Nr, 9
JUGEND
1900
Ein Zwerglein daraus mit vier Blätter
von P. A. a Sancta Clara jun.
nebst Bildlein von A. Schmidhammer
I. von einem langen Schlaf
Der würzinger Sepp sitzet in der Schul,
und ein Vögerl singet drauß und er druckt
sich hinaus und eilt dem Vögerl nach in
den Busch bis an die Donau hinunter. Der
Bub ist ganz verzückt in den Gesang und
loset und lauscht und schlaft darob ein.
wie er munter wird, will er wiederum in
die Schule kehren, findet aber alles anderst
gebaut und fragt die Leut, welche ihm in
einer frembden Sprach antworten, die er
nicht begreifft.
Endlich sagt ihm der Halter vom Dorf,
ein eyßgrauer Rrippel, der einzige, welcher
deutsch verstund, vor hundert und so viel
Jahr seyen hier auch Deutsche gewest, die
seynd aber all bis auf ihn verkümmert und
verstorben. Raum vernimmt das der Sepp,
so drehet es ihm den Magen umb, und er
verstirbt auf der Stell.
So ist jetzunder der Halter der letzte
Uebcrblcibsel dort, und wann der Teuffel
heunt seine Seelen holt, so kriegt sein
Schede! morgen ein' Ehrenplatz im Museum.
2. von den Rl)inoce.-os
Seitdem einstmalen elf tausend Jung-
frauen auf dem weg nach Engeland er-
soffen seyn, herrschet in diesem Articulo
großer Mangel. Nur in Aethiopien seynd
sie stärker verbreitet. Dort fanget man
die RHLnoceros damit. Sobald ein solch
wildes Thier eine Jungfer, aber eine richtige,
erblicket, leget cs sich vor ihr nieder und
glotzet sie stundenlang an. Dann kommen die
Neger und packen es von hint beim Schweiff.
Bei uns, mit den heuntigen Jungfern,
könnte man sie nicht also fangen. Zum
Glück haben wir nur zahme RHLnoceros all-
hier, und die stecken durch die Bank in denen
hohen Aembtern, und dort thun sie nichts.
Z. von den Säcken mit lauter
Grobheiten
Ich weiß nicht, ist es ein Gedicht oder
Geschicht oder Hirngespinnst, verwichene
Wochen sehe ich bei der Taborlinie ein
Menge wagen einfahren, welche mit lauter
Säck beladen waren. In denen Sack
waren nur Schimpf und lästerliche Trumpf
und leeret man sie aus in ein' großen Haus
am Ring, so nennt man das Ding schöne
Reden und kriegt davor Diäten.
Ich sorge nur, die Obstrucnon führet
zur Obduction, und aus der Londuite wird
ein Traucrconduct mit sechs gelben Rappen
und den Landesfarben hinten auf der
Croupe.
Pferde und Wölfe
wann die Rösser auf einer wiesen
weiden, und die Wölf kommen aus dem
Wald, so helfen sich die gcscheidtcn Rösser
bald. Sie stellen sich in einem Haufen,
Nüstern an Nüstern, und schlagen mit den
Hintcrhuf aus, daß den Wölf die Schede!
knistern.
warumb thuet ihr nicht ebenso? Aber
ihr schlagt lieber untereinand aus, und
wann die Wölf aus den Wäldern kommen,
scyd ihr schon alle nichts mehr nutz. Frei-
lich seyd ihr keine Rösser, wenigstens keine
so gescheidten.
Dans Sachsens Tröstung
mit Bild von Robert Sngels
Die Fastnacht war herangekommen.
Ein Huhn, dem man sein Brod genommen,
Vermöchte nicht betrübter, traun I
wie Sachs, der Meister, dreinzuschaun.
Der Rath der Stadt hat ihm befohlen,
Vluv Stiefel mög' er fürder sohlen
Und seines Handwerks redlich walten,
Doch alles Reimens sich enthalten,
Er möge keine Bücher schreiben
Und nur bei seinem Leisten bleiben,
Dieweil sein antirömisch Buch
Zu rügen sei als Friedensbruch.
Die treue Gattin Runigund
Erbarmt sich seiner im Herzensgrund.
Sie streicht sein Haar Ln milder Ruh,
Spricht ihm mit weichen Worten zu.
Gleichwohl will ihm das Herz zerspringen,
Er kann den Rümmer nicht bezwingen. *
Daß seiner Runst er soll entsagen,
Das kann der Meister nicht ertragen.
Er saß mit seinem Leid allein,
Erloschen war des Tages Schein,
Und plötzlich war sein Aufenthalt
Gerückt in einen grünen Wald.
Da kam einher ein holdes Weib
Mit wohlgeliedmaßirtem Leib.
„Bin Deine Zukunft," rief sie mild.
„willst Du mich schauen unverhüllt?"
