Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 5.1900, Band 1 (Nr. 1-26)

DOI issue:
Nr. 13 (26. März)
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.3886#0238

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
1900

„Lrcbesrverben" — ein Schafcrspiel
(Meldung aus London vom 8. Marz: „Die
Königin will Anfang nächsten Monats Dublin
einen 14 tägigen Besuch abstatten. Zugleich ordnet
ein Armeebefehl an, daß die irischen Soldaten am
St. Patricks-Tag wieder das nationale Abzeichen,
ein Kleeblatt, tragen dürfen.)

Nachträgliche Stimme zur lex Heinze

Blamabel ist es für den Reichstag, daß er
mit einem solch unsinnigen Gesetz nicht selber
fertig wird und an das Publikum appelliren
muß. Der Vorwurf des Abgeordneten Müller,
den er den Künstlern macht, daß sie sich nicht
rühren, ist ein bedenkliches testimonium pau-
pertatis für den Reichstag. Zu was hat man
denn die Abgeordneten, wenn man sich gegen
solchen Unsinn selber helfen muß? Oder han-
delt es sich darum, das Interesse der Ab-
geordneten an einer solch selbstverständlichen
Kulturfrage erst anzufachen. Das wäre noch
trauriger. Freilich hat man schon o't im Reichs-
tag künstlerische Fragen als gleichgültiges Tansch-
mittel verwendet, um sich etwas Anderes damit
billig zu erkaufen, ernst sind ja nur wirthschaft-
liche Fragen. Immerhin läßt sich in diesem
Fall Indifferenz kaum annehmen, sondern nur
positive Schwäche. Ist es nicht blamabel, daß
gerade jetzt, wo in Deutschland ein so hoher
Ton gegenüber England und dessen Kultur an-
geschlagen wird, ein Gesetz möglich zu sein
scheint, worüber das gesammte übrige gebildete
Europa lachen würde? Würde so etwas in dem
vielgeschmähten England irgendwie möglich
sein? Steht da dessen Einsicht, was Kultur heißt,
nicht hoch über solch mittelalterlichen Polizeian-
schauungen? und müssen wir da nicht bescheiden
die Segel streichen, wenn es sich darum handeln
soll, wer an der Spitze der Kultur schreitet?
Florenz, 7. März 1900

Prof. Adolf Hildebrand

Die

lexdeinze-Debatte im Reichstag

am 13. März 1S00

Und Roeren krächzte, Roeren schrie
Doll Eifer und voll perfidie.

Er schimpfte, was er schimpfen kunnt,

Der Geifer lief ihm schier von: Mund,

Und was er sprach, war Gift und Schmutz,
Er bot den Hellen Geistern Trutz,

Er machte alles Krumme g'rad
Als ein Jesuit und Diplomat.

Die Gegner in die Gosse zog
Der brave Mann und log und log,

Daß sich der Tisch des Dauses bog.

Dann riß Herr Gröber bald darauf
Sein Kaugeräth noch weiter auf.

. j U GE N D .

Bedauern konnte Gröber nur
Die deutsche Kunst und Litt'ratur,
wenn sie des Knebels sich erwehrt,

Den ihr das Tentrum da bescheert!

Die Freiheit, die der Künstler will,

Die nannt' er Frechheit mit Gebrüll,

Und wer sie wollt', sei allemal
Derlassen ganz von der Moral,

Und wer da and'rer Meinung war,

Der ward verdächtigt wüst und schwer!
Herr Stöcker sprach vom Sündenpfühl
Mit Salbung und mit Selbstgefühl,
Erzählte, wie da ganze Schaaren
Don sittenlosen Potipharen
Ihn neulich in Berlin bei Dacht
Um seinen Mantel fast gebracht.

Er uralte mit gewandter Hand
Den Teufel selber an die wand,

Er drehte, feucht von Seelenschmerz,

D e frommen Augen himmelwärts,

Gab feinen: Freund und Bruder Roeren
Ein saftig Tompliment zu hö en —

Und schrie zum Schluß der Muckerei
Aus vollem Halse: ,,Polizei'."

