t
1900
. JUGEND .
Nr. 24
Pariser und wie ich! Wenn sie
dann immer spitzer und reizloser
geworden ist, hat sie wohl bei
der Tugend ihre Zuflucht nehmen
müssen. Schwer genug mag es
ihr gefallen sein! Wenn man das
so gar nicht gewöhnt war! —"
„Hah, Unsinn! Man nimmt
solche Fräuleins doch nur auf
Empfehlungen, Zeugnisse hin" —
„Die wird sie sich verschafft ha-
ben! Ich stelle mir vor, sie zog
in eine kleine Stadt, suchte sich
einen braven Beichtvater, spielte
die Reuige, die Fromme und wußte
mit unschuldsvollen Augen einem
würdigen geistlichen Herrn das
Herz zu erweichen, bis er ihr ein
lobendes Certifikat ausstellte."
Der Doktor ist ganz erregt ge-
worden. „Der Geschichte mußt Du
nachforschen," mahnt er, aufspring-
end. „Das mußt Du -zur Anzeige
bringen! Das geht doch absolut
nicht! In einer Mädchenschule,
ein Fräulein mit einer solchen
Vergangenheit!" Direktor Müller
streicht sich^über das Haar. „Ja,
recht passend ist es nicht! Aber
weißt Du, was gehlls mich eigent-
lich an? Meine Tochter ist nun
nicht mehr in dem Institut! War-
um soll ich dem armen Ding das
Brod wegnehmen, das sie sich sauer
genug verdienen muß. Wird die
sich langweilen, - Donnerwetter!
Nun singt sie das alte Lied wohl
in einem weniger übermüthigen
Ton:
Oornbien je regrette
Mon bras si dodu
Ma Jambe bien faite
Et le temps perdu.“
nicht erinnern. Doch! heureka!
Ein rettender Gedanke! Ein
Lächeln der Erlösung fliegt über
seine Züge; er schlägt die Nacken
zusammen, faltet die Hände und
spricht alsbald:
„Ich bin noch klein;
Mein Herz ist rein;
Soll niemand drin wohnen,
Als Gott allein. Amen."
Die Frau Generalin, eine Frau
von einfachem Gemüth, war
innig