DOI Heft:
Nr. 9 (Faschings Nummer)
DOI Seite / Zitierlink:https://doi.org/10.11588/diglit.3886#0166
Nr, 9
JUGEND
1900
3f)r seht die Herrn Philister und Perrucken,
Dies Froschgezücht, in Jammer und in Roch
Sich vor des Mtzcs blanker Pritsche ducken,
Denn der Humor ist solcher Kerle Tod!
Todtentanz der Politik von
Er hat zu weit den Rachen aufgenssen,
Seht, wie in Todesangst sein Auge stiert —
John Bull erstickt am Lnd' noch an dem Bissen,
Den ihm der Tod — Herr Lhamberlain — sermrt!
Der DemoiseUe Marianne hier, der losen,
Hofiren gar der Buhlen zwei zumal,
Der im Talar und der in rochen Hosen —-
wer von den beiden wird für sie letal?
Germanische Lhauvins, ihr Bösewichter,
wollt Schiffe bauen für des Reiches Glanz?
Laßt ab davon, aus Mitleid für Herrn Richter —
Die Flotte war' der Tod des braven Manns!
Seht Miguel graben hier, den braven Knaben,
Doch was er grabt, ist ein Kanal, kein Grab!
Und dennoch ist er d'ran, sein Grab zu graben —
Gar boshaft stößt ihn Junker Tod hinab!
Hier schwebt der Friede, zärtlich von Geberden,
Mitsammt dem Ritter, den er sich erkürt —
Mich dünkt, des Friedens Tod wird Jener werden»
Der ihn so zierlich da auf's Lis geführt!
Zureg mm Morten von Dgll
vlnspiegel redivivus
Die erst histori sagt wie Ulenspiegel ein
sperlingk dz sprechen leert.
Eins Tags so kam der newe Ulenspiegel in
eine stadt die heißt Münster, daz ist die stadt
davon die leut sagen in mynster ist es finster.
Allda war auch ein Professer der lehret die
Studenten wie es in der Höllen aussieht und
was maßen die abgeschiedenen Seelen als Ge-
spenster müßten umbgehen, wann sie bei Leb-
zeiten nit wären frumb genug gewest. Und
schimpfst selbiger Prozessor sehr heftiglichen aufs
alle menschliche weißheit daß sie war eytel
dorheit und könnte nichts erkennen und wär
der Meynung dz ein unvernünftig Tier möchte
ebenso vil lernen als die vilberümten Männer
der wißenschafst. Da Ulenspiegel soliches horte
gang er alßbald zu dem professor. Der Pro-
fesser sagt Was begeerstu- Ulenspiegel sagt
So es Ew. gnaden gefält so wollt ich mich
wol vermessen einen Sperling das sprechen zu
leernen, gleich wie ein Mensch. Der Professer
sagt So du dz kanst will ich es dir wol lohnen.
Und gab ihm fürs erste L Marck silber. Ulen-
spiegel thät sich gütlich und wan das geldt
verzeert wz so holt er mer. Nach drey monden
gang er wieder zu dem professor. Der Professer
sagt Bistu bereit. Ulenspiegel sagt Ich bin be-
reit. Alßbald so versamlet der professor alle
geleerten der academia in ein grossen sal, da
wz Ulenspiegel mit seinem vogel. Ulenspiegel
sagt Ihr Herren wöllen wol mercken diesser
sperling spricht so klug als ein professor auß-
genommen die in Mynster. Der Professer sagt
Es ist gut, fangen nun an. Ulenspiegel sagt
Ich will es tun. Und stellte gegen dem Vogel
eine frag aufs plattteutsch und sagt Segg an,
Matz, wat mächst Du leeber smöken, Zigarr
oder Pip. Darausf so antwurt der vogel Pip.
Da verwunderten alle Herren deß geleerten
Rats sich baß und ernennten Vlenspiegeln
allsogleich zum Doctor theologiae honoris
causa. Und zog reich an Ehren und geschencken
und vergnügt ob seyner schalckheit auß der stat.
Die zweyt histori sagt wie vlenspiegel stch
für ein BriUenmacher außgiebt unnd ein
hoff Schrantzen strafft.
