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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 5.1900, Band 1 (Nr. 1-26)

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Nr. 19 (7. Mai)
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https://doi.org/10.11588/diglit.3886#0324

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Nr. 19

JUGEND

1900

A. Schmidhammer (München)

Lin Brief aus dem Mars

rinnern Sie sich noch? Es war \m ersten
gesegneten Jahrgang dieser Zeitschrift, als
wir anfingen, mit den Marsbewohnern zu cor-
respondiren, mittels einer Kanone aus Bromchlor-
silbernickelaluminiumstahl ein Hohlgeschoß in den
Mars schickten und mit diesem Nachrichten über
die Erde. Prompt erhielten wir das Geschos;
zurück und konnten den Lesern der „Jugend"
dann die interessantesten Nachrichten über das
politische und culturelle Leben der Marsbewoh-
ner mittheilen. Wir sandten wieder einen Gruß
hinauf und erhielten zum Dank einen höchst
merkwürdigen Bericht über die Kunstverhaltnisse
auf dem Mars, die beinahe so eigentümlich
sind, wie die in Berlin. Dann schickten wir
zum dritten Male die gußeiserne Postkarte mit
bezahlter Rückantwort hinauf und dieses Mal
blieb die Antwort aus. Seltsam, wir wußten
es nicht zu erklären und dachten schließlich, der
betreffende Marskanonier hätte etwa im Dusel
an der Erde vorbeigeschossen oder ins Meer ge-
troffen, oder in den Krater eines Vulkans hinein.
Schließlich hatten wir die Sache vergessen.

Dieser Tage wurden wir durch ungewöhnlich
schwere und polternde Schritte auf der Treppe
aus unserem Redaktionsfrieden aufgeschreckt. Ein
Briefträger gab ein umfangreiches Packet für
die „Jugend" ab — unsere Bombe aus dem
Mars. Wir mußten herzlich lachen, was uns
aber verging, als der Briefträger uns ein Pa-
pierchen präsentirte mit einer Rechnung über
die Kleinigkeit von 28,532 Mark und 57 Pfennige
für Strafporto, Lagergebühren, für einen zer-

brochenen Postwagen — unser Bombchen wiegt
ja 14,000 Kilo — Ermittlungsgebühren, Zustell-
gebühren u. s. w. Da war nichts zu machen.
Wir bezahlten seufzend, aber nobel, und runde-
ten sogar die Summe auf 28,532 Mark und
60 Pfennige ab. Der arme Kerl sollte doch ein
Trinkgeld haben für seine Plage. Denn unsere
Redaktionstreppe ist steil.

Das amtliche Schreiben enthielt außer der
Rechnung die Mittheilung, daß der ,Briest aus
dem Mars nicht früher zugestellt werden konnte

1. wegen mangelhafter Adresse: in dem Wort
„Jugend" war das u-Häuberl verwischt,

2. wegen ungenügender Verpackung: der Brief
war statt mit Gummi oder Siegellack mit einem
Vexirschloß zugemacht.

Eine alte Bauersfrau hatte die Bombe in
der Nähe von Wurrmannsguick auf der Land-
straße gefunden und, da sie die Adresse nicht
lesen konnte, in den nächsten Briefkasten geworfen.

Sie — die Bombe! — enthielt obige Moment-
aufnahme und folgenden Brief:

Verehrliche Redaktion!

Postwendend beeilen wir uns, Ihnen auf
Ihre Anfrage bezüglich der Militärverhältnisse
auf dem Mars zu antworten.

Wir haben ein stehendes Heer und allgemeine
Dienstpflicht — Wehrpflicht kann man's nicht nen-
nen, da ja auf unserm Planeten nur ein Staat exi-
stirt und mithin kein Feind, gegen den man sich zu
wehren hätte. Zweck des Heeres ist Besetzung der
Chargen durch hochstehende Persönlichkeiten. Wie
Sie wissen, wird unsere Marskönigswürde alljähr-
lich in der Lotterie ausgespielt; da jeder Marsbe-
wohner verheirathet ist und jede Marsbewohnerin
im Jahre 2—3 Kinder bekommt, so können Sie
sich denken, welche Fülle von unterzubringenden
Prinzen wir haben. Alle Kommandeurstellen sind
mehrfach besetzt bis zum Gefreiten hinunter, was
sich nur durch die außerordentliche Genügsamkeit
unserer hohen Herren in Bezug auf Arbeit er-
möglichen läßt. Sie verzichten zum größten Theil
ganz auf den Dienst und sind mit Rang und
Gage zufrieden. Eine dem Mars spezifisch eigen-
thümliche Einrichtung ist die der Kommandeusen.
Bei Ihnen auf der Erde würde man es wahr-
scheinlich für eine horrende Unverschämtheit an-
sehen, wenn die Frau eines höheren Offiziers in
Dienstsachen mit dreinredete, und würde den be-
treffenden Jammermann sofort absägen. Bei uns
auf dem Mars nimmt die Frau offiziell am Konn
mando ihres Mannes theil, ordnet Beförderungen

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Z22
Register
Arpad Schmidhammer: Illustration zum Text "Ein Brief aus dem Mars"
Julius Diez: Vignette
Nikodemus Dreibein: Ein Brief aus dem Mars
 
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