Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 5.1900, Band 1 (Nr. 1-26)

DOI Heft:
Nr. 7 (12. Februar)
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.3886#0117

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
1900

. JUGEND

Nr. 7

matt sich sträubt. Fortwährend musste sie
das schmale, schöne Gesicht mit der durch-
sichtigelt glatten Haut, dem blatten Ge-
äder attstarren. „Aber wirst Du denn nicht
müde, so zu liegen?" fragte sie und er-
röthete über ihre kindische Frage. Dattn
setzte sie sich auf etnen zubehauenen Bal-
ken, der längs des Zaunes lag und blickte
gespannt iit Jordans Gesicht.

„Nein, ich werde nicht müde. Und
uicitn ich es schon ntüde würde, ich würde
nicht klagen. Ich darf auch nicht klagen.
Immerfort liegt die Welt wie ein Ge-
heimnis; vor mir und niemals, niemals
lvird mir der Schleier aufgehoben. Weuit
matt bedenkt, was für große Städte die
Welt hat, schöne Städte wie ich höre und
lese, — wenn man die wundervollen
Wälder, die Berge bedenkt, die ich nie
sehen kann, wie seilt ist das!"

„Wie?" fragte Fanny, indem sie stau-
nend mit der Hand über ihre Stirn strich.

„Natürlich, ich kann davon träumen,"
erwiderte der Kranke uitbefangen und im-
tlter aus seine stille Weise lächelnd. „Und
man musi denken, das; ich all das Schlechte,
was dabei ist, tticyt fühlen kann, denn ich
weiß ja ttichts davon. Ich fliege dahin
tlltd dorthin, wie ich gerade will, und bleibe
doch intmer hier, sehen Sie, wo es auch
schön ist. Junner summen die Räder
drüben, und dahinten den Bach, hören
Sie ihn? Manche Welle Hab' ich schon
iit den Ozean begleitet; wir haben Stürme
erlebt und haben Schiffe auf dem Grund
gesehen und sie liegen schon tausend Jahre
da. Und dort drüben, unter der Sonne
jetzt, ist der Wald. Die Leute sagen zwar,
es ist nur eilt Gehölz. Aber wissen es
die Leute so genau? Für mich ist es eilt
Wald voller Abenteuer, es kann ein Ur-
wald seiit und kein Mensch kann mir be-
weisen, das; ich Unrecht habe, ich glaube
daran. Ach, es ist die schönste, herrlichste
Welt, die ich mir denken kann!"

Fannys Augen waren feucht von
Thränen und eilig steckte sie die Nase
ilsts Taschentuch. In diesem Augenblick
verlies; eine alte Frau das Häuschen.
Mit einem unzufriedenen, prüfenden Blick
utas; sie die kauernde Gestalt der jungen
Dame, dann beugte sie sich über den
Kranken und fragte: „Jordan, willst Du
jetzt Deiit Frühstück?" Das war eine
Frage, eine gewöhnliche Frage, wie sie
tausend Mütter täglich thun, aber hier
hatte sie ganz besonderen Sinn und Klattg.
Schon tu dem Herab beugen, in dem lang-
samen, liebevoll umfangenden Blick, der
gleichsaut vorsichtig nur nach und nach
seine ganze Güte gab nttb seine ganze
Enttäuschung vom Leben und von allen
Hoffnungen des Lebens zu verstecken fähig
war, lag alles, was durch den Ton der
Worte nur bestätigt wurde. Der Kranke
blickte mit strahlenden Augen in die der
Mutter und nickte fröhlich, und Fattny,
die diesen Blick beobachtete, fragte sich
bebend, ob es möglich sei, das; man
seine Sehnsucht zu einer Wirklichkeit und
sein Leiden zu einem Traum mache, und
das; man dabei noch viel glücklicher sei,
als in dem Wechsel von Behagen und Er-
bitterung, den das alltägliche Leben mit
sich bringt —? Sie wollte diesen Ge-
danken ersticken, darum beugte sie sich
nieder auf die herabhängende Hand des
Kranken und küsste sie. Dann ging sie
heimwärts, und ihre ganze Seele war
durchleuchtet, größer geworden, liebe-
voller, zuversichtlicher. Ja, es war die
schönste, herrlichste Welt, die man sich
denken konnte!

Als sie das Haus betrat, fand sie das
Gesinde in großer Aufregung. Ihre An-
kunft beschwichtigte Alle. Man hatte sie
schon seit einer halben Stunde im ganzen
Haus gesucht und Georg wollte eben die
Pferde anspannen lassen, um nach Roth
zu fahren. Jetzt trat er in den Flur und
sah sie. Er wurde fahl wie Asche. Seine
Mutter, die hinter ihm schlich, warf Fanny
einen Blick voll wilden Hasses zu. Doch
sie kümmerte sich darum nicht, sondern
ging hin, nahm ihres Mannes beide
Hände und blickte ihn bittend an. Er
begriff kaum, aber mit einem dumpfen
Laut schloß er sie in die Arme.

Menn

Ja, hätte mir von -Anbeginn
So Manches nicht gefehkt.

(Und hätt' ich nur mit andcrm Sinn
Den andern (Weg erwählt,

(Und hätt' ich auf dem rechten Pfad

Die rechte Hilf' empfahn

(Und fo statt dessen, was ich that,

Das Gegentheik gethan;

(Und hätt' ich (Iiekes nicht gemußt
Auf höheres Geheiß,

(Und nur die Hälft' vorhergewußt
(Ion dem, was heut ich weiß,

(Und hätt' ich ernstlich nur gewollt,
Ja, wollt' ich nur noch jetzt.

(Und wäre mir das Glück so hold
(Wie Manchem, der's nicht schätzt.
(Und hätt' ich zehnmal soviel Geld
(Und Könnt', was ich nicht kann.

(Und käm' noch einmal auf die (Welt
Ja, dann! — Ludwig Fulda

Dies war öer -Aöergkauöe
öer griechischen Mäöchen

(Zur Zeichnung von H. Anetsberger)

(Wenn eine Sehnsucht ihr Herzchen be-
engte.

(Wenn ein zärtlich Gefühl ihre Seele

bedrängte,

Schlichen sie Machts, bei des Mondes

Leuchten,

Splitternackt einer Faunsherme beichten:
,,Lieber Faun, möcht Dir was vertrau'n.
Darfst es aber Niemand weitersagen!
Ich lieb einen hübschen, hübschenUnaben,
Möcht gern von Dir eine Antwort haben:
Darf ich ihm trau'n?

Lieber, lieber Faun,

(Will mich recht innig an Dich drücken,
(Krauchst bloß einmal mit dem Uopf zu

nicken.

Nicht wahr, lieber Faun,

Ich darf ihm vertraun?"

(Und der gute Faun

Hat immer mit den lieben Bindern Gr-

6 armen,

Nur — müssen sie ihn recht warm um-
armen.

- .Hugo Salus

Hais Amtsberger (München)
Register
Hans Anetsberger: Zeichnung zum Gedicht "Dies war der Aberglaube der griechischen Mädchen"
Ludwig Anton Salomon Fulda: Wenn
Hugo Salus: Dies war der Aberglaube der griechischen Mädchen
 
Annotationen