Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext


Nr. 15

r ■ ' \ ■

. JUGEND




a

Der scköne flßenscb

wird von jetzt ab an den deutschen Aka-
demien in zeitgemäßer Weise, nicht
mehr an der Antike, stndirt werden.

Unter der lex Heinze

Schauplatz: Das Bureau des Theaterdirektors.
An den Wänden sieht man außer dem Bilde des
Landesherrn und ein paar Städteansichten die
Abbildung der Grotte von Lourdes und Plock-
horsts „Schutzengel'.

Der The ater dir ektor. Zu ihm der
Regisseur.

Direktor (dem letzteren entgegen):

O rathen 5te mir, .-freund! Es ist zu toll! —
Der fremde Tenorist, der singen soll
Am Sonntag, hat mir abgesagt soeben;
was, meinen Sie, kann ich nun Sonntag geben ?
Regisseur:

6m — ja — wiewär's, man gäbe die,Walküre?'
Direktor:

Herrgott! wenn das die Polizei erführe!
Denkt der Geschwistereh' im ersten Akt!

Das kann nicht sein!

Regisseur:

Ja richtig — wie vertrackt!
Nun denn: ,Tannhäuser?'

Direktor:

Außer'm Pilgerchor
Kommt doch darin der venusberg auch vor;
Geht nicht!

Regisseur:

Dann ,Tristan?'

Direktor:

Ei, das wär' noch schlimmer!
Regiss eur:

,Eavalleria?'

Direktor:

Mit dem Frauenzimmer,
Mit derSantuzza?! —'s ist doch zum Erbarmen!
Auch das unmöglich!

Regisseur:

Und desgleichen ,Earmen.' —
Auf Gpern heißt es wohl verzichten gänzlich,
Moderne Stücke — na, die sind erst brenzlich!
Mit der Tragödie blüht vielleicht uns Glück:
wir wählen von den Klassikern ein Stück.


.9'

„V’


-/q*:

Max Kleiter (Tutzing)
Direktor:

Ganz gut. — Zum Beispiel denn: wie wär's

mit , Faust?'

Regisseur:

Nein, da kommt gleich der Schutzmann angesaust;
Am Gretchen läßt uns die Een'sur kein Härchen.
Direktor:

wahrhaftig! Und im ,Egmont' ist das Klärchen!
Nun dann vielleicht ist Schiller doch gefahrlos —
was meinen Sie: wir geben den ,Don Earlos?'

R e g i s s eur:

So — und die Eboli?

Direktor:

Ach, ich vergaß!!

Selbst Schiller unrein — das geht über'n Spaß!
wie, wenn wir ,Romeo und Julie' nähmen?

Regisseur:

Da würde!: sich die höh'ren Töchter schämen.
Der gleiche Fall!

Direktor (wüthend):

(D welch' ein Schandgelichter!
Stets handeln sie von Liebe, diese Dichter,
Und wähnen dann, daß sie entschuldigt wären,
wenn sie's durch Schönheit und durch Kunst

verklären. —

was fangen wir nun an? — 's ist ein Gefrett!

264

1900

Regisseur (erschöpft):

So bleibt uns schließlich nichts als das Ballet!
Direktor:

was, ein Ballet? Sind Sie gehirnerweicht?
Ist da denn die Bekleidung nicht zu leicht? —
Reg isseur:

Kein üppiges Reigenschlingen — Gott behüt'!
Nur so ein bischen Tänzeln für's Gemüth,
Um Spaß zu machen groß' und kleinen Kindern
Und nebenbei am Denken sie zu hindern.
Schlimm ist das Hirn, doch arglos ist die Zeh'.
Direktor:

So bleibt's dabei: ich geb' die Puxpenfee!
(Beide triumphirend ab).

Aus Oesterreich

von Bohernund
Bst!

Bst, Bst!

Bei verschlossenen Thüren,

Völlig entrückt

Lauschenden Ohren und spähenden Blicken,
Sitzt sie da,

Die Verständigungskonferenz
Der deutschen und tschechischen Volks-
vertreter.

Bst!

Bst, Bst!

Allerstrengste Verschwiegenheit
Gelobt sie sich ehrenwörtlich,

Aber trotz alledem
Steht schon am nächsten Tag,

Daß im Ganzen nichts los gewesen,
wahrheitsgetreu in den Zeitungsblättern.

plötzlich gebar mit Ach und Rrach
Unter dem Siegel strengster Verschwiegenheit
Die Verständigungskonferenz
Zwei Subcomites
Und ging auseinander...

Hcissa!

Lachend lockt uns der liebliche Lenz.
Abseits aber mit arg gerunzelter Stirn
Steht ein bekümmerter Mann.
Lachend fragt ihn der lockende Lenz:
Liebster, was fehlt Dir?

Da seufzt der Mann:

Laß mich!

Ich bin

Verständigungskonferenz-Subcomite-

Obmann-Stellvertreter!

Der neue Mltarch

Zu der Zeit, da Papst Pius IX. nt Nom
protestirte, that auch ein bekannter Sittlichkeits-
apostel, von seinen Freunden großer Herzens-
reinheit halber der „keusche Josef" genannt, mit
seiner jungen Frau eine Fahrt zur ewigen Stadt.

Er hatte das Glück, den heiligen Vater
sprechen zu dürfen.

„Wie viele Kinder hast du, mein Sohn?
frug unter anderem das Oberhaupt der Kirche.

„Ich lebe in Josefsehe mit meiner Frau",
stammelte der Gefragte, roth vor Stolz und
Scham. , .

Da Hub der kluge Vater der Christenheit
lächelnd einen Finger und sprach leutselig das
berühmte historische Wort: „Aon possu
mus, mein Sohn!"
Index
Bohemund: Aus Österreich
[nicht signierter Beitrag]: Unter der Lex Heinze
Max Kleiter: Der schöne Mensch
Arpad Schmidhammer: Illustration zum Text "Der neue Plutarch"
Plutarch [Pseud.]: Der neue Plutarch
 
Annotationen