Nr. 18
JUGEND
1900
Cercleux: Vermeiden
doch Hoheit so lebhafte Aus-
drücke. Es kann doch der Fall
eintreten, daß Sie die junge
Person mit dem vollen Beutel
leidenschaftlich lieben. Leiden-
schaft und Liebe reinigen
alles.
Alexandre: Und im
entgegengesetzten Fall?
Cercleux: Dahin wollte
ich eben kommen. Wenn die
Person häßlich und unange- Dlez
nehm sein sollte, nun dann
ist es doch nur natürlich und
gerecht, daß Sic für Ihr Opfer durch ein großes
Vermögen entschädigt werden.
Alexandre: Das scheint mir allerdings
richtig.
Cercleux: Ich sehe, Hoheit kommen all-
mählich dahinter. Ich sprach eben davon, daß
man die Anzupumpenden bei den Gefühlen
nehmen müßte, —bei der Eitelkeit hauptsächlich.
Man pumpe immer Geringere an, als man
selber ist. Selbstverständlich nicht Geringere an
Vermögen, sondern nur an Rang, Geburt und
Erziehung. So kam es vor, daß hohe Fürstlich-
keiten, Erbprinzen und Herzoge einfache Barone
anpumpten, dienicht einmal zu ihrer Consession ge-
hörten. Allerdings entschädigten sich diese damit,
daß sie nüt ihren hohen fürstlichen Pumpern ver-
traulich Arm in Arm über die Straße gingen
oder dieselben zu großen Diners einluden, deren
unverschämter Luxus alle etwaigen Skrupel des
hohen Schuldners für immer beseitigte und die
Last der Dankbarkeit merklich erleichterte.
Alexandre: Ich könnte mit Niemandem,
dem ich unter solchen Umständen Geld schuldete,
an einem Tisch sitzen, ohne daß man meine
Verlegenheit mir ansähe. .
Cer cleux: Wie unrecht, Hoheit! Die höchste
Unverfrorenheit ist nöthig. Man darf etwa nie
die Leute fliehen, noch denen aus dem Wege
gehen, denen man Geld schuldig ist. Wenn Sie
Ihren Gläubiger von Weitem kommen sehen,
biegen Sie ihm nicht etwa auf die andere Seile
der Straße aus,, sondern gehen Sie ihm iiu
Gegentheil mit ausgestreckter Hand entgegen.
Alexandre: Schon wieder? ,
Cercleux (lächelnd): Ja, schon wieder. —
Lachen und scherzen Sic mit ihm, schließen Sie
sich ihm an, begleiten Sie ihn in's Theater, in
ein Restaurant; wenn seine Frau nicht ge-
radezu abstoßend ist, machen Sie ihr die
Cour, so kommen Sie in die Intimität des
Mannes, legen Beschlag auf ihn und ver-
hindern die Annäherung störender Schma-
rotzer und gefährlicher Nebenbuhler. Ein
regelrechter, eleganter Pumper muß das
Feld allein beherrschen. Pump-Associa-
tionen haben, trotz wiederholter Versuche,
immer fehlgeschlagen.
Alexandre: Man darf also nur auf
sich allein zählen?
Cercleux: Zu Befehl, Jack theRiper,
der berühmte Bauchaufschneider, war auch
immer allein.
Alexandre (fröstelnd): Brrrr —
Cercleux: Hoheit frieren?
Alexandre: Mir läuft es nur kalt über
den Rücken.
Cercleux: Soll man das Fenster
schließen?
Alexandre: O, es ist nicht das Fen-
ster .. es ist das, was Sie sagen.
Cercleux: Weil ich von dem großen
Mörder sprach? Diese Anspielung erlaube
ich mir sogar weiter auszuführen, nämlich
ich behaupte, daß man pumpen muß, wie
man mordet, — das heißt allein und sich nur
auf sich verlassend. Außerdem ist es ebenso
lächerlich durch Correspondenz zu pumpen,
als wenn man Jemandem, den man tödicn will,
eine Kugel oder ein Messer per Brief schicken
würde. Darum schreiben Sie nie, mein Prinz:
schreiben ist manchmal gefährlich, immer aber
unnütz.
