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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 5.1900, Band 1 (Nr. 1-26)

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Nr. 9 (Faschings Nummer)
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https://doi.org/10.11588/diglit.3886#0159

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1900

JUGEND

Nr. 9

Kein Maskenzug in München!

„Reinen Maskenzug gibt's Heuer,"
Spricht das Faschingscomite;

„Erstens kommt die Sach' zu theuer,
Zweitens liegt auch meistens Schnee.

Außerdem laßt sich noch finden
Eine ganze Litanei
Von den allerbesten Gründen
Gegeit so a Narrethei.

woher nehmen und nicht stehlen,
Frag' ich, in der ganzen Stadt
Einen hübschen und fidelen
Prinzen, der's auch dazu hat?

woher krieg'n und nicht stibitzen,
Frage ich das Publikum,
Wagenladungen von Witzen,

Die nicht schon an Jed'n z'dumm?

Dann bedenkt die scharfen Federn
Drob'n am Polizeigericht!
was man darf, is meistens ledern,
was nicht ledern, darf man nicht.

Groß und kleine Majestäten,

Jeder bessere Baron
Ist versichert gegen jeden
Schlechten Witz von klein auf schon.

Der Soldat ist keine Taube.

Hat ein heikles Ehrgefühl:

Furchtbar wird die Pickelhaube,
wenn sie einer frozzeln will.

Rlopft einmal auf eine Rutten
Nur zum Jux der Harlekin,

Heißt cs gleich: D' Hand von da Butten,
wurfchtel, es san weinbeerl drin.

wie gesagt, es ließ' sich finden
Gegen so ein' Maskenzug
Eine Litanei von Gründen,
war' nicht einer mehr als g'nug:

Geld gehört zu solchen Sachen,

Das ist eine alte G'fchicht —

Und der Münchner möcht' scho' lachen,
Aber zahlen mag er nicht." a. io.

Der ehrliche Abrahain a Santa Llara
wurde aufgefordert, die Redaktion eines
Zentrumorgans zu übernehmen, da er wegen
seines geistlichen Amtes, seiner schriftsteller-
ischen Thätigkeit und seiner Derbheit dazu
prädestinirt sei.

„Dazu taug ich rittl" sagte er. „An der
Grobheit sollt's ritt fehlen, aber ich kann
halt nit von der Wahrheit lassen I"

Eulenspiegel wollte, um ungestraft seine
Streiche ausführen zu können, für einen
Darren gelten. Er zog weite Beinkleider
an, die er unten aufkrempelte, ein Jäckchen,
das ihm kaum zu schnaufen verstattete und

mit der Sitzgelegenheit kokcttiren ließ, und
einen Hcmdkragen bis über die Ohren, setzte
ein seltsam Hütchen auf, nahm einen dicken
Prügel unter den Arm und stelzte dahin
wie ein Storch.

„Ei," riefen die Leute, „seht doch den
Schalksnarren!" und hielten sich den Bauch
vor Lachen.

Aber da waren viele junge Leute, die
für etwas Besonderes gelten wollten, und
bald konnte man glauben, es liefen viele
Eulcnspiegel umher.

„Um Gotteswillen!" rief Till, indem er
sich vor ihnen seiner Tracht theilweise ent-
ledigte. „Mit denen mag ich keine Gemein-
schaft haben, das sind ja wirkliche Narren!"

Auf seiner Wanderschaft kam Till
Lulensxiegel an eine Stelle, da sich Fuhr-
leute grimmig hin und her stritten, welche
Richtung man einschlagen solle. Da trat
er mit wichtiger Miene hinzu und sprach:

„Ich bin Doktor theologiae und muß
deshalb auch Ln weltlichen Händeln am
besten Bescheid wissen. Ich allein kann
Euch helfen aus Eurer Noch!"

Und half den Leuten den Rarren in
den Sumpf schieben.

Ein ungeschlachter Rerl, der über dem
Wasser zu Hause war, rempelte den harm-
los dahinschlendernden Eulenspiegel an.

„Ich will Dich Mores lehren!" schrie
dieser und schlug ihm Eine auf's Maul.

„was, Du willst Dir von mir nichts
gefallen lassen? Bist Du denn nicht ein
Deutscher?"

„Das schon, aber man heißt mich einen
Hansnarren."

Darauf bot ihm der Rerl seine Freund-
schaft an. Sie sollten zusammenhelfen,
dann möchten sie ihr Schäflein wohl in's
Trockene bringen.

„Ich mag nichts wissen von Dir!" sagte
der vorsichtige Eulenspiegel, der lieber allein
seiner Wege ging. „Ich trau' Dir nit über
den weg!"

Er war eben nur ein Hansnarr.

wilibald pirkheiiner sprach einst Hans
Sachs gegenüber seine Verwunderung aus,

daß er als einfacher Mann die Schwächer»
und Verkehrtheiten des Menschen also zu
erkennen und zu geißeln vermöge.

„Das kombt vom Handwerk!" lächelte
der wackere Meister. „Da muß ich ja aull-
all Schaden besehn, muß verklopffcn und
versohlen und das Leder anstrcichen."

Johann Fischart gab seine Werke im
Selbstverlag heraus. Das „Jesuitenhütlein"
fand aber keinen rechten Anklang, während
„Das glückhafft Schiff" sehr populär
wurde, so daß er der Nachfrage kaum ge-
nügen konnte.

Einst kam ein Staatsmann zu ihm und
sagte: „Mein Lieber, ich möchte das
„Glückhafft Schiff" haben."

Er aber gedachte einen guten Handel
zu machen und sagte schlau:

„Mit Verlaub, ohne „Jesuitenhüt-
lein" auch kein „Glückhafft Schiff!""

Als Sebastian Brant die unterschied-
lichen Darren in sein „Narrenschiff" ein-
geschifft hatte, vermißte sein Freund Geiler
v. kaisersberg die Ansichtskartenschreiber.

„Um Gotteswillen, schweig!" rief Brant.
„Da müßten wir ja eynen eygenen Levia-
than bauen lassen!"

Kaiser Maximilian I. fand einst seinen
Hofnarren Kunz von der Rosen weinend
über Schlossers Weltgeschichte gebeugt.

Theilnehmcnd fragte er ihn nach seinem
Schmerze.

„Ach," seufzte der treue Runz, indem
er seinen Herrn traurig anblickte, „hier
steht, daß es im IS. Jahrhundert keine
Hofnarren mehr gibt, wer soll dann den
Fürsten noch die Wahrheit sagen?"

Zeichnungen von Arpad Schmidhammel
Register
A. Mo.: Kein Maskenzug in München!
Arpad Schmidhammer: Zeichnungen zum Text "Der newe Plutarch"
Plutarch [Pseud.]: Der newe Plutarch
 
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