Der Schuster nickt, und niedergleiten
Von ihres Leibs Holdseligkeiten
Die Schleier, und das Fräulein spricht:
„Mein guter Hans, verzage nicht:
Ein langes Leben, reich an Glück
Steht noch vor Dir. Manch Meisterstück,
Manch Lied, gesetzt Ln edlen, schönen, U
Gediegen-ernsten Meistertönen,
Manch Fastnachtspiel und mancher Schwank
Erwirbt Dir Deines Volkes Dank.
Dein Schreiben wächst zur Bücherei,
Bunt durcheinander Rorn und Spreu.
Und lange noch bleibst Du verbunden *
In Glück und Lieb mit Runigunden.
Ein treu Gedenken wird bewahren
Die Nachwelt Dir in fernen Jahren,
wenn ohne Gaul die schwersten wagen
In toller Hast die Welt durchjagen,
wenn auf dem Erdball drahtumspannt
Blitzschnell man spricht von Land zu Land
Und wenn in China man wird sehn
Und bei den Mohren fröhlich wchn
Ringsum auf neu erschloss'nen Bahnen
Die ruhmbedeckten deutschen Fahnen!"
So sprach das Fräulein lang noch weiter.
Zur Antwort gab Hans Sachs ihr heiter:
„Bist Du's, die mir von Gott bcschiedcn,
Dann, Zukunft, bin ich wohl zufrieden,
Denn wohlgeliedmaßirt bist Du,
Dein Anblick bringt den Schmerz zur Ruh,
Mag, was er will, der Rath beschließen,
Das soll mich künftig, nicht verdrießen!"
Da schwand das liebe Fraucnbild,
Dcr Schmerz des Schusters war gestillt,
Und Fröhlichkeit vertrieb den Jammer.
Er saß daheim in seiner Rammer,
Ihm strich das Haar Frau Runigund,
Da sprang er auf und war gesund
Und rief, sie mög' zum Tanz sich rüsten,
weil er darnach fühl' ein Gelüsten.
Deß war die Frau gar schnell erbötig,
So gingen sie, der Sorgen ledig
Und ledig allen Ungemachs,
In die Tavern.
Dort rief Hans Sachs:
„Ihr Züchtig Frau'n und chrbarn Herrn,
„Ich kumm zu Euch in die Tavern,
„Mit Euch zu haben guten Muth,
„wie man jeyund zu Fastnacht thut. i
„Nehmt auf mich freundlich mit meiner Alten,
„wir wollen weidlich Fastnacht halten!"
Iosek Mittom itjer
JUGEND
1900
Ein Zwerglein daraus mit vier Blätter
von P. A. a Sancta Clara jun.
nebst Bildlein von A. Schmidhammer
I. von einem langen Schlaf
Der würzinger Sepp sitzet in der Schul,
und ein Vögerl singet drauß und er druckt
sich hinaus und eilt dem Vögerl nach in
den Busch bis an die Donau hinunter. Der
Bub ist ganz verzückt in den Gesang und
loset und lauscht und schlaft darob ein.
wie er munter wird, will er wiederum in
die Schule kehren, findet aber alles anderst
gebaut und fragt die Leut, welche ihm in
einer frembden Sprach antworten, die er
nicht begreifft.
Endlich sagt ihm der Halter vom Dorf,
ein eyßgrauer Rrippel, der einzige, welcher
deutsch verstund, vor hundert und so viel
Jahr seyen hier auch Deutsche gewest, die
seynd aber all bis auf ihn verkümmert und
verstorben. Raum vernimmt das der Sepp,
so drehet es ihm den Magen umb, und er
verstirbt auf der Stell.
So ist jetzunder der Halter der letzte
Uebcrblcibsel dort, und wann der Teuffel
heunt seine Seelen holt, so kriegt sein
Schede! morgen ein' Ehrenplatz im Museum.
2. von den Rl)inoce.-os
Seitdem einstmalen elf tausend Jung-
frauen auf dem weg nach Engeland er-
soffen seyn, herrschet in diesem Articulo
großer Mangel. Nur in Aethiopien seynd
sie stärker verbreitet. Dort fanget man
die RHLnoceros damit. Sobald ein solch
wildes Thier eine Jungfer, aber eine richtige,
erblicket, leget cs sich vor ihr nieder und
glotzet sie stundenlang an. Dann kommen die
Neger und packen es von hint beim Schweiff.
Bei uns, mit den heuntigen Jungfern,
könnte man sie nicht also fangen. Zum
Glück haben wir nur zahme RHLnoceros all-
hier, und die stecken durch die Bank in denen
hohen Aembtern, und dort thun sie nichts.
Z. von den Säcken mit lauter
Grobheiten
Ich weiß nicht, ist es ein Gedicht oder
Geschicht oder Hirngespinnst, verwichene
Wochen sehe ich bei der Taborlinie ein
Menge wagen einfahren, welche mit lauter
Säck beladen waren. In denen Sack
waren nur Schimpf und lästerliche Trumpf
und leeret man sie aus in ein' großen Haus
am Ring, so nennt man das Ding schöne
Reden und kriegt davor Diäten.