Doch es ist Mittag. Ich denke, wir bleiben
heute hier stehen, besonders da ich bei einer
ersten Lektion Hoheits Kops nicht überanstrengen
will. (Er steht auf und empfiehlt sich höflichst
Der Prinz sieht ihm voller Bewunderung nach.)
Das kleine Rügelchen
Herr Bauer hat sich für viel Geld einen
Barometer gekauft. Um nicht das schwere
Instrument beim Aufhängen zu beschädigen,
läßt er sich einen Schlosser kommen, der auch
den Barometer sachgemäß annagelt, plötzlich
fällt etwas zur Erde. Erschreckt eilt Herr
Bauer herbei und fragt: „Mensch, Sie haben
!!
, 1 JI,
n
Paul Rieth
Damen von heute
„Wohin so eilig, meine Liebe?"
„Ach, was man jetzt für Sorgen hat! Ich
gebe Nachmittag einen DamencafS und
da muß ich noch Aschenbecher einkaufen."
mir doch nicht den kost-
baren Barometer zerbro-
chen?" „Nee, beruhigen Sie
sich man, 's is nischt kaput,"
war die Antwort, — „ich
habe blos aus versehen da
, unten det Heerte Aügelchen
abjekloppt!"
Lin Lrüblingsdichter
Nach Annie vivanti
Er fitzt am Tische und schreibt und schreibt
Mit feierlichem Gesicht,
wo der Frühling über die Erde tanzt
Und Rosen in's Haar sich flicht.
Der zieht die Blätter hervor am Baum
Mit wilder Rnabenhand
Und wirbelt den klingenden wcckewind
Hin durch'» erschauernde Land.
wie Funkenschwärme sprüht der Gesang
Der Lerchen in'» blaue Revier —
Er sitzt am Tische und schreibt und schreibt,
Die Augen auf dem Papier.
Er schreibt von Rosen und Sommerglück
Sich bald die Finger wund,
Und er hat nie mein Lachen gespürt
2luf seinem bebenden Mund.
Er schreibt, wie den Wald die Npmphenschaar
Mit flatternden Locken durchschweift,
Und weiß nicht, daß mein offene» Haar
Beinahe den Boden streift.
Er schreibt voll Ucbcrschwänglichkeir
Don traumhaft stummer Lust,
Uird ec hat nie mein Haupt gefühlt
Im Schlaf auf seiner Brust.
Er schreibt ein Gedicht, da» Reiner liest,
Ein fade» Einerlei,
Und der Lenz verschwendet und schwärmt
und schwelgt.
Und ich bin dicht dabei!
(Deutsch von G. Kühl)
Finake
(Jur Zeichnung von H. Klimsch)
Spieke nicht weiter, Du Hokde, Du Kchöne.
Horch, wekche süßen, himmlischen Töne
Steigen heraö auf kkingender Leiter!
Laß Deine Geige und spieke nicht weiter!
Lächelst Du, (Mädchen, zu diesen Akkorden?
Spiel ist'» gewesen und Grnst ist'» geworden.
Sieh, wie ich flehend ini AtauK mich Dir neige,
Spiele nicht weiter und kaß Deine Geige.
flheu ist die Tonart, Du Junge, Du Raste,
ALer da» Lied ist da» ewiglich akte,
Laß mich'» Dich kehren ake (Meister und Leiter,
Laß Deine Geige und spieke nicht weiter.
Schweigst Du noch immer, Du Hokde, Du
Schöne?
Fühlst Du, verstehst Du die zitternden Töne?
Rannst Du, und wikkst Du und wirst Du
verstehen?
Mirst Du mein (Werk sein und mit mir gehen?