Nach disser zeit reißt Vlnspiegel in ein stat
die heiß Pottsdamm und suchet wo er ein
dienst fändt da er über den Winter bleiben
kunt. Dan es war tewre zeyt. Alß nun Ulen-
spiegel vor der Stadt am weg lach und het
grossen Hunger Da kanr der Marckgraff uon
Brandenburg geritten. Der het seyn residentz
zu Potzdamm. Der sah dz Ulenspiegel ein selt-
162
zam kleit truch unt sprach Wer bistu. Ulen-
spiegel kunt seyn schalckheit nit lassen und sagt
Gnedigster Herr vnd Fürst ich bin ein Brillen-
macher. Der Marckgraff sprach Warumb so
machestu keyne Brillen sundern lichst hir müßig.
Ulenspiegel sprach Gnedigster Herr meyn handt-
werck ist so schlecht dz es seynen Mann nit
mag erneren. Der Fürst fragt Warumb. Ulen-
spiegel sagt Wann ich dz dörfft sagen dz üwer
gnaden nit wolt zürnen so wolt ich es wol
sagen. Der markgraf sprach Nein sags nur frei.
Ulenspieget sagt Gnedigster Herr dz verdirbt dz
Brillenmacher hantwerck dz der Brillenmacher
so vile feint. Sonderlichen an der Fürsten Höffen
feint so vil Brillenmacher dz die Fürsten für
lauter Brillen die weit nit sehn vnd ein ehr-
licher Brillenmacher nit mag sein brodt ver-
dinen. Der Marckgraff sprach Du bist mir ein
rechter knecht kumm har vnd gang mit mir an
meynen hoff. Vlnspiegel ging mitt im. Es war
aber an des Marckgraffen hoff der brauch so
sich ein mechtiger Herr zeigete so neigeten sich
die mereren so vast tief alß wollen sie ruitt
der Nasen auffs knie stossen. Eins tags gingk
der schätz Meißter des Markgrafen durch den
sal vnd Vlnspiegel was auch inn dem Sal.
Die Höfling bückten sich so tieff alß es ir Art
war und standen so krumb alß faß Reifen
wann der Schazmeister schon lang zu der tür
hinn auß was. Ulenspiegel stund hintter ein
/
JUGEND
1900
3f)r seht die Herrn Philister und Perrucken,
Dies Froschgezücht, in Jammer und in Roch
Sich vor des Mtzcs blanker Pritsche ducken,
Denn der Humor ist solcher Kerle Tod!
Todtentanz der Politik von
Er hat zu weit den Rachen aufgenssen,
Seht, wie in Todesangst sein Auge stiert —
John Bull erstickt am Lnd' noch an dem Bissen,
Den ihm der Tod — Herr Lhamberlain — sermrt!
Der DemoiseUe Marianne hier, der losen,
Hofiren gar der Buhlen zwei zumal,
Der im Talar und der in rochen Hosen —-
wer von den beiden wird für sie letal?
Germanische Lhauvins, ihr Bösewichter,
wollt Schiffe bauen für des Reiches Glanz?
Laßt ab davon, aus Mitleid für Herrn Richter —
Die Flotte war' der Tod des braven Manns!
Seht Miguel graben hier, den braven Knaben,
Doch was er grabt, ist ein Kanal, kein Grab!
Und dennoch ist er d'ran, sein Grab zu graben —
Gar boshaft stößt ihn Junker Tod hinab!
Hier schwebt der Friede, zärtlich von Geberden,
Mitsammt dem Ritter, den er sich erkürt —
Mich dünkt, des Friedens Tod wird Jener werden»
Der ihn so zierlich da auf's Lis geführt!
Zureg mm Morten von Dgll
vlnspiegel redivivus
Die erst histori sagt wie Ulenspiegel ein
sperlingk dz sprechen leert.
Eins Tags so kam der newe Ulenspiegel in
eine stadt die heißt Münster, daz ist die stadt
davon die leut sagen in mynster ist es finster.