Ich sorge nur, die Obstrucnon führet
zur Obduction, und aus der Londuite wird
ein Traucrconduct mit sechs gelben Rappen
und den Landesfarben hinten auf der
Croupe.
Pferde und Wölfe
wann die Rösser auf einer wiesen
weiden, und die Wölf kommen aus dem
Wald, so helfen sich die gcscheidtcn Rösser
bald. Sie stellen sich in einem Haufen,
Nüstern an Nüstern, und schlagen mit den
Hintcrhuf aus, daß den Wölf die Schede!
knistern.
warumb thuet ihr nicht ebenso? Aber
ihr schlagt lieber untereinand aus, und
wann die Wölf aus den Wäldern kommen,
scyd ihr schon alle nichts mehr nutz. Frei-
lich seyd ihr keine Rösser, wenigstens keine
so gescheidten.
Dans Sachsens Tröstung
mit Bild von Robert Sngels
Die Fastnacht war herangekommen.
Ein Huhn, dem man sein Brod genommen,
Vermöchte nicht betrübter, traun I
wie Sachs, der Meister, dreinzuschaun.
Der Rath der Stadt hat ihm befohlen,
Vluv Stiefel mög' er fürder sohlen
Und seines Handwerks redlich walten,
Doch alles Reimens sich enthalten,
Er möge keine Bücher schreiben
Und nur bei seinem Leisten bleiben,
Dieweil sein antirömisch Buch
Zu rügen sei als Friedensbruch.
Die treue Gattin Runigund
Erbarmt sich seiner im Herzensgrund.
Sie streicht sein Haar Ln milder Ruh,
Spricht ihm mit weichen Worten zu.
Gleichwohl will ihm das Herz zerspringen,
Er kann den Rümmer nicht bezwingen. *
Daß seiner Runst er soll entsagen,
Das kann der Meister nicht ertragen.
Er saß mit seinem Leid allein,
Erloschen war des Tages Schein,
Und plötzlich war sein Aufenthalt
Gerückt in einen grünen Wald.
Da kam einher ein holdes Weib
Mit wohlgeliedmaßirtem Leib.
„Bin Deine Zukunft," rief sie mild.
„willst Du mich schauen unverhüllt?"
Der Schuster nickt, und niedergleiten
Von ihres Leibs Holdseligkeiten
Die Schleier, und das Fräulein spricht:
„Mein guter Hans, verzage nicht:
Ein langes Leben, reich an Glück
Steht noch vor Dir. Manch Meisterstück,
Manch Lied, gesetzt Ln edlen, schönen, U
Gediegen-ernsten Meistertönen,
Manch Fastnachtspiel und mancher Schwank
Erwirbt Dir Deines Volkes Dank.
Dein Schreiben wächst zur Bücherei,
Bunt durcheinander Rorn und Spreu.
Und lange noch bleibst Du verbunden *
In Glück und Lieb mit Runigunden.
Ein treu Gedenken wird bewahren
Die Nachwelt Dir in fernen Jahren,
wenn ohne Gaul die schwersten wagen
In toller Hast die Welt durchjagen,
wenn auf dem Erdball drahtumspannt
Blitzschnell man spricht von Land zu Land
Und wenn in China man wird sehn
Und bei den Mohren fröhlich wchn
Ringsum auf neu erschloss'nen Bahnen
Die ruhmbedeckten deutschen Fahnen!"
So sprach das Fräulein lang noch weiter.
Zur Antwort gab Hans Sachs ihr heiter:
„Bist Du's, die mir von Gott bcschiedcn,
Dann, Zukunft, bin ich wohl zufrieden,
Denn wohlgeliedmaßirt bist Du,
Dein Anblick bringt den Schmerz zur Ruh,
Mag, was er will, der Rath beschließen,
Das soll mich künftig, nicht verdrießen!"
Da schwand das liebe Fraucnbild,
Dcr Schmerz des Schusters war gestillt,
Und Fröhlichkeit vertrieb den Jammer.
Er saß daheim in seiner Rammer,
Ihm strich das Haar Frau Runigund,
Da sprang er auf und war gesund
Und rief, sie mög' zum Tanz sich rüsten,
weil er darnach fühl' ein Gelüsten.
Deß war die Frau gar schnell erbötig,
So gingen sie, der Sorgen ledig
Und ledig allen Ungemachs,
In die Tavern.
Dort rief Hans Sachs:
„Ihr Züchtig Frau'n und chrbarn Herrn,
„Ich kumm zu Euch in die Tavern,
„Mit Euch zu haben guten Muth,
„wie man jeyund zu Fastnacht thut. i
„Nehmt auf mich freundlich mit meiner Alten,
„wir wollen weidlich Fastnacht halten!"
Iosek Mittom itjer