1900
JUGEND
Nr. 15
Da durcheiste es i£)u; er be-
griff, das; es gerade in den Berg
hineinführte.
Und hinaus stürzte er.
Die Ankerleine schnitt er mit
dem Messer ab und den Ring ritz
er vom Finger unb warf ihn
hinter sich. Fort ruderte er, so
daß der Schaum um den Steven
stand.
Als er zum Weihnachtsgeschäft
und dem lebhaften Treiben kam,
hatte er ein Gefühl, als wäre er
aus einem tiefen, betäubenden
Schlaf mit bösen Träumen aus-
gemacht.
Ihm war so leicht zu Sinn.
Das Plaudern mit den Kunden
ging lustig über den Ladentisch,
so das; wieder das alte Sieben und
Treiben begann.
Aber die Tochter des Kauf-
mauns steckte mehr als einmal der
Kopf in den Laden hinein. Sie
sah ihn so scheu und verwundert
an und lächelte. Und noch nie-
mals hatte er bemerkt, welche Au-
muth über ihr ruhte, oder gesehen,
wie hold und licht sie war, und
wie fein und zierlich sie da in der
Thüre stand.
Aber seitdem die Tochter des
Kaufmanus ihn so seltsam ange-
sehen hatte, fiel es ihm nicht ein,
au Anderes, als sie, zu denken,
welch' eigentümliche Kopfhaltung
sie halte, wie gerade sie ging, und
die blauen Augen, die so lebhaft
und beweglich waren, daß sie vor
Vergnügen gleichsam Sterne aus-
sprühten.
Nachts lag er aber und dachte,
er hätte eine schwere und böse
Sünde begangen, da er sich mit
einer solchen Unholdin eingelassen.
Und er war froh, daß er den Ring
fortgeworfen hatte.
Aber am Weihnachtsabend,
als der Laden geschlossen wurde,
und die Hausleute und Diener
sich zum Feste in der Stube und
der Küche rüsteten, nahm der Kauf-
mann ihn in's Contor hinein.
Wenn ihm seine Tochter ge-
fiele, so stünde einer Heirath
nichts im Wege. Er solle sich
Muth fassen und um sie freien,
denn er hätte wohl gemerkt, daß
sie sich aus Liebe zu ihm krank
Rus der Hanö fliegen sausend iin Bogen — die Wrner, H, Rossmann
sorglich erlesen, — glatt und prall und glänzend in
rleimkraft. — Stillbedächtig, — wie in verhaltener Lust, — empfängt sie die Lrde..
(M. Q. Conrad.)
sehne. Er selbst wäre alt und
wollte das Geschäft gern übergeben.
Und wer um sie freite und
ihr Jawort erhielt, ehe noch das
Weihnachtsmahl auf den Tisch
kam, das war der hübsche Hand-
lungsgehilfe.
Daun vergingen ihnen die
Jahre in Glück und Wohlbehagen
sowohl im Haus, wie im Geschäft.
Sie bekamen hübsche und nette
Kinder; er war in seine Frau ver-
liebt und nichts war gut genug
für sie. Man mußte freundlich
gegen sie sein, und sie nrußte hoch
geehrt werden, ob sie nun zu Hause
oder draußen waren.
Als es aber im siebenten Jahr
gegen Weihnachten ging, überkam
ihn eine plötzliche Unruhe. Er-
ging allein für sich umher und
fand nirgends Frieden.
Die Frau ängstigte sich und
sorgte sich um ihn. Sie wußte
nicht, was das sein könnte, sie
fand, er wiche ihr so seltsam aus.
Er stand in dem dunklen Spei-
cherraum und ging und wunderte
umher, ganze Stunden, zwischen
Kisten und Tonnen und Säcken
und Fässern, und es hatte den An-
schein, als ob es ihm nicht ge-
fiel, wenn die Leute dorthin kamen.
Da geschah es den Tag vor
Klein - Weihnachten *), daß einer
derArbeiter dort etwas holen sollte.
Da stand der junge Kaufmann
in Gedanken versunken vor einem
Mehlsack und starrte vor sich hin.
„Siehst Du den Eisenring da
im Boden?" fragte er.
Aber der Mann sah keinen Ring.
„Ich sehe ihn aber, — die Erde
zieht," seufzte er schwermüthig.
Anr Klein-Weihnachtstage war
er nirgends zu finden. Und auch
nicht nur Morgen darauf, wie sehr
sie auch nach ihm suchten mitten
in der Eile der Festvorbereilungen
und sich überall nach ihm erkun-
digten.
Aber anr Weihnachtsabend, als
sie sich in der größten Aufregrnrg
befanden und nicht wußten, ob
sie den Tisch decken sollten, kam er
plötzlich zur Thüre herein.
*) Der Tag vor dem Heiligen Abend.
