1900
. JUGEND
Nr. 7
ck abzulegcn^z H»
Hans resp-
Munscbzettel von Zfedor V. Lobeltttz
Mit Zeichnung von Mlnlcber Vüttner
Ich wollte, im neuen Jahrhundert
würde Luther wieder bewundert —
Und was man vergessen schon lange:
Seinen Spruch vom wein, Weib und
Sange,
Der kam' einmal wieder zu Ehren
Und überall sollt man ihn lehren.
Aber dann dürfte im neuen Jahrhundert
Der wein auch nicht werden verplundert.
wer Wasser hinein ließe laufen,
Der müßte alleine ihn saufen,
Und mit einem Stock von den Aebenhügeln
Müßte man ihn noch weidlich verprügeln,
Damit er lerne, daß wer den wein
Verwässere, elend sei und gemein.
Und das Weib müßte wieder sein weiblich,
So geistig wie auch leiblich.
Müßte nicht vom Rathcder herab eifern
Und den Mann als Sklavenhalter begeifern
Und sich selber ein Halbthier schelten —
Müßte als Weib wieder wollen gelten
Dem erwählten geliebten Genossen,
Mährerin und Lehrerin seiner Sprossen.
Und deutsch müßten wieder sein uns're
Sänge —
Ohne nordisch pessimistische Rlänge,
Ohne symbolistische Blumenranken,
Ohne Anleihe an fremde Gedanken.
Und jauchzend müßten die Melodien
Wie Lachen durch uns're Seele ziehen
Oder müßten gleich Lenzgewittern
Durch uns're sehnenden Herzen zittern —
sticht als dekadentes Gewinsel
Und stimulirendes N^ervengerinnsel . . .
Räm's so — Herrgott, was würde dem neuen
Jahrhunderte ich mich entgegenfreuen,
preisend Alle, die lebenslang
Liebten wie ich wein, Weib und Sang!
von allen neun Musen
Für den Fall, daß der Reichstag aufgelöst
und eine Neuwahl zum Deutschen Reichstag
nöthig werden sollte, hat die Reichsregierung
beschlossen, die „Literaturgeschichte des
19. Jahrhunderts" von Rich. M. Meyer
wegen ihrer Vollständigkeit als Wählerliste
zu benutzen.
In einem hochangesehenen englischen Jour-
nal heißt es, die englische Theaterkritikst'ei höchst
oberflächlich und ermangele der künstlerischen
Prinzipien. — Wie? Anderswo also auch?
Eine große norddeutsche Bühne gab ein
Festspiel zur Jahrhundertwende, und in diesem
erschien zur Begrüßung der heimkehrenden
Kämpfer der Befreiungskriege neben dem
König Friedrich Wilhelm HI- auch dessen Ge-
mahlin, die Königin Luise. Wie schmerz-
lich muß den Dichter die Trauerkunde getroffen
haben, daß die edle Königin bereits vier Jahre
vor jenem Ereigniß verschieden sei!
Zu London in der Albert-Hall fand zu
Guwsten des Transvaalkrieges ein Konzert von
zehn Militärkapellen statt, dem 10 000 Menschen
beiwohnten. In einem gegebenen Augenblick
intonirten diese 10 000 Menschen und die zehn
Militärkapellen ziemlich gleichzeitig das Trans-
vaallied von Kipling und Sullivan. Mit sol-
chen Einschüchtermigsversuchen wird man bei
den Buren nicht viel ausrichten. Es ist die
Frage, ob das Geräusch bis zu ihnen ge-
drungen ist.
Scherzfrage
— „Warum haben die Buren die Eng-
länder über den Tugelafluß gelassen?"
— „Damit das Ganze endlich einmal in
Fluß kommt."
Uebersetzungskunst
We, redde legiones!
warren, gib mir die Legionen wieder!
Letzte Telegramme
Peking, 26 Jan. S M- der Kaiser
von China wurde durch seine Tante Thsnsi
sei bst ge mordet, wofür er sich im Vor-
aus schönstens bedankt hatte.
