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1900

JUGEND

Nr 23

im Leben an sich getragen hatte,
und so in den Backofen zweiter
Klaffe mit Mittelwärme von 99
Grad gesteckt und so lange darin
gelassen, bis er waschecht ge-
brannt war. Und endlich wurde
er blitzeblank glasirt und in den
Backofen erster Klasse von 999^/9
Grad über 0 versetzt, wo ihm
das Lügen ein für alle Mal ver-
ging — darauf könnt Ihr Euch
verlassen! Nachdem er noch zum
Nicken und Zungeherausstrecken
eingerichtet worden war, wurde
er in den Porzellanladen zum
Verkauf gestellt. Ein deutscher
Händler erstand ihn und brachte
ihn zu Schiffe nach Pause.

Nun könnt Ihr Euch wohl
denken, wie er schließlich aus das
Eckbrett in der guten Stube ge-
kommen ist.

Und diese Geschichte ist natür-
lich gar nicht ein bischen geflun-
kert. wer möchte auch wohl noch
flunkern, nachdem er gesehen hat,
wie man dafür in den Backofen
erster Klasse mit 999^/9 Grad
kommen kann? Und zwar heute
so gut wie zu Lebzeiten der furcht-
bar klugen Prinzessin psü—ßing.
Im Gegentheil: heutzutage ist
die Ausübung des Poetenge-
werbes im Reiche der Mitte noch
weit gefährlicher geworden, seit
man daselbst auch die berühmten
Roeren-Kessel eingeführt hat,
vermittels derer man noch weit
höhere Hitzegrade erzeugen kann.
Ueberdies gilt es heutzutage für
geradezu verbrecherisch, einer
Allerhöchsten Dame — und sei
sie noch so jung — die nackte
Zunge zu zeigen, indem dies,
ohne direkt unzüchtig zu sein,
das Schamgefühl gröblich zu ver-
letzen geeignet sei, wie sich die
Chinesen so fein ausdrücken.
Ihre Majestät, die regierende
Kaiserin - Mutter hat deshalb
jüngst dem chinesischen Gesetz-
buch zwei neue Paragraphen ein-
stigen lassen, nach welchen hinfort
alle Chinesen, die sich der Poesie
oder dergleichen Schamlosigkeiten
verdächtig machen, drevi manu
dem Porzellanverfahren unter-
worfen werden sollen.

Es steht also zu erwarten, daß
demnächst auch bei uns die Nick-
bolde und gefälligen Zungen-
zeiger billig werden. Auf Chine-
sisch nennt man sieTsungli —
Ja —Männer.

Splitter

Unabhängigkeit, selbst die
bescheidenste, ist Lebenslust
für den Gebildeten.

plur arme Leute bezahlen
stets baar. Nicht aus Tugend,
sondern weil sie keinen Lredit
haben. v. w.

Tanzkieöchen J- R- Witzel (München)

üanjUedcben

Bin Ulal^ertakt,

Bin Polkaschritt,

Da zuckt mir's
3n den Sohlen,

Da muss ich hin,

Da mach ich mit,

Man braucht mich
Dicht zu holen.

Und holt mich gar
Bin feiner Knab,

Mie hüpfen da
Die Beine!

Und wenn ich
Keinen Ganzer hab,

So dreh ich mich
HUeine.

Das Bssen und
Das trinken auch.

Das lässt mich ganz
Jn Ruhe,

Ufas braucht der Mensch
Denn satt zu sein,

I)at er nur
Ganze Schuhe.

Und wenn ich
Ganze Schuhe hab,

Mas brauch ich dann
Bin Bette?

Da tanz ich erst
Die Sohlen ab,

Dann Absatz
Und Rosette. —

Das Ganzen ist
Mein Schlaf und Brot,
Mein €räumen
Und mein Streben,

Und tanzt" ick mich
Binmal zu Cod,

Oh 6 ott, war' das
Bin Leben!

K.ory Towska

Aukturhiftorrsche
Entdeckungen der „Jugend"

Lebensversicherung im Mittelalter

„die selben haeten auch ir leben
ze bürgen und ze pfände gegeben
und auch versichert bi Gote."
„Die hatten auch ihr Leben
Au Bürgen und Zu Pfand gegeben
Und auch in Gotha

versichert."
(Gottfried vonStraßburg» TristanXI.,
7)69—7371)

tannbäu$*r — ein galanter
Zahnarzt

„Königin, Göttin, laß mich
ziehen!"

(Wagner Tannhäuser Akt I.)

ttegelrpiel vei äen Hebräern

Facies coronas!

Du wirst Kränze machen!
(Sacharia, 6» 11)
Register
[nicht signierter Beitrag]: Kulturhistorische Entdeckungen der "Jugend"
v. W.: Splitter
Josef Rudolf Witzel: Zeichnung zum Gedicht "Tanzliedchen"
Kory Towska: Tanzliedchen
 
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