Nr. 14
JUGEND
1900
Neuausgestelltes im „Kunstsalon Roeren“
Venus von Capua
Lex Deinze
Ich bin einmal in ein Lokal gerathen,
Ich weiß nicht, wie, — doch war es in Berlin,
Nach einer Weile roch ich schon den Braten
Und horchte gramvoll nach der Bühne hin.
Schön war, doch frech und witzlos die Chanteuse —
Zwar schien ihr Leib von Venus selbst geweiht,
Doch sang sie: „Heinerich, sei mir nicht böse!"
Mit einem Ton, den sonst die Gans nur schreit!
Schon fand ich mich zu schneller Flucht gerüstet,
Als just mein Blick auf einen Nachbar fallt.
Der seinProgramm verschämt halb, halb entrüstet,
Statt vor die Ohren, vor sein Antlitz hält.
Zwar schielt er wohl durch ganz geheime Spalten
Nach jener Glieder sanft bewegtem Takt —
Doch murmelt er: Das Lied wäU auszuhalten,
Jedoch dies Weib! Sie ist so gut wie nackt!
Apoll vom Belvedere
Capitolinische Venus
Sterbender Gallier
Er war nicht mehr im Blüthenstand der Jahre,
Manche Lustrum schon lag seine Wieg' zurück,
Ein wenig spärlich wuchsen schon die Haare;
Nach einem Schutzmann fleht verschämt sein Blick!
Und wie sie tanzt und jodelt nun zum Schlüsse,
Hält er die Augen, ich die Ohren zu:
O Freund, auch mich stört manches im' Genüsse,
Jedoch mein Schamgefühl erregst nur Du!
Ich schäme mich vor des Apollo Büste,
Die von dem Pfeiler grade auf mich sieht;
Als ob er's im Olymp verrathen müßte,
Welche öder Geist das deutsche Land durchzieht.
So daß mit uuerschöpflichem Gelächter,
Erschütternd rings des hohen Berges' Wand,
Der alten Griechen selige Geschlechter
Herniederschauen auf der Denker Land!
Sie, die dereinst vom jauchzenden Theater
Zujubelten der nackten Ringer Spiel,
Zeus' Volk, dem neben seinem strengen Vater
Venus Kallipygos gefiel. —
Das Volk, das einst in's Schlafgemach der Frauen
Der Götter nackte Statuen gesandt,
Auf daß des Himmels Schönheit mög' bethauen
Das werdende Geschlecht von Griechenland.
Ja, Griechenland ist lang in Staub zerfallen!
Die kreischende Chanteuse mahnt mich laut,
Und auch der Kerl, der dort nach ihrem prallen
Gewände hinter seinem Zettel schaut.
Zweitausend Jahre schleppet Kronos müde,
Es wächst die Last in immer gleichem Schwung —
Das Lied ist aus. Wir holen unsere Hüte-
O Deutschland! Wirst du jemals wieder jung?
frxti Salzer
24-3
Jugendlicher Dionys
Amor und Psyche
Poltzewerbot
Cs hat rin Präsident der hohen Polizei
Befunden, daß mein Stärk von Grund un-
sittlich fei —
And so verbot er's denn. —- Gleicht er nicht
jener Fratze,
Die in den Spiegel schlug — erbost ob ihrer
Glatze?
Gtto Erich Lartleben
Freiheit — die man meinet
„Wie kann man sich so haben!?
Die wahre Kunst bleibt frei!"
So sprecht Ihr schwarzen Raben,
Doch weint Ihr — vogelfrei! v. j,.
JUGEND
1900
Neuausgestelltes im „Kunstsalon Roeren“
Venus von Capua
Lex Deinze
Ich bin einmal in ein Lokal gerathen,
Ich weiß nicht, wie, — doch war es in Berlin,
Nach einer Weile roch ich schon den Braten
Und horchte gramvoll nach der Bühne hin.
Schön war, doch frech und witzlos die Chanteuse —
Zwar schien ihr Leib von Venus selbst geweiht,
Doch sang sie: „Heinerich, sei mir nicht böse!"
Mit einem Ton, den sonst die Gans nur schreit!
Schon fand ich mich zu schneller Flucht gerüstet,
Als just mein Blick auf einen Nachbar fallt.
Der seinProgramm verschämt halb, halb entrüstet,
Statt vor die Ohren, vor sein Antlitz hält.
Zwar schielt er wohl durch ganz geheime Spalten
Nach jener Glieder sanft bewegtem Takt —
Doch murmelt er: Das Lied wäU auszuhalten,
Jedoch dies Weib! Sie ist so gut wie nackt!
Apoll vom Belvedere
Capitolinische Venus
Sterbender Gallier
Er war nicht mehr im Blüthenstand der Jahre,
Manche Lustrum schon lag seine Wieg' zurück,
Ein wenig spärlich wuchsen schon die Haare;
Nach einem Schutzmann fleht verschämt sein Blick!
Und wie sie tanzt und jodelt nun zum Schlüsse,
Hält er die Augen, ich die Ohren zu:
O Freund, auch mich stört manches im' Genüsse,
Jedoch mein Schamgefühl erregst nur Du!
Ich schäme mich vor des Apollo Büste,
Die von dem Pfeiler grade auf mich sieht;
Als ob er's im Olymp verrathen müßte,
Welche öder Geist das deutsche Land durchzieht.
So daß mit uuerschöpflichem Gelächter,
Erschütternd rings des hohen Berges' Wand,
Der alten Griechen selige Geschlechter
Herniederschauen auf der Denker Land!
Sie, die dereinst vom jauchzenden Theater
Zujubelten der nackten Ringer Spiel,
Zeus' Volk, dem neben seinem strengen Vater
Venus Kallipygos gefiel. —
Das Volk, das einst in's Schlafgemach der Frauen
Der Götter nackte Statuen gesandt,
Auf daß des Himmels Schönheit mög' bethauen
Das werdende Geschlecht von Griechenland.
Ja, Griechenland ist lang in Staub zerfallen!
Die kreischende Chanteuse mahnt mich laut,
Und auch der Kerl, der dort nach ihrem prallen
Gewände hinter seinem Zettel schaut.
Zweitausend Jahre schleppet Kronos müde,
Es wächst die Last in immer gleichem Schwung —
Das Lied ist aus. Wir holen unsere Hüte-
O Deutschland! Wirst du jemals wieder jung?
frxti Salzer
24-3
Jugendlicher Dionys
Amor und Psyche
Poltzewerbot
Cs hat rin Präsident der hohen Polizei
Befunden, daß mein Stärk von Grund un-
sittlich fei —
And so verbot er's denn. —- Gleicht er nicht
jener Fratze,
Die in den Spiegel schlug — erbost ob ihrer
Glatze?
Gtto Erich Lartleben
Freiheit — die man meinet
„Wie kann man sich so haben!?
Die wahre Kunst bleibt frei!"
So sprecht Ihr schwarzen Raben,
Doch weint Ihr — vogelfrei! v. j,.