Nach einer Dnrbaner Sonder-
Drahtnng des „Daily Humbug“ lies; sich
Oberstleutnant Hammelton in der
Nähe von Whiskey-Fvntein sammt
einer Schwadron Gardehnsaren gefangen
nehmen, mit das Innere Transvaals
gründlich ansknndschaften zn können!
(„Hoch klingt das Lied vom braven
Mann!" D. Nedj
Von: südlichen Kriegsschauplatz
lautet das letzte Telegramm vom Gestrigen:
Heute Mittag nahm die Brigade
Blochhead mit einem glänzenden
Bajonettangriff ein von den Buren
geräumtes Kopse. Das plötzlich vor
einem Nachbarhiigel er öffnete Feuer des
Feind es wurde alsbald zum Schwei-
gen gebracht, indem die siegreiche
Brigade einen strategischen Rückzug
an trat.
Fascbings-Dummer der „Äugend" M. 9
Jm I^ornung des Jahres 1900 strittiger Observam zieht die „Jugend“
ihre Bulenspiegelkappe fester in die Stirn und wirft sich den alt-
deutschen I^answurstkittel voll innjigen Behagen's um die Schulter,
flßit der frischgeschliffenen pritsche der „guten alten Zeit“ soll
allem Verbohrten, Dämlichen, Banausischen, Lächerlichen, Un-
verschämten aes Jahrhunderts der Brutanstalten und des
harmlosen Monocle-t^ones ein Ordentliches versetzt werden.
Ond ob wir auch wieder eine extra gehäufte Ladung voller
^ Schellen und O in eilen auffahren, kostet jeder Sack und
jede Randvoll keinen Heller mehr als bisher.
Heran an den Magen, wer sich aus deutsch tiefinner-
lid> gerührtem Herzen wieder einmal
•&. ol aTI c*eri verspottungswürdigen
> ^ Sigenschaften seiner flHtbruder
und-Schwestern ergötzen will!
117b Die „Jugend“ am färbergraben in München
. JUGEND
Nr. 7
ck abzulegcn^z H»
Hans resp-
Munscbzettel von Zfedor V. Lobeltttz
Mit Zeichnung von Mlnlcber Vüttner
Ich wollte, im neuen Jahrhundert
würde Luther wieder bewundert —
Und was man vergessen schon lange:
Seinen Spruch vom wein, Weib und
Sange,
Der kam' einmal wieder zu Ehren
Und überall sollt man ihn lehren.
Aber dann dürfte im neuen Jahrhundert
Der wein auch nicht werden verplundert.
wer Wasser hinein ließe laufen,
Der müßte alleine ihn saufen,
Und mit einem Stock von den Aebenhügeln
Müßte man ihn noch weidlich verprügeln,
Damit er lerne, daß wer den wein
Verwässere, elend sei und gemein.
Und das Weib müßte wieder sein weiblich,
So geistig wie auch leiblich.
Müßte nicht vom Rathcder herab eifern
Und den Mann als Sklavenhalter begeifern
Und sich selber ein Halbthier schelten —
Müßte als Weib wieder wollen gelten
Dem erwählten geliebten Genossen,
Mährerin und Lehrerin seiner Sprossen.
Und deutsch müßten wieder sein uns're
Sänge —
Ohne nordisch pessimistische Rlänge,
Ohne symbolistische Blumenranken,
Ohne Anleihe an fremde Gedanken.
Und jauchzend müßten die Melodien
Wie Lachen durch uns're Seele ziehen
Oder müßten gleich Lenzgewittern
Durch uns're sehnenden Herzen zittern —
sticht als dekadentes Gewinsel
Und stimulirendes N^ervengerinnsel . . .
Räm's so — Herrgott, was würde dem neuen
Jahrhunderte ich mich entgegenfreuen,
preisend Alle, die lebenslang
Liebten wie ich wein, Weib und Sang!
von allen neun Musen
Für den Fall, daß der Reichstag aufgelöst
und eine Neuwahl zum Deutschen Reichstag
nöthig werden sollte, hat die Reichsregierung
beschlossen, die „Literaturgeschichte des
19. Jahrhunderts" von Rich. M. Meyer
wegen ihrer Vollständigkeit als Wählerliste
zu benutzen.
