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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 5.1900, Band 1 (Nr. 1-26)

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Nr. 12 (Paul Heyse-Nummer)
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https://doi.org/10.11588/diglit.3886#0213

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Nr 12

JUGEND

1900

Gedanken

von Max von Seydel

Nichts gibt gemeinere Charaktere als
die betriebsame Mittelmäßigkeit.

*

Es ist geradezu albern, zu behaup-
ten, daß die Form für die Dichtkunst
— und überhaupt für die Runst — nur
eine untergeordnete Bedeutung habe. So
wenig man sich das Weib blos mit weib-
lichem Gefühl und weiblicher Gesinn-
ung und ohne die körperlichen Formen
des Geschlechts denken kann, ebenso-
wenig die Dichtung ohne die dichterische
Form. Das edelste Gefühl ohne schöne
Formen gibt ein häßliches Weib und ein
mißrathenes Gedicht; freilich auch die
bloße schöne Form ohne belebenden
Geist eine hübsche Gans und ein nichts-
sagendes Reimgeklingel.

Weisheit ist der technische Ausdruck
für die Dummheit an leitender Stelle.

*

Die Runst ist nicht moralisch. Das
heißt aber nicht, dieRunst ist unmoralisch.

Die klassische italienische Prosa ist
von bezaubernder Schönheit, einer Har-
monie des Gedankens und Ausdrucks, wie
sie selten ist. Boccaccio's Schilderung
der Pest in Florenz, Macchiavelli's
Storie FLorentine, besonders die von
den Medici handelnden Partien, das
sind Denkmäler aus einer Zeit, wo man
noch nicht vergessen hatte, daß die Göttin
der Geschichte eine Muse ist. Reinen
Augenblick stehe ich an, zu erklären, daß
desThukydides peloponnesifcherRrieg und
des Macchiavelli florentinische Geschichte
ebenbürtige Meisterwerke sind. Unter
den Dichtern hat der einzige Goethe den
alten Italienern das Geheimniß ihres
Stiles abgelauscht, und wie er es konnte,
zeigt seine Uebertragung von Benve-
nuto Cellini's Leben.

Es wäre mir ein peinigender Ge-
danke, aus der lebenden Menschheit zu
scheiden und von dem vorhandenen Bild-
ungskapitale nur die Zinsen genossen,
es aber meinerseits — und sei cs auch
nur um ein Geringes — nicht vermehrt
zu haben.

Gewisse Leute sind Ecksteine für die
Orden.

*

Es gibt zweierlei nützliche Bücher:
solche, in Folge deren man mehr weiß,
und solche, durch die man gescheidter
wird.

Es gibt auf Erden wenig Sonnen-
kinder, aber entsetzlich viel Mondkälber.

$

Freunde macht man sich; einen Freund
findet man.

(Novekke Rob• En%el*

Drei kleine Cieder

Von I)ugo von I)ofmannstbal

t.

hörtest Du denn nicht hinein,
Dass Musik das I)aus umschlich ?
Dacht war schwer und ohne

Schein,

Doch der sanft auf hartem Stein
£ag und spielte, das war ich.

Mas id? konnte, sprack ick aus:
„Liebste Du, mein Hlles Du!"
Oestlich brach ein Lickt heraus,
Schwerer tTag trieb mich nach

Haus

Und mein Mund ist wieder ju.

2.

Jck weiss ein Mort
Und hör es fort:
Bescheertes Glück
Dimm nie zurück!

Hör, was ick sag,

Denk jeden Tag:
Bescheertes Glück
Dimm nie zurück!

Und ist die Zeit
Dir einmal weit:
Bescheertes Glück
Dimm nie zurück.

3.

Die Liebste sprach: „3ch halt'

Dick nicht,

Du hast mir nichts geschwor'n.
Die Menschen soll man halten

nicht,

Sind nickt zur Treu gebor'n.

Zieh' Deine Strassen hin, mein

freund,

Beschau Dir viele Land,

3n vielen Betten ruh' Dich aus,
Viel frauen nimm bei der Hand.

Mo Dir der Mein zu sauer ist,
Da trink Du Malvasier,

Und wenn mein Mündlein Dir

süsser ist,

So komm nur wieder zu mir!"

Spruch

Kokk Dir das fteße schöne £cßcn
Nicht akkzu früh vergäkkt und verhaft fein,
Mußt Du kühn nach dem Höchsten streßen
(Und daßei kkug auf's Dümmste gefaßt fein.

Hans Hopfen
Index
Robert Engels: Novelle
Hans Demetrius Ritter v. Hopfen: Spruch
Max v. Seydel: Gedanken
Hugo v. Hofmannsthal: Drei kleine Lieder
 
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