Kory Tow&ka
304
JUGEND
1900
Cercleux: Vermeiden
doch Hoheit so lebhafte Aus-
drücke. Es kann doch der Fall
eintreten, daß Sie die junge
Person mit dem vollen Beutel
leidenschaftlich lieben. Leiden-
schaft und Liebe reinigen
alles.
Alexandre: Und im
entgegengesetzten Fall?
Cercleux: Dahin wollte
ich eben kommen. Wenn die
Person häßlich und unange- Dlez
nehm sein sollte, nun dann
ist es doch nur natürlich und
gerecht, daß Sic für Ihr Opfer durch ein großes
Vermögen entschädigt werden.
Alexandre: Das scheint mir allerdings
richtig.
Cercleux: Ich sehe, Hoheit kommen all-
mählich dahinter. Ich sprach eben davon, daß
man die Anzupumpenden bei den Gefühlen
nehmen müßte, —bei der Eitelkeit hauptsächlich.
Man pumpe immer Geringere an, als man
selber ist. Selbstverständlich nicht Geringere an
Vermögen, sondern nur an Rang, Geburt und
Erziehung. So kam es vor, daß hohe Fürstlich-
keiten, Erbprinzen und Herzoge einfache Barone
anpumpten, dienicht einmal zu ihrer Consession ge-
hörten. Allerdings entschädigten sich diese damit,
daß sie nüt ihren hohen fürstlichen Pumpern ver-
traulich Arm in Arm über die Straße gingen
oder dieselben zu großen Diners einluden, deren
unverschämter Luxus alle etwaigen Skrupel des
hohen Schuldners für immer beseitigte und die
Last der Dankbarkeit merklich erleichterte.
Alexandre: Ich könnte mit Niemandem,
dem ich unter solchen Umständen Geld schuldete,
an einem Tisch sitzen, ohne daß man meine
Verlegenheit mir ansähe. .
Cer cleux: Wie unrecht, Hoheit! Die höchste
Unverfrorenheit ist nöthig. Man darf etwa nie
die Leute fliehen, noch denen aus dem Wege
gehen, denen man Geld schuldig ist. Wenn Sie
Ihren Gläubiger von Weitem kommen sehen,
biegen Sie ihm nicht etwa auf die andere Seile
der Straße aus,, sondern gehen Sie ihm iiu
Gegentheil mit ausgestreckter Hand entgegen.
Alexandre: Schon wieder? ,
Cercleux (lächelnd): Ja, schon wieder. —
Lachen und scherzen Sic mit ihm, schließen Sie
sich ihm an, begleiten Sie ihn in's Theater, in
ein Restaurant; wenn seine Frau nicht ge-
radezu abstoßend ist, machen Sie ihr die
Cour, so kommen Sie in die Intimität des
Mannes, legen Beschlag auf ihn und ver-
hindern die Annäherung störender Schma-
rotzer und gefährlicher Nebenbuhler. Ein
regelrechter, eleganter Pumper muß das
Feld allein beherrschen. Pump-Associa-
tionen haben, trotz wiederholter Versuche,
immer fehlgeschlagen.
Alexandre: Man darf also nur auf
sich allein zählen?
Cercleux: Zu Befehl, Jack theRiper,
der berühmte Bauchaufschneider, war auch
immer allein.
Alexandre (fröstelnd): Brrrr —
Cercleux: Hoheit frieren?
Alexandre: Mir läuft es nur kalt über
den Rücken.
Cercleux: Soll man das Fenster
schließen?
Alexandre: O, es ist nicht das Fen-
ster .. es ist das, was Sie sagen.
Cercleux: Weil ich von dem großen
Mörder sprach? Diese Anspielung erlaube
ich mir sogar weiter auszuführen, nämlich
ich behaupte, daß man pumpen muß, wie
man mordet, — das heißt allein und sich nur
auf sich verlassend. Außerdem ist es ebenso
lächerlich durch Correspondenz zu pumpen,
als wenn man Jemandem, den man tödicn will,
eine Kugel oder ein Messer per Brief schicken
würde. Darum schreiben Sie nie, mein Prinz:
schreiben ist manchmal gefährlich, immer aber
unnütz.
Doch es ist Mittag. Ich denke, wir bleiben
heute hier stehen, besonders da ich bei einer
ersten Lektion Hoheits Kops nicht überanstrengen
will. (Er steht auf und empfiehlt sich höflichst
Der Prinz sieht ihm voller Bewunderung nach.)
Das kleine Rügelchen
Herr Bauer hat sich für viel Geld einen
Barometer gekauft. Um nicht das schwere
Instrument beim Aufhängen zu beschädigen,
läßt er sich einen Schlosser kommen, der auch
den Barometer sachgemäß annagelt, plötzlich
fällt etwas zur Erde. Erschreckt eilt Herr
Bauer herbei und fragt: „Mensch, Sie haben
!!
, 1 JI,
n
Paul Rieth
Damen von heute
„Wohin so eilig, meine Liebe?"
„Ach, was man jetzt für Sorgen hat! Ich
gebe Nachmittag einen DamencafS und
da muß ich noch Aschenbecher einkaufen."
mir doch nicht den kost-
baren Barometer zerbro-
chen?" „Nee, beruhigen Sie
sich man, 's is nischt kaput,"
war die Antwort, — „ich
habe blos aus versehen da
, unten det Heerte Aügelchen
abjekloppt!"
Lin Lrüblingsdichter
Nach Annie vivanti
Er fitzt am Tische und schreibt und schreibt
Mit feierlichem Gesicht,
wo der Frühling über die Erde tanzt
Und Rosen in's Haar sich flicht.
Der zieht die Blätter hervor am Baum
Mit wilder Rnabenhand
Und wirbelt den klingenden wcckewind
Hin durch'» erschauernde Land.
wie Funkenschwärme sprüht der Gesang
Der Lerchen in'» blaue Revier —
Er sitzt am Tische und schreibt und schreibt,
Die Augen auf dem Papier.
Er schreibt von Rosen und Sommerglück
Sich bald die Finger wund,
Und er hat nie mein Lachen gespürt
2luf seinem bebenden Mund.
Er schreibt, wie den Wald die Npmphenschaar
Mit flatternden Locken durchschweift,
Und weiß nicht, daß mein offene» Haar
Beinahe den Boden streift.
Er schreibt voll Ucbcrschwänglichkeir
Don traumhaft stummer Lust,
Uird ec hat nie mein Haupt gefühlt
Im Schlaf auf seiner Brust.
Er schreibt ein Gedicht, da» Reiner liest,
Ein fade» Einerlei,
Und der Lenz verschwendet und schwärmt
und schwelgt.
Und ich bin dicht dabei!
(Deutsch von G. Kühl)
Finake
(Jur Zeichnung von H. Klimsch)
Spieke nicht weiter, Du Hokde, Du Kchöne.
Horch, wekche süßen, himmlischen Töne
Steigen heraö auf kkingender Leiter!
Laß Deine Geige und spieke nicht weiter!
Lächelst Du, (Mädchen, zu diesen Akkorden?
Spiel ist'» gewesen und Grnst ist'» geworden.
Sieh, wie ich flehend ini AtauK mich Dir neige,
Spiele nicht weiter und kaß Deine Geige.
flheu ist die Tonart, Du Junge, Du Raste,
ALer da» Lied ist da» ewiglich akte,
Laß mich'» Dich kehren ake (Meister und Leiter,
Laß Deine Geige und spieke nicht weiter.
Schweigst Du noch immer, Du Hokde, Du
Schöne?
Fühlst Du, verstehst Du die zitternden Töne?
Rannst Du, und wikkst Du und wirst Du
verstehen?
Mirst Du mein (Werk sein und mit mir gehen?
Kory Tow&ka
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