In einem hochangesehenen englischen Jour-
nal heißt es, die englische Theaterkritikst'ei höchst
oberflächlich und ermangele der künstlerischen
Prinzipien. — Wie? Anderswo also auch?
Eine große norddeutsche Bühne gab ein
Festspiel zur Jahrhundertwende, und in diesem
erschien zur Begrüßung der heimkehrenden
Kämpfer der Befreiungskriege neben dem
König Friedrich Wilhelm HI- auch dessen Ge-
mahlin, die Königin Luise. Wie schmerz-
lich muß den Dichter die Trauerkunde getroffen
haben, daß die edle Königin bereits vier Jahre
vor jenem Ereigniß verschieden sei!
Zu London in der Albert-Hall fand zu
Guwsten des Transvaalkrieges ein Konzert von
zehn Militärkapellen statt, dem 10 000 Menschen
beiwohnten. In einem gegebenen Augenblick
intonirten diese 10 000 Menschen und die zehn
Militärkapellen ziemlich gleichzeitig das Trans-
vaallied von Kipling und Sullivan. Mit sol-
chen Einschüchtermigsversuchen wird man bei
den Buren nicht viel ausrichten. Es ist die
Frage, ob das Geräusch bis zu ihnen ge-
drungen ist.
Scherzfrage
— „Warum haben die Buren die Eng-
länder über den Tugelafluß gelassen?"
— „Damit das Ganze endlich einmal in
Fluß kommt."
Uebersetzungskunst
We, redde legiones!
warren, gib mir die Legionen wieder!
Letzte Telegramme
Peking, 26 Jan. S M- der Kaiser
von China wurde durch seine Tante Thsnsi
sei bst ge mordet, wofür er sich im Vor-
aus schönstens bedankt hatte.
Nach einer Dnrbaner Sonder-
Drahtnng des „Daily Humbug“ lies; sich
Oberstleutnant Hammelton in der
Nähe von Whiskey-Fvntein sammt
einer Schwadron Gardehnsaren gefangen
nehmen, mit das Innere Transvaals
gründlich ansknndschaften zn können!
(„Hoch klingt das Lied vom braven
Mann!" D. Nedj
Von: südlichen Kriegsschauplatz
lautet das letzte Telegramm vom Gestrigen:
Heute Mittag nahm die Brigade
Blochhead mit einem glänzenden
Bajonettangriff ein von den Buren
geräumtes Kopse. Das plötzlich vor
einem Nachbarhiigel er öffnete Feuer des
Feind es wurde alsbald zum Schwei-
gen gebracht, indem die siegreiche
Brigade einen strategischen Rückzug
an trat.
Fascbings-Dummer der „Äugend" M. 9
Jm I^ornung des Jahres 1900 strittiger Observam zieht die „Jugend“
ihre Bulenspiegelkappe fester in die Stirn und wirft sich den alt-
deutschen I^answurstkittel voll innjigen Behagen's um die Schulter,
flßit der frischgeschliffenen pritsche der „guten alten Zeit“ soll
allem Verbohrten, Dämlichen, Banausischen, Lächerlichen, Un-
verschämten aes Jahrhunderts der Brutanstalten und des
harmlosen Monocle-t^ones ein Ordentliches versetzt werden.
Ond ob wir auch wieder eine extra gehäufte Ladung voller
^ Schellen und O in eilen auffahren, kostet jeder Sack und
jede Randvoll keinen Heller mehr als bisher.
Heran an den Magen, wer sich aus deutsch tiefinner-
lid> gerührtem Herzen wieder einmal
•&. ol aTI c*eri verspottungswürdigen
> ^ Sigenschaften seiner flHtbruder
und-Schwestern ergötzen will!
117b Die „Jugend“ am färbergraben in München