1900
JUGEND
Nr. 5
Der pflichtbewußte Staatsbürger
Justizrath: Aber, Herr Registrator, früher haben Sie ja auch alljährlich einen Buben
gekriegt, jetzt aber leisten Sie sich sogar Zwillinge!
Registrator: Ja, früher hatte man nur für das Landheer zu sorgen, aber jetzt — be-
denken Sie — die Verstärkung der Marine —
Nun, Gott sei Dank! Für dieses Mal noch
Hat uns des Reichstags Intellekt
Gerettet ja vor dem Skandal noch,
Wo schon die Möglichkeit erschreckt!
Der Hering bleibt uns unverloren,
Ob auch die Hölle sich verschworen!
Der deutsche Mann läßt sich nicht foppen,
Das ward den Frevlern klar gemacht —
Drum sei auch heut' mein Morgenschoppen
Dem hohen Reichstag dargebracht.
Den Durst dazu Hab' ich bekommen,
Weil ich 'neu Rollmops eingenommen!
Biedermeier mit 6i
Die Griechen geschlagenen Andenkens ver-
anstalten lebhafte Sympathie-Kundgebungen
für die — Engländer. Einen: Interviewer
hierüber antwortete H om er mit dem Vers aus
Odyss. XVII, 218:
„wie doch stets den Gleichen ein Gott
gesellet zum Gleichen!"
Stoßseufzer eines Zeitungslesers
Mit parlamentarischen Riesenberichten,
Die meistens wir gern zu genießen verzichten,
Mit Seeräuberstückchen und Prisengerichten
(Man sollte die Kerle erschießen, vernichten!)
Und mit österreichischen Krisen-Gerüchten —
O Himmel, verschon' uns mit diesen
Geschichten!
Josefus
In der
kKerkrner «Ausfiekkung der Kezesfionifien
Ariedkich Vereint sah ich mir an
Beißt, Ktuck und LieKermann —
Da pkötzkich fragt' ich mich Keim Mandern:
„Mao hakt ivohk Siner von dem Ändern?"
£olom
Zaöx Smikß
Ton den Mädchen, die gefallen,
Mendel sieb die Mell;
Doch bei Bin er wird sie jubeln,
Menn sie fällt!
Scherzfrage
— welcher Staat rüstet ab?
— Oesterreich: Es schafft alle „Kreuzer" ab.
Der neue Mttarch
Die englischen Soldaten beklagten sich
bei General Buller über die magere Rost.
Das Rraut z. B. sei gar nicht einmal ge-
schmalzen.
„Nur Geduld," sagte der General, „bis
Roberts und Rirschener kommen! Die
werden das Kraut fett machen!"
Aus dem lyrischen
TageöuD des Leutnants von Zersemß
Neujahrsjedanken
Neujahr — für Unsereins schönste Zeit:
Regnet da Titel un Orden!
Diesmal besonders viel anjeschneit:
Dritter Mann Fürst jeworden ...
Selbst auch für Knopfloch was abjekriegt:
Rothen Adler jefangen.
Kleinigkeit — aber mich doch verjnügt,
Frieden — nich mehr zu verlangen!
Lieber freilich: rückten Ln's Feld —
Feldzug doch andere Lhose!
Aber mit Kriegsaussicht schwach bestellt:
Neuerdings Freund mit Franzose.
Engländer unser Todfeind heut!
Leider jetzt nicht zu verhauen,
Uns noch jeduldgen einige Zeit,
Irößere Flotte erst bauen ...
Muß ja und wird ja natürlich jescheh'n:
Frechen Beefsteaks doch künftig
Strenger müssen auf Finger seh'n!
Hoffe, Reichsboten vernünftig.
wenn aber weigern sollten — was stark —
Kerle dann jründlich beschämen:
Iar nich erst betteln weiter um Ouark —
Ileich ä la Bismarck nehmen!
Flotte jebaut un Briten versohlt!
Erst 'mal den Kerls was zeigen!
Alles Andre leicht nachjeholt:
Indemnität un derjleichen...
wie jesagt, hoffe, daß so oder so
Dinge sich werden jestalten —
Scheint mir für Deutschland nich ä propos
Ewig das Maul zu halten!