Du fragst wozu dies Aufgebot,

Don Lüge, Roheit, Gift und Koth?

Ja Freund, die Leute brauchtens eben,
Des Dolkes Sittlichkeit zu heben!

Hans

Aus dem lyrischen

TageßuH de; Leutnant im Zersewih

Dienstmädchen

Eijencn Reiz doch so frisches Ding,
Marktkorb am Arm, am drallen —
Jedesmal noch, wenn vorüberjing,
Nachjcblickt, wohljefallen!

Niemals vor Damen von kraule volee
Aehnlichen Reiz empfunden . .

Nachjedacht oft, worin Reiz besteh' —
Kopf mir zcrquält janzc Stunden. .

Schließlich denn doch jekommen auf Spur:
Ilaube, weil freier sich jeden —
Reinere, unverstellte Natur!

Damen, jekünstclter eben. .

Beispielsweise: nie bloßer 2lrm —
Höchstens auf Ball zu erblicken —

Anblick, der Männerherz jrade macht warm!
Un so in anderen StückenI

Irillich jewescn dann und wann ..
Netten Käfer jetroffen: —

Ileich wie erlöst aus stnstern Bann,

Welt wieder hell und offen!

Sind auch an Unsereins attachirt,
Kleinen, niedlichen Kröten!

Mir janz verfluchte Geschichten passirt —
2lber — nich fair, d'rüber reden!

Ja so!

Die Debatte über das Fleischbeschau-
gesetz fand neulich im Reichstag zur allge-
meinen Verwunderung ein gut besetztes
Haus. Wie es sich nun herausstellt, hatte
dies seinen Grund darin, daß viele Abgeord-
nete und Tnbünenbesucher der irrthümlichen
Meinung gewesen waren, es handle sich um
die — lex Heinze!

. Gim Zuschrift

Sonnenburg, d. 10. März 1900
Jsolirflügel mit 1 X Fleesch de Woche.
Nr. Hl.

Die jeehrte Redaxion theile ick hierdurch
mit, det Se bet jarnischt anjeht. Reemlich mit
meen Jesetz. Un wat verstehn Se denn da-
von? Ick muß et doch wissen. Ick habe nu
jefellichst ieber de Helste von de fufzehn Jäh-
reken hier ehrlich runterjerissen un da kennen
Se mich jehorsamst een janz andret Urtheil
ieber die Sache zutraun als Se vielleecht mit
ihre paar Monat Preßverjehn. Det is keene
Sache nich. Ich mechte det noch mal jietichst
bevierworten, det meen Jesetz mit alle Schie-
kanen anjenonnnen wird. Et is vor eenen
Menschen, der sich so ville Miehe jejeben hat
wie unsereens, ne jewissermass.ne Jennchthil-
n:rg, det man alle Kollejen hier ieber de Axel
ausehn kann. De Leite haben jetzt erst vor
nach de neethiche Hochachtung, die ich mich bei
Sie ooch ausbitten mechte.

Mit alle Achtung

HUx I)enize
Zuhälter

Der C h a r e u t i e v

Einer, dcr unter der lsx Heinze wohl am meisten zu leiden hätte, da er fort-
gesetzt in den Leuten „fleischliche Gelüste" erweckt.

2)2
Index
[nicht signierter Beitrag]: Ja so!
Hanns (Hans): Die lex Heinze-Debatte im Reichstag
Monogrammist Frosch: Liebeswerben - ein Schäferspiel
Adolf Ritter v. Hildebrand: Nachträgliche Stimme zur lex Heinze
Max Hagen: Der Charcutier
Leutnant v. Versewitz: Aus dem lyrischen Tagebuch des Leutnants von Versewitz
[nicht signierter Beitrag]: Eine Zuschrift
 
Annotationen