Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
1900

. JUGEND

(Wörterbuch für angehende Journakisten

In einer Zeit, wo der gewandte Journalist seine Fixigkeit hauptsächlich auch durch die
Art seiner Ausbildung dokmnentiren soll, indem er in wenigen Stunden den Extrakt ungeheurer
Wissensgebiete in sich aufnimwt, verdaut und wiedergibt oder morgen über Dinge urtheilt, die
er heute noch kaum dem Namen nach kennt, in einer solchen Zeit erscheint es dringend geboten,
die Vorbereitung für diesen verantwortlichen Beruf noch weiter zu vereinfachen. Ein Versuch
in dieser Richtung wird von uns geplant. Da es nämlich auch Geübtere manchmal eine halbe
Minute Nachdenken kostet, zu einem Hauptwort das passende Beiwort zu finden, so wollen
wir zum Zweck der Zeitersparniß ein Wörterbuch ediren, in welchem die wichtigsten publizistischen
Begriffe übersichtlich mit denjenigen Adjectiven zusammengestellt sind, die im höheren Zeitungs-
stil allein für sie in Betracht kommen. Der angehende Journalist braucht nur das Hauptwort
aufzuschlagen und findet das kennzeichnende Epitheton gleich daneben. Die nachfolgenden (alpha-
betisch geordneten) Proben werden über den Werth und die Unentbehrlichkeit des Werkes keinen
Zweifel lassen- Wir bitten für das völlig selbstlose Unternehmen, das sich als würdige Ergänz-
ung zu dem an dieser Stelle schon früher empfohlenen „Katechismus der Journalistik" darstellen
dürfte, um recht zahlreiche Subscription.

Ahnungen sind düster
Annahmen sind irrig
Aufführungen sind tadellos
Autoren sind glücklich
Bedürfnisse sind schreiend
Belohnungen sind fürstlich
Bösewichter sind hartgesotten
Bubenstücke sind teuflisch
Büsten sind junonisch
Diplomaten sind gewiegt
Eichen sind tausendjährig
Einflüsse sind verderblich
Einwürfe sind unberechtigt
Engagements sind glänzend
Ensembles sind abgerundet
Enthüllungen sind nieder-
schmetternd

Erbschaften sind ungeheuer
Erfolge sind durchschlagend
Erörterungen sind unliebsam
Fäden sind roth
Fälle sind tragisch
Familien sind geachtet

Federn sind gewandt
Felsen sind schroff
Feste sind erhebend
Fragen sind brennend
Fürsten sind sichtlich gerührt
Fürstinnen sind lieblich
Gebeine sind modernd
Gelegenheiten sind versäumt
Gerüchte sind unverbürgt
Geschichten sind köstlich
Gestalten sind bassermannisch
Güter sind heilig
Hervorrufe sind unzählig
Ideale sind hehr ,
Jubelgreise sind jugendfrisch
Kenner sind fein
Krankheiten sind tückisch
Kreise sind unterrichtet
Lippen sind rosig
Lüste sind lind
Lüste sind niedrig
Melodien sind einschmeichelnd
Profile sind klassisch

Provinzialen sind bieder
Quellen sind zuverlässig
Reden sind schwungvoll
Reiter sind tollkühn
Schritte (von hohen Personen)
sind elastisch

Skandale sind beispiellos
Spender sind edel
Summen sind erheblich
Todte sind unvergeßlich
Trunkenbolde sind

unverbesserlich
Verleger sind rührig
Verwechslungen sind fatal
Vorkämpfer sind unentwegt
Weine sind gülden
Worte sind golden
Ziele sind verwerflich
Zungen sind böse
Zustände sind unhaltbar
Zwillinge sind allerliebst
u. s. w.

- h. F.

(gj

(Life)

Barbarei

und Civilisation

Mriginalbrief eines Sextaners

Liebe Großmama

Ich bin leider runtergekommen aber ich werde
mich bemühn das ich wieder rauf komme. Bei uns
ist es so wenn einer rauf kommt, so kommt ein
andrer runter. Herzlichen Grus Paul

Aus der Instruktionsstunde

— Angenommen, Ihr habt einen Zivilisten ver-
haftet und in's Schilderhaus gesteckt; nun kommt
ein Leutnant; wie ist's denn da mit der Ehren-
bezeigung? Na, Huber?

— Mit dem einen Aug' schau ich auf den Kerl,
mit dem andern auf den Herrn Leutnant!

T~





Lj


Lj







Lj

l.i! 1

<1 <1

" o>

einen

<1

enen

amoasne

10)
Index
L. F.: Wörterbuch für angehende Journalisten
[nicht signierter Beitrag]: Originalbrief eines Sextaners
[nicht signierter Beitrag]: Aus "Life": Barbarei und Civilisation
[nicht signierter Beitrag]: Aus der Instruktionsstunde
 
Annotationen