Damad Machmud Pascha
Lastet uns jetzt den theuren Leichnam von
der andern Seite betrachten!
Aus einer pastoren-Grabrede
Wenn Ihr den Mann von vorn betrachtet,
Des Sultans Schwager, Herrn Machmud,
Wie er sich nach Paris verfrachtet,
Da sieht er edel aus und gut.
Beleuchtet steht er da in Rosa,
Schreibt für die Zeitung „Mechveret";
Man glaubt, es sei der wahre Posa,
Der plötzlich wieder aufersteht.
„Der Sultan", fchreibt er, „ist ein schnöder
Und niederträchtiger Despot;
In seinem Kopf wird's immer öder,
Wann kommt der Freiheit Morgenroth?
Mein Türkenoolk, wie lang noch dauern
Wird diese schlimme Tyrannei?
Wann machst Du Dich mit Wonneschauern
Don Deinen Lklavenketten frei?"-
Schön schreibt — beim Barte des
Propheten! —
Des Sultans Schwager, wunderschön;
Doch wenn wir uns den Umgedrehten
Nunmehr auch andererseits beseh'n —
Wie er gewirkt in Englands Solde
Und ganz gemeinen Schacher trieb.
Beseelt von wilder Gier nach Golde —
Dann wird er uns weit minder lieb.
Einstimmen muß man in die Worte
Der „Kölnischen". Sie meint, es fei,
Daß wieder Einen von der Sorte
Sie los, ein Glüek für die Türkei!
Bohemund
89
JUGEND
Nr. 5
Der pflichtbewußte Staatsbürger
Justizrath: Aber, Herr Registrator, früher haben Sie ja auch alljährlich einen Buben
gekriegt, jetzt aber leisten Sie sich sogar Zwillinge!
Registrator: Ja, früher hatte man nur für das Landheer zu sorgen, aber jetzt — be-
denken Sie — die Verstärkung der Marine —
Nun, Gott sei Dank! Für dieses Mal noch
Hat uns des Reichstags Intellekt
Gerettet ja vor dem Skandal noch,
Wo schon die Möglichkeit erschreckt!
Der Hering bleibt uns unverloren,
Ob auch die Hölle sich verschworen!
Der deutsche Mann läßt sich nicht foppen,
Das ward den Frevlern klar gemacht —
Drum sei auch heut' mein Morgenschoppen
Dem hohen Reichstag dargebracht.
Den Durst dazu Hab' ich bekommen,
Weil ich 'neu Rollmops eingenommen!
Biedermeier mit 6i
Die Griechen geschlagenen Andenkens ver-
anstalten lebhafte Sympathie-Kundgebungen
für die — Engländer. Einen: Interviewer
hierüber antwortete H om er mit dem Vers aus
Odyss. XVII, 218:
„wie doch stets den Gleichen ein Gott
gesellet zum Gleichen!"
Stoßseufzer eines Zeitungslesers
Mit parlamentarischen Riesenberichten,
Die meistens wir gern zu genießen verzichten,
Mit Seeräuberstückchen und Prisengerichten
(Man sollte die Kerle erschießen, vernichten!)
Und mit österreichischen Krisen-Gerüchten —
O Himmel, verschon' uns mit diesen
Geschichten!
Josefus
In der
kKerkrner «Ausfiekkung der Kezesfionifien
Ariedkich Vereint sah ich mir an
Beißt, Ktuck und LieKermann —
Da pkötzkich fragt' ich mich Keim Mandern:
„Mao hakt ivohk Siner von dem Ändern?"
£olom
Zaöx Smikß
Ton den Mädchen, die gefallen,
Mendel sieb die Mell;
Doch bei Bin er wird sie jubeln,
Menn sie fällt!
Scherzfrage
— welcher Staat rüstet ab?
— Oesterreich: Es schafft alle „Kreuzer" ab.
Der neue Mttarch
Die englischen Soldaten beklagten sich
bei General Buller über die magere Rost.
Das Rraut z. B. sei gar nicht einmal ge-
schmalzen.
„Nur Geduld," sagte der General, „bis
Roberts und Rirschener kommen! Die
werden das Kraut fett machen!"