JUGEND
Nr. 15
Da durcheiste es i£)u; er be-
griff, das; es gerade in den Berg
hineinführte.
Und hinaus stürzte er.
Die Ankerleine schnitt er mit
dem Messer ab und den Ring ritz
er vom Finger unb warf ihn
hinter sich. Fort ruderte er, so
daß der Schaum um den Steven
stand.
Als er zum Weihnachtsgeschäft
und dem lebhaften Treiben kam,
hatte er ein Gefühl, als wäre er
aus einem tiefen, betäubenden
Schlaf mit bösen Träumen aus-
gemacht.
Ihm war so leicht zu Sinn.
Das Plaudern mit den Kunden
ging lustig über den Ladentisch,
so das; wieder das alte Sieben und
Treiben begann.
Aber die Tochter des Kauf-
mauns steckte mehr als einmal der
Kopf in den Laden hinein. Sie
sah ihn so scheu und verwundert
an und lächelte. Und noch nie-
mals hatte er bemerkt, welche Au-
muth über ihr ruhte, oder gesehen,
wie hold und licht sie war, und
wie fein und zierlich sie da in der
Thüre stand.
Aber seitdem die Tochter des
Kaufmanus ihn so seltsam ange-
sehen hatte, fiel es ihm nicht ein,
au Anderes, als sie, zu denken,
welch' eigentümliche Kopfhaltung
sie halte, wie gerade sie ging, und
die blauen Augen, die so lebhaft
und beweglich waren, daß sie vor
Vergnügen gleichsam Sterne aus-
sprühten.
Nachts lag er aber und dachte,
er hätte eine schwere und böse
Sünde begangen, da er sich mit
einer solchen Unholdin eingelassen.
Und er war froh, daß er den Ring
fortgeworfen hatte.
Aber am Weihnachtsabend,
als der Laden geschlossen wurde,
und die Hausleute und Diener
sich zum Feste in der Stube und
der Küche rüsteten, nahm der Kauf-
mann ihn in's Contor hinein.
Wenn ihm seine Tochter ge-
fiele, so stünde einer Heirath
nichts im Wege. Er solle sich
Muth fassen und um sie freien,
denn er hätte wohl gemerkt, daß
sie sich aus Liebe zu ihm krank
Rus der Hanö fliegen sausend iin Bogen — die Wrner, H, Rossmann
sorglich erlesen, — glatt und prall und glänzend in
rleimkraft. — Stillbedächtig, — wie in verhaltener Lust, — empfängt sie die Lrde..
(M. Q. Conrad.)
sehne. Er selbst wäre alt und
wollte das Geschäft gern übergeben.
Und wer um sie freite und
ihr Jawort erhielt, ehe noch das
Weihnachtsmahl auf den Tisch
kam, das war der hübsche Hand-
lungsgehilfe.
Daun vergingen ihnen die
Jahre in Glück und Wohlbehagen
sowohl im Haus, wie im Geschäft.
Sie bekamen hübsche und nette
Kinder; er war in seine Frau ver-
liebt und nichts war gut genug
für sie. Man mußte freundlich
gegen sie sein, und sie nrußte hoch
geehrt werden, ob sie nun zu Hause
oder draußen waren.
Als es aber im siebenten Jahr
gegen Weihnachten ging, überkam
ihn eine plötzliche Unruhe. Er-
ging allein für sich umher und
fand nirgends Frieden.
Die Frau ängstigte sich und
sorgte sich um ihn. Sie wußte
nicht, was das sein könnte, sie
fand, er wiche ihr so seltsam aus.
Er stand in dem dunklen Spei-
cherraum und ging und wunderte
umher, ganze Stunden, zwischen
Kisten und Tonnen und Säcken
und Fässern, und es hatte den An-
schein, als ob es ihm nicht ge-
fiel, wenn die Leute dorthin kamen.
Da geschah es den Tag vor
Klein - Weihnachten *), daß einer
derArbeiter dort etwas holen sollte.
Da stand der junge Kaufmann
in Gedanken versunken vor einem
Mehlsack und starrte vor sich hin.
„Siehst Du den Eisenring da
im Boden?" fragte er.
Aber der Mann sah keinen Ring.
„Ich sehe ihn aber, — die Erde
zieht," seufzte er schwermüthig.
Anr Klein-Weihnachtstage war
er nirgends zu finden. Und auch
nicht nur Morgen darauf, wie sehr
sie auch nach ihm suchten mitten
in der Eile der Festvorbereilungen
und sich überall nach ihm erkun-
digten.
Aber anr Weihnachtsabend, als
sie sich in der größten Aufregrnrg
befanden und nicht wußten, ob
sie den Tisch decken sollten, kam er
plötzlich zur Thüre herein.
*) Der Tag vor dem Heiligen Abend.