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Nr. 12

. JUGEND -

1900

Relief

Än Pauk Hexse

Die (Wekt ein AerKer? — Sei's! — ßo kaßi uns streken,
Der engen Zekke (Wände zu verbreitern,

Den schmaken KkicK durch's Sitter zu erweitern,
Liuszugestakten unser Karges LeKen!

Dazu die Eraft Kann nur die Aunst uns geöen.

(Wenn uns'rer Hoffnung schwanke Schiffe scheitern,

(Wird sie den trüöen Srdentag erheitern,

Sin Aönigekkeid unr unsre Nacktheit weken.

ßo denn ein Heitand nahe uns der Dichter,
jum Segnen öffnend feine Hand, die witde,

Dem (Wankenden ein Stak, Lew Leid ein Tröster!

Der Pessimisten sonnenscheu' Schichter,

Der SxwKokisten nervenkranke Sitde,

Sperrt sie in dunkelste Trappistenktöster!

Friedrich Apiechagen

An die Redaktion der „Jugend"

Sie laden mich freundlich ein, bei dem literarischen Banket,
das Sie an meinem siebzigsten Geburtstage veranstalten wollen,
nicht nur als stummer Gast zu erscheinen, sondern auch meine eigene
Muse zu Worte kommen zu lassen.

Nun will es freilich die Sitte, daß der Gefeierte sich anr
Schluß erhebt und mit möglichster, sei's echter, sei's gut gespielter
Bescheidenheit für alle ihm erwiesene Ehre dankt. Dies in schlichter
Prosa zu thun, würde auch ich nicht unterlassen, wenn ich in Person
Ihnen gegenüber säße. Wollen Sie aber durchaus Verse von mir
haben, so muß ich bitten, mit einem Trinkspruch vorlieb zu nehmen,
den ich vor 33 Jahren einer fröhlichen Tafelrunde zum Besten gab.
Das Blatt fiel mir wieder in die Hand, als ich zum Behuf meiner
„Jugenderinnerungen" eine alte Mappe durchstöberte. Freilich sind
die rasch hingeworfenen Verse nicht besser, als die meisten solcher
Improvisationen zu sein pflegen, bei denen der mündliche Vortrag
und die Weinlaune der Zuhörer das Beste thun müssen. Da sie

Adolf Hildebrand (München)

aber die Stimmung der damaligen Zeit in unserm alten München
im Jahre nach der Schlacht bei Königgrätz wiederspiegeln, haben
sie vielleicht heute noch ein gewisses historisches oder doch auto-
biographisches Interesse-

Zur Erläuterung für Nicht-Münchener sei noch vorausge-
schickt, daß die Gesellschaft der „Zwanglosen" alljährlich an einem
heiteren ländlichen Ort — etwa Feldasing oder Harlaching — ein
Maifest feierte, bei dem der inr Winter angesammelte Straf-Cham-
pagner — für Verfehlungen gegen die Statuten — neben dem ka-
stalischen Quell reichlich zu fließen pflegte. Im Jahre 1867 hatte der
biedere Ernst Förster, der langjährige Vorsitzende der Zwanglosen,
die Poeten unter ihnen zu einem Sängerkampf aufgefordert, bei dem
Jeder verpflichtet ivar, das Lob seiner Vaterstadt zu singen.

Gardone, Februar 1900. pauk Heyse

« •

O

Lum Friihlingskekt der,Zwanglosen'

im Ighre 1867

Wer ist der unermüdlich rege Geist,

Der unterm Schnee noch junge Rosen bricht,

Der ew'ge Jüngling, dessen Wahlspruch heißt:

„Vlie ruhen ist die erste Bürgerpflicht,"

Der redemachtig Alles mir sich reißt,

Zumal, wenn er wie heur in Versen spricht?

Merk auf, Unwissender, daß du es lernst:
wir grüßen ihn Ernst Förster, unfern Ernst.

Ja, er ist unser! Wenn die Mitwelt danklos
(f)fr das Verdienst im Schatten welken sah,

Wir, die wir gute Menschen sind und zwanglos,
Wir ehren ihn schon heut, da er uns nah.

Und schmausen einst die Enkel sang- und klanglos
So wird man rufen: Ist kein Förster da? —

Denn er war groß als Mensch im Allgemeinen,

Am größten in geselligen Vereinen.

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Register
Paul Heyse: Zum Frühlingsfest der "Zwanglosen" im Jahre 1867
Adolf Ritter v. Hildebrand: Fotografie eines Reliefs
Friedrich Spielhagen: An Paul Heyse
Paul Heyse: An die Redaktion der "Jugend"
 
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