Aus dem lyrischen
TageöuD des Leutnants von Zersemß
Neujahrsjedanken
Neujahr — für Unsereins schönste Zeit:
Regnet da Titel un Orden!
Diesmal besonders viel anjeschneit:
Dritter Mann Fürst jeworden ...
Selbst auch für Knopfloch was abjekriegt:
Rothen Adler jefangen.
Kleinigkeit — aber mich doch verjnügt,
Frieden — nich mehr zu verlangen!
Lieber freilich: rückten Ln's Feld —
Feldzug doch andere Lhose!
Aber mit Kriegsaussicht schwach bestellt:
Neuerdings Freund mit Franzose.
Engländer unser Todfeind heut!
Leider jetzt nicht zu verhauen,
Uns noch jeduldgen einige Zeit,
Irößere Flotte erst bauen ...
Muß ja und wird ja natürlich jescheh'n:
Frechen Beefsteaks doch künftig
Strenger müssen auf Finger seh'n!
Hoffe, Reichsboten vernünftig.
wenn aber weigern sollten — was stark —
Kerle dann jründlich beschämen:
Iar nich erst betteln weiter um Ouark —
Ileich ä la Bismarck nehmen!
Flotte jebaut un Briten versohlt!
Erst 'mal den Kerls was zeigen!
Alles Andre leicht nachjeholt:
Indemnität un derjleichen...
wie jesagt, hoffe, daß so oder so
Dinge sich werden jestalten —
Scheint mir für Deutschland nich ä propos
Ewig das Maul zu halten!
Damad Machmud Pascha
Lastet uns jetzt den theuren Leichnam von
der andern Seite betrachten!
Aus einer pastoren-Grabrede
Wenn Ihr den Mann von vorn betrachtet,
Des Sultans Schwager, Herrn Machmud,
Wie er sich nach Paris verfrachtet,
Da sieht er edel aus und gut.
Beleuchtet steht er da in Rosa,
Schreibt für die Zeitung „Mechveret";
Man glaubt, es sei der wahre Posa,
Der plötzlich wieder aufersteht.
„Der Sultan", fchreibt er, „ist ein schnöder
Und niederträchtiger Despot;
In seinem Kopf wird's immer öder,
Wann kommt der Freiheit Morgenroth?
Mein Türkenoolk, wie lang noch dauern
Wird diese schlimme Tyrannei?
Wann machst Du Dich mit Wonneschauern
Don Deinen Lklavenketten frei?"-
Schön schreibt — beim Barte des
Propheten! —
Des Sultans Schwager, wunderschön;
Doch wenn wir uns den Umgedrehten
Nunmehr auch andererseits beseh'n —
Wie er gewirkt in Englands Solde
Und ganz gemeinen Schacher trieb.
Beseelt von wilder Gier nach Golde —
Dann wird er uns weit minder lieb.
Einstimmen muß man in die Worte
Der „Kölnischen". Sie meint, es fei,
Daß wieder Einen von der Sorte
Sie los, ein Glüek für die Türkei!
Bohemund
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Ernst v. Lom: In der Berliner Ausstellung der Sezessionisten
Josefus: Stoßseufzer eines Zeitungslesers
Ernst Neumann-Neander: Der pflichtbewußte Staatsbürger
Arpad Schmidhammer: Zeichnung zum Text "Der neue Plutarch"
Bohemund: Damad Machmud Pascha
Plutarch [Pseud.]: Der neue Plutarch
Leutnant v. Versewitz: Aus dem lyrischen Tagebuch des Leutnants von Versewitz: Neujahrsgedanken
[nicht signierter Beitrag]: Scherzfrage
[nicht signierter Beitrag]: Lady Smith
Josefus: Stoßseufzer eines Zeitungslesers
Ernst Neumann-Neander: Der pflichtbewußte Staatsbürger
Arpad Schmidhammer: Zeichnung zum Text "Der neue Plutarch"
Bohemund: Damad Machmud Pascha
Plutarch [Pseud.]: Der neue Plutarch
Leutnant v. Versewitz: Aus dem lyrischen Tagebuch des Leutnants von Versewitz: Neujahrsgedanken
[nicht signierter Beitrag]: Scherzfrage
[nicht signierter Beitrag]: Lady Smith