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Nr. 23

JUGEND

1900

«

durch den Vogelleib, die letzte Welle des Lebens
flulhet in's unendliche Meer, zu neuen: Spiel.

Es gibt nur Wechsel, — keine Vernichtung.

Die Firnen erglühen, vom rosigen Schein
umwoben stehen die beeisten Fichten, aus dem
-Thale herauf zieht der Dampf des Frühlings.

Ich meide die Alm mit dem Baptist, weiß
der Kuckuck, was für ein hinterlistiges Wort
er mir mitgibt, das sich dann festkrallt und
alle Freude tödtet.

war' noch schöner, da heraufkreilen im
meterhohen Schnee, und dann noch Gewissens-
bisse! Du hast wahrlich den Gockel redlich
„verdient."

Wasser gurgeln, Knospen blitzen, — der
Wald duftet, die Vögel jubiliren, der Früh-
ling drängt mir, den Berg herauf, entgegen;
durstiger wie je, zieh' ich ihn in mich.

Ist doch das Leben schön!

Da pickt mich etwas in die nackte Knie-
knehle. Es ist der Schnabel des Wahnes, der
dagegen schlägt.

Ich nehme ihn vom Rucksack, betracht
ihn, öffne das halbgeschlossene Auge, seltsam
verschmitzt blickt es mich an in seinem feuch-
ten Glanze.

„Leider Goot! Leider Goot!" brummt der
Baptist; daß mir der verrückte Kerl Unter-
kommen mußte, der froh ist, kein Gott, son-
dern ein Schindeldecker zu sein.

Ich versenke den Hahn in die finstere Tiefe
meines Rucksacks und gehe dem heimathlichen
Dorfe zu, das in rosige Kirschblüthe gebettet
liegt.

Vorstadt

JTus den Hlietl)$kafernen auf der Höhe
Lärmen Jlbends rauhe, trunkne Lieder,
Vor den Thüren hocken welke Srauen,
Lungert junges ^olk mit leckrem Mieder.
Lin 6eruch von Itrmuth, Qual und Mühen
?ü»t die5chenken und die dumpfen 0affen;
Noch und ächande schleichen dunkle Pfade,
Wenn die müden Lichter weit verblassen.

Dann erst leuchtet dort die kleine Lampe
Dnter ihrem weichen rochen 5chleier,

Den Du selbst mit weißer Hand gewoben,
Unsrer stillen, hohen Liebesfeier.

Wie der Mohn auf fommerfchwülen Jluren
Zieht das Licht im dämmervollen Raume;
Und Dein Mund spricht leise 6Iückesworte,
wie ein Rindermund im schönen Traume.

Der Morgen war Stahl; kalt, blau, hart,
klingend. Der Mond stand noch an: Fimmel,
als ich meinen Stand einnahm im Latschen-
feld. Der Schnee glitzerte mit den Sternen
um die wette. Dann fegte ein eisiger wind
über die Schneid' und löschte mit einmal die
Millionen kleiner Lichter.

Das war das Zeichen! Tschiu — hui — dicht
unter mir in den Latschen, von weither die Ant-
wort. — Von allen Schneiden ein Kollern und
Locken, — dann und wann ein Sausen von Schwin-
gen von irgendwo, eilt dumpfer Ausfall auf dem
Schnee, ein Latschenast, der emporschnellt, —
aber die Schneeblößen vor mir bleiben leer. „Da
wob ich selbst die Lippe zum argen Trug."

Tschiu — huui — huhu. — Da saust es
schon dicht über den Hut. Ein schwarzer
Brocken fällt gerade vor mir auf den Schnee,
entfaltet sich trippelnd, Flügel spreizend, in
glühender Begierde zitternd.

Ich hebe die Büchs, „hat er Dir was
'than der hohn?" — senke sie wieder, — die
Lyra des Stoßes entfaltet sich, darunter schim-
mert wie ein Blüthenbouquet das reinste
weiß, der rothe Kamm ober dem Perlenauge
lodert auf in wilder Energie. — Ein schwar-
zer Punkt schwingt sich herauf über das Schnee-
feld ; ein pfeifendes Sausen. Ein zweiter
Hahn hockt auf, dicht vor dem Ersten. —
Auf die Mensur! Legt euch aus, los! —
Ein Fauchen, ein Zischen, überstürzen,
dann wieder Distanz genommen und wieder
los! — Jetzt schweigt der Baptist — die
Stimme der Stille, — und Mara flüstert,
der große Verführer: „nur Macht ist Leben!"

— Da zuckt der Strahl, wie Donner grollt's
in den wänden, — der Sieger liegt besiegt,

— durchschlagen vom Geschoß, — der Besiegte
ist im Rauch verschwunden. Gierig greif ich
nach der Beure, ein fiebriges Zucken geht

ein poetisches Mesen Max Hagen (München)

Gendarme: .Was treibt er denn hier?" — Strolch: „Ick lasse mir

vom Frühling küssen!"

Bis die grauen Morgenwinde flüstern,
8Ieiche5chatten um das Mohnlicht weben,
Und am Senfter, in den alten Rüftern,
Zchwache Dogelstimmchen sich erheben.
6iehn wir müde von der höhe nieder
in die Stadt und die erwachten 6aNen,
Mit dem 'Yolk. das seine armen Mühle
hat;u neuem Gagewerk verlassen.

franj £angbeinricb

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Register
Max Hagen: Ein poetisches Wesen
Franz Langheinrich: Vorstadt
 
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