hause und leg mich schlafen.

Er (traurig): Aber was soll ich thun?

Sie: Du fragst noch? (Sie stützt den El-
bogen auf seine Schulter.) Abschreibett sollst Du.

Er: Das geht nicht.

Sie: Einen sehr schönen Brief sollst Du
schreiben.^ „Hochverehrtes Fräulein! .Zu mei-
nem größtem Bedauern ist soeben mein Gnkel
aus Petersburg.... und so weiter. Ich werde
morgen vormittag meitte Entschuldigung per-
sönlich ... —" Morgen kannst Du sie dattn
meinethalben besuchen. Da Hab' ich nichts
mehr dagegen.

Er (schwach): Aber_

Sie: Unterdessen schicke ich den Johann
um eine Flasche Champagner, und stelle ein
Nachtmahl zusammen. Und nach dem Essett
sing ich Dir meitte Lieder vor. Ich Hab die
Noten tnitgebracht. Und um Mitterttacht gießen
wir zusammen Blei. So wie voriges Jahr.
Ja, Du willst. Nicht wahr, Du willst? pscht!
Ruhig, still! Kein Wort! (sie ruft); Johann,

Johann, Iohantt!- Johann, eine Flasche

Champagner. Moet et Chandon. Flink, flink,
flink. Wir bleiben heut' zu Hause! So....
(o)u ihm): Und jetzt gib mir einen schönen,
schütten Kuß! Ah!_

Er (klemmüthig): Und — meine guten
Vorsätze!...

Sie: Gute Vorsätze? warte, darauf trinken
wir das erste Glas!

Ende.

A. Otrey (München)

— „Haben Sie ichon die Romane von Sudermann gelesen, Herr Leutnant?"

— „Romane? Nee! — Lese prinzipiell nicht erfundene-Geschichten!"
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Alexander Otrey: Romane
 
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