Allda war auch ein Professer der lehret die
Studenten wie es in der Höllen aussieht und
was maßen die abgeschiedenen Seelen als Ge-
spenster müßten umbgehen, wann sie bei Leb-
zeiten nit wären frumb genug gewest. Und
schimpfst selbiger Prozessor sehr heftiglichen aufs
alle menschliche weißheit daß sie war eytel
dorheit und könnte nichts erkennen und wär
der Meynung dz ein unvernünftig Tier möchte
ebenso vil lernen als die vilberümten Männer
der wißenschafst. Da Ulenspiegel soliches horte
gang er alßbald zu dem professor. Der Pro-
fesser sagt Was begeerstu- Ulenspiegel sagt
So es Ew. gnaden gefält so wollt ich mich
wol vermessen einen Sperling das sprechen zu
leernen, gleich wie ein Mensch. Der Professer
sagt So du dz kanst will ich es dir wol lohnen.
Und gab ihm fürs erste L Marck silber. Ulen-
spiegel thät sich gütlich und wan das geldt
verzeert wz so holt er mer. Nach drey monden
gang er wieder zu dem professor. Der Professer
sagt Bistu bereit. Ulenspiegel sagt Ich bin be-
reit. Alßbald so versamlet der professor alle
geleerten der academia in ein grossen sal, da
wz Ulenspiegel mit seinem vogel. Ulenspiegel
sagt Ihr Herren wöllen wol mercken diesser
sperling spricht so klug als ein professor auß-
genommen die in Mynster. Der Professer sagt
Es ist gut, fangen nun an. Ulenspiegel sagt
Ich will es tun. Und stellte gegen dem Vogel
eine frag aufs plattteutsch und sagt Segg an,
Matz, wat mächst Du leeber smöken, Zigarr
oder Pip. Darausf so antwurt der vogel Pip.
Da verwunderten alle Herren deß geleerten
Rats sich baß und ernennten Vlenspiegeln
allsogleich zum Doctor theologiae honoris
causa. Und zog reich an Ehren und geschencken
und vergnügt ob seyner schalckheit auß der stat.
Die zweyt histori sagt wie vlenspiegel stch
für ein BriUenmacher außgiebt unnd ein
hoff Schrantzen strafft.
Nach disser zeit reißt Vlnspiegel in ein stat
die heiß Pottsdamm und suchet wo er ein
dienst fändt da er über den Winter bleiben
kunt. Dan es war tewre zeyt. Alß nun Ulen-
spiegel vor der Stadt am weg lach und het
grossen Hunger Da kanr der Marckgraff uon
Brandenburg geritten. Der het seyn residentz
zu Potzdamm. Der sah dz Ulenspiegel ein selt-
162
zam kleit truch unt sprach Wer bistu. Ulen-
spiegel kunt seyn schalckheit nit lassen und sagt
Gnedigster Herr vnd Fürst ich bin ein Brillen-
macher. Der Marckgraff sprach Warumb so
machestu keyne Brillen sundern lichst hir müßig.
Ulenspiegel sprach Gnedigster Herr meyn handt-
werck ist so schlecht dz es seynen Mann nit
mag erneren. Der Fürst fragt Warumb. Ulen-
spiegel sagt Wann ich dz dörfft sagen dz üwer
gnaden nit wolt zürnen so wolt ich es wol
sagen. Der markgraf sprach Nein sags nur frei.
Ulenspieget sagt Gnedigster Herr dz verdirbt dz
Brillenmacher hantwerck dz der Brillenmacher
so vile feint. Sonderlichen an der Fürsten Höffen
feint so vil Brillenmacher dz die Fürsten für
lauter Brillen die weit nit sehn vnd ein ehr-
licher Brillenmacher nit mag sein brodt ver-
dinen. Der Marckgraff sprach Du bist mir ein
rechter knecht kumm har vnd gang mit mir an
meynen hoff. Vlnspiegel ging mitt im. Es war
aber an des Marckgraffen hoff der brauch so
sich ein mechtiger Herr zeigete so neigeten sich
die mereren so vast tief alß wollen sie ruitt
der Nasen auffs knie stossen. Eins tags gingk
der schätz Meißter des Markgrafen durch den
sal vnd Vlnspiegel was auch inn dem Sal.
Die Höfling bückten sich so tieff alß es ir Art
war und standen so krumb alß faß Reifen
wann der Schazmeister schon lang zu der tür
hinn auß was. Ulenspiegel stund hintter ein
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Max Hagen: Zeichnungen zum Text "Todtentanz der Politik von Hans Holbein dem Jüngsten"
[nicht signierter Beitrag]: Zwey Newe Historien von Dyll Ulnspiegel redivivus
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