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JUGEND

Nr. 6


1900

Alls einer Telegraphenstation

Lord Kitcheuer (diktirerid): „De-
peschiren Sie: Engländer rücken ge-
gen Ladysmith, 6 Uhr 50 hier durch-
gekommen ...!"

Beamter (schreibend): „Englän-
der, Rücken gegen Ladysmith, 6h50
hier durchgekommen.

Scherzfragen

— warum ist in London der Him-
mel so grau?

— weil die Engländer das Blaue
heruntergelogen haben.

— welcher Heilige har vier Füße?

— Der Heilige Stuhl.

Neues von Serenissimus

Durchlaucht wohnt einer Ballet-
aufführung bei und scheint sich höch-
lich zu amüsiren. Im Zwischenakt
erscheint auf seinen Wunsch der In-
tendant in der Loge und wird huld-
vollst angesprochen: „Recht nett,
lieber Intendant, muß sagen, recht
nett, aber — äh — warum wird
so leise gesprochen, habe kein Wort
verstanden."

klassische Zeugnisse

Zum Burenkrieg

Zum Rampfl wofür? —

Die Nenr'l

Blut-, Schweiß- und Thränen-

gelder — für die Renr'!
(Byron, Das eherne Zeitalter, ?to. J4)

£xeßcßf!xcb

Srröthend folg' ich Ihren Spuren
Und bin von Ihrem Gruß beglückt,

Das Schönste such' ich aus den Fluren,
Womit man seine Liebe schmückt!

Beseligend ist IhreNähe,

(Mein Her) wird ungeheuer weit,

Doch Ihre Würde, Ihre Höhe
Entfernt mir die Vertraulichkeit!

Ich träume und mein Aug' wird trüber,
Ls nebelt mir ums Angesicht,

Geht Fräulein (Minna mal vorüber
Und kennt mich Fräulein (Minna nicht!

Bis dato liebt' ich ohne (Mühe —

Jetzt fühl ich tiefen Schmerz genung*) —
Sie werden seh'n, ich altre frühe —

D machen Sie mich wieder jung!

*) genung — genug; poetische Licenz!

Biedermeier mit «i

NB. Das reizende Liebesgedicht ging uns
mit folgenden Zeilen zu:

Hochverehrte Redaktion!
würden Sie beifolgender erotischen Dicht-
ung, einer meiner ersten Jugendarbeiten, einen
Platz in Ihrem Blatte gönnen? Sie ist in ihren
Bildern und Wendungen vielleicht noch ein
wenig unreif, verräth aber, wie ich mir
schmeicheln darf, gewiß eine nicht zu verkennende
originale Gestaltungskraft. Oder meinen Sie
nicht?

Lw. Hochwohlgeboren allerergebenster

Biedermeier mit et

Der große woller

Er träumt sich seinen tiefen Willen.

Den nie Gewalt ihm brechen könnte,

Er denkt an ferne, große Männer,

Die ihm verwandt sind.

An Urgrundsleidenschaften denkt er,

An Hnnnibal, Macbeth und Timur,

Er betet an das Ungeheure
Und fühlt, wie jene.

Sich selbst anstannend und betvundernd
Und in den fürchterlichen Schluchten
Und Tiefen seiner heil'gen Seele
Unheimlich schwelgend,

Geht stolz er auf die bunte Straße,

Wo bei 'nein ansgeglitschten Pferde
Neugierig kleine Menschen stehen.

Auch er bleibt stehen.

Da sagt ein Schutzmann: „Geh'n Sic

weiter!"

Und ganz gehorsam geht er weiter —.

K. H.

Schwänzende
Landtagsabgeordnete
„Darum, wenn siezu Euch sagen:
Siehe, er ist in der Rammcr, so
glaubet es nicht!" (Ev. Matthäi' 26)

Hnnäberungsversud)

„Viii so frei mich vorzn-
stellcil — Hans Mütter; stehen

gnädiges Fräulein auch auf
Seite der Vuren?"

Die Menge chm es

Einen Beweis dafür, daß unser The-
ater immer mehr dem griechischen Theater
in seiner idealsten Periode ähnlich wird,
liefert das Stadttheater zu Altona. Wie
die Griechen weht an einem Tage drei
Tragödien und zuweilen noch ein Sn>
tyrspiel obendrein gaben, so geben ihre
Nachfolger, die Altonaer, nach den: Ge-
setze der Massenanziehung, an einem
Tage zwei Stücke von zusammen 7, 8,
ja 9 Akten.

Zwar von Sophokles nicht und nicht von
Euripidcs freilich,
Aber doch immerhin noch meistens von
. Moser und Laufs.

„NakoriKiink"

Als Expeditor, Redakteur und Drucker
Besorgt in Grönland jetzt ein armer Schlucker,
So Ie{; ich in den Blättern, die Verbreitung
Von Grönlands erster, flott geschriebner Zeitung.
Er trägt sein Blatt auch selber aus heroisch,
Geschrieben ist es ganz auf Eskimoisch.

Der „Kalorikmik" heißt das Blatt, es lesen
Den „Kalorikmik" alle Eskimeusen,

Denn ihnen dient in guter Uebersetzung
Dort ein Roman der Eschstruth zur Ergetzung.
Und jeder Eskimo liest vor dem Schlummern
Den Leitartikel Einer dieser Nummern.

Der Abonnementspreis ist entsprechend nobel:
Pro Jahr beträgt er einen Pelz vom Zobel.
Doch für die Lieferung von zwei Quartalen
Braucht einer einen Bären blos 311 zahlen,
Ein H u h n pro Nummer; und den Abonnenten
Von dreien Blonden kostet es zwei Enten.
Bei uns, wie seltsam! werden diese Enten
Vom Blatte vorgesetzt den Abonnenten;

Auch kriegen diese oft in schwachen Stunden
Vom Redakteur den Bären aufgebnnden.
Verkehrte Welt! Mall sieht halt, unerbittlich
Bewährt der alte Spruch sich — Ländlich, sittlich!

X. X.

Max Feldbauer

107


*
Register
Max Feldbauer: Annäherungsversuch
[nicht signierter Beitrag]: Neues von Serenissimus
X. X.: Kalorikmik
K. H.: Der große Woller
[nicht signierter Beitrag]: Auf einer Telegraphenstation
[nicht signierter Beitrag]: Klassische Zeugnisse
Biedermeier mit ei: Liebeslied
Julius Diez: Biedermeier
[nicht signierter Beitrag]: Scherzfragen
[nicht signierter Beitrag]: Die Menge thut es
 
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