Nr. 15
. JUGEND .
i900
Hus dem Scbacbterl — aus dem 6i
Er wäre hungrig und durstig, sagte er, und
war so froh und munter und scherzhaft den gan-
zen Abend, daß Alle die Angst vergaßen, in
der sie geschwebt hatten.
Im ganzen darauf folgenden Jahr war er
gesprächig und umgänglich, wie früher, und
ganz 1Hbricht verliebt in seine Frau. Er trug
sie gleichsam auf Händen und wußte nicht, was
er ihr Alles zu Liebe thun sollte.
Aber als wieder die schlimmste Dunkelzeit
um Weihnachten hereinbrach, überkam ihn aber-
mals die alte Unruhe.
Man sah nur hie und da seinen Schatten,
und er wanderte im Speicherraum umher und
hielt sich dort Stunden lang auf.
Am Klein-Weihnachtstage ging es wie voriges
Mal: er verschwand.
Die Frau und die Hausleute gingen ganz
bestürzt umher und ängstigten und wunderten
sich.
Und wieder trat er am Weihnachtsabend
plötzlich in die Stube hinein und war lustig
und froh, wie es sonst sein Brauch war.
Als aber die Lichter herabgebrannt und
alle zu Bett gegangen waren, konnte die Frau
nicht länger schweigen. Sie weinte und bat ihn,
ihr zu sagen, wo er gewesen.
Da stieß er sie rauh von sich, und seine Augen
funkelten, so daß sie ganz entsetzt war. Er flehte
sie um ihres Glückes willen an, niemals mehr
solche Fragen zu stellen.
Die Zeit verging. Und jedes Jahr ereignete
sich dasselbe.
Wenn die Tage dunkel wurden, wan-
derte er schwermüthig und still für sich
allein und hielt sich gleichsam verborgen
vor den Leuten. Am Klein-Weihnachts-
tage verschwand er, ohne daß jemand sah,
daß er fortfuhr. Und am Weihnachts-
abend, gerade wenn sie den Tisch decker
wollten, kam er plötzlich zur Thüre herein,
war freundlich zu Allen und vergnügt.
Aber mit jedem Herbst überkam ihn
um die Dunkelzeit die Unruhe immer
früher, und er ging dann immer stiller
und menschenscheuer umher.
Die Frau fragte ihn niemals mehr.
Aber es lag wie ein Leid über ihr, und
sie fand, die Zeit, da sie ihn nicht ver-
stand und er gleichsam ihr nicht angehörte,
wurde immer schwerer und düsterer.-
Wieder nahte Weihnachten heran. Er
ging so traurig und gebeugt umher.
Und am Tage vor Klein-Weihnachten
nahm er seineFrau mit sich in den Speicher-
raum hinein.
„Siehst Du etwas da am Mehlsack?" fragte er.
Aber sie sah nichts.
Da ergriff er ihre Hand und bat sie und
beschwor sie, sie möchte mit ihm hier die Nachl
verbringen. Er wollte für sein Leben gern ver-
suchen, daheim zu bleiben, sagte er.
Während der Nacht drückte er mehrmals
stark ihre Hand und seufzte und stöhnte. Sie
fühlte, er hielt sich an ihr und kämpfte furchtbar
und aus allen Kräften gegen etwas an.
Als der Morgen kam, war es vorüber. Er
fühlte sich so leicht und froh, wie sie ihn lange
nicht gesehen hatte.
Und diesmal blieb er zu Hause.
Am Weihnachtsabend aber wurde aus dem
Speicher und Keller aufgetragen, und Lichter
angesteckt, so daß die Fenster strahlten.
Das wäre das erste richtige Weihnachtsfest,
das er in seinem eigenen Hause erlebt hätte,
sagte er, und sollte daher feierlich begangen
werden.
Als aber die Hausleute einer nach dem andern
hineinkamen, um mit dem Hausherrn und der
Hausfrau zu trinken, lvie es Brauch war, wurde
er bleicher und bleicher und weißer und weißer,
als wenn das Blut entwiche und ihm ausgesaugt
würde.
„Die Erde zieht!" schrie er, und seine Augen
starrten voll Entsetzen.
Gleich daraus saß er tobt da.
(Deutsch von E. Brause Wetter.)
Aus dem Gchachterl — aus dem Ei
(Zur Zeichnung von A. Schmidhammer)
Aus dem Schachterl, aus dem Ei
Schlüpfen jung und lieblich zwei,
Sie sieht ihn und er sieht sie,
Schön'res sahen Beide nie.
Sie ist schüchtern, er ist kühn,
Er grüßt sie und sie grüßt ihn,
Er fallt vor ihr auf die 2\mc,
Sie liebt ihn und er liebt sie,
Sie erhebt ihn von den Rnic'n,
Er küßt sie und sie küßt ihn;
Ach, es ist das alte Spiel,
Doch es wird uns nie zu viel,
Ob wir alt sind oder neu
Aus dem Schachterl, aus dem Ei.
Rory Towska
Der Sgoist
Ich 6m ich — soviek ist ftfar;
aEffes -Andre kkeibt öetrügkich.
Mchts erscheint mir echt und wahr,
-Auster was auf mich bezüglich.
Du bist Du, behaupt' es nur;
Doch Du Kannst mir's nicht beweisen.
Sine bkoße Sonjectur
(Kringt mich nicht aus meinen Steifen.
Ich bin ich, doch Du nicht Du-
Deine Seufzer, Deine Thränen
Schreib' ich ganz ausschkiestkich zr
Meines Hirnes Phänomenen.
(Nur damit mein Ich sie schmaust,
Ist die süste Mekt entstanden;
Sh' Du mir den Nopf abhaust,
Skaub' ich nicht, daß Du vorhanden.
Ludwig Luldo
„Es"
Ein junges Ehepaar befindet sich
in Gesellschaft mehrerer Herren auf
einer Eisenbahnfahrt. Nachdem sie aus
einem der längsten Tunnels der Gott-
hardtbahn an's Tageslicht kommen,
wendet sich die Dame an ihren Gatten:
„Robert, es hat geküßt, warst Du's?"
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Hus dem Scbacbterl — aus dem 6i
Er wäre hungrig und durstig, sagte er, und
war so froh und munter und scherzhaft den gan-
zen Abend, daß Alle die Angst vergaßen, in
der sie geschwebt hatten.
Im ganzen darauf folgenden Jahr war er
gesprächig und umgänglich, wie früher, und
ganz 1Hbricht verliebt in seine Frau. Er trug
sie gleichsam auf Händen und wußte nicht, was
er ihr Alles zu Liebe thun sollte.
Aber als wieder die schlimmste Dunkelzeit
um Weihnachten hereinbrach, überkam ihn aber-
mals die alte Unruhe.
Man sah nur hie und da seinen Schatten,
und er wanderte im Speicherraum umher und
hielt sich dort Stunden lang auf.
Am Klein-Weihnachtstage ging es wie voriges
Mal: er verschwand.
Die Frau und die Hausleute gingen ganz
bestürzt umher und ängstigten und wunderten
sich.
Und wieder trat er am Weihnachtsabend
plötzlich in die Stube hinein und war lustig
und froh, wie es sonst sein Brauch war.
Als aber die Lichter herabgebrannt und
alle zu Bett gegangen waren, konnte die Frau
nicht länger schweigen. Sie weinte und bat ihn,
ihr zu sagen, wo er gewesen.
Da stieß er sie rauh von sich, und seine Augen
funkelten, so daß sie ganz entsetzt war. Er flehte
sie um ihres Glückes willen an, niemals mehr
solche Fragen zu stellen.
Die Zeit verging. Und jedes Jahr ereignete
sich dasselbe.
Wenn die Tage dunkel wurden, wan-
derte er schwermüthig und still für sich
allein und hielt sich gleichsam verborgen
vor den Leuten. Am Klein-Weihnachts-
tage verschwand er, ohne daß jemand sah,
daß er fortfuhr. Und am Weihnachts-
abend, gerade wenn sie den Tisch decker
wollten, kam er plötzlich zur Thüre herein,
war freundlich zu Allen und vergnügt.
Aber mit jedem Herbst überkam ihn
um die Dunkelzeit die Unruhe immer
früher, und er ging dann immer stiller
und menschenscheuer umher.
Die Frau fragte ihn niemals mehr.
Aber es lag wie ein Leid über ihr, und
sie fand, die Zeit, da sie ihn nicht ver-
stand und er gleichsam ihr nicht angehörte,
wurde immer schwerer und düsterer.-
Wieder nahte Weihnachten heran. Er
ging so traurig und gebeugt umher.
Und am Tage vor Klein-Weihnachten
nahm er seineFrau mit sich in den Speicher-
raum hinein.
„Siehst Du etwas da am Mehlsack?" fragte er.
Aber sie sah nichts.
Da ergriff er ihre Hand und bat sie und
beschwor sie, sie möchte mit ihm hier die Nachl
verbringen. Er wollte für sein Leben gern ver-
suchen, daheim zu bleiben, sagte er.
Während der Nacht drückte er mehrmals
stark ihre Hand und seufzte und stöhnte. Sie
fühlte, er hielt sich an ihr und kämpfte furchtbar
und aus allen Kräften gegen etwas an.
Als der Morgen kam, war es vorüber. Er
fühlte sich so leicht und froh, wie sie ihn lange
nicht gesehen hatte.
Und diesmal blieb er zu Hause.
Am Weihnachtsabend aber wurde aus dem
Speicher und Keller aufgetragen, und Lichter
angesteckt, so daß die Fenster strahlten.
Das wäre das erste richtige Weihnachtsfest,
das er in seinem eigenen Hause erlebt hätte,
sagte er, und sollte daher feierlich begangen
werden.
Als aber die Hausleute einer nach dem andern
hineinkamen, um mit dem Hausherrn und der
Hausfrau zu trinken, lvie es Brauch war, wurde
er bleicher und bleicher und weißer und weißer,
als wenn das Blut entwiche und ihm ausgesaugt
würde.
„Die Erde zieht!" schrie er, und seine Augen
starrten voll Entsetzen.
Gleich daraus saß er tobt da.
(Deutsch von E. Brause Wetter.)
Aus dem Gchachterl — aus dem Ei
(Zur Zeichnung von A. Schmidhammer)
Aus dem Schachterl, aus dem Ei
Schlüpfen jung und lieblich zwei,
Sie sieht ihn und er sieht sie,
Schön'res sahen Beide nie.
Sie ist schüchtern, er ist kühn,
Er grüßt sie und sie grüßt ihn,
Er fallt vor ihr auf die 2\mc,
Sie liebt ihn und er liebt sie,
Sie erhebt ihn von den Rnic'n,
Er küßt sie und sie küßt ihn;
Ach, es ist das alte Spiel,
Doch es wird uns nie zu viel,
Ob wir alt sind oder neu
Aus dem Schachterl, aus dem Ei.
Rory Towska
Der Sgoist
Ich 6m ich — soviek ist ftfar;
aEffes -Andre kkeibt öetrügkich.
Mchts erscheint mir echt und wahr,
-Auster was auf mich bezüglich.
Du bist Du, behaupt' es nur;
Doch Du Kannst mir's nicht beweisen.
Sine bkoße Sonjectur
(Kringt mich nicht aus meinen Steifen.
Ich bin ich, doch Du nicht Du-
Deine Seufzer, Deine Thränen
Schreib' ich ganz ausschkiestkich zr
Meines Hirnes Phänomenen.
(Nur damit mein Ich sie schmaust,
Ist die süste Mekt entstanden;
Sh' Du mir den Nopf abhaust,
Skaub' ich nicht, daß Du vorhanden.
Ludwig Luldo
„Es"
Ein junges Ehepaar befindet sich
in Gesellschaft mehrerer Herren auf
einer Eisenbahnfahrt. Nachdem sie aus
einem der längsten Tunnels der Gott-
hardtbahn an's Tageslicht kommen,
wendet sich die Dame an ihren Gatten:
„Robert, es hat geküßt, warst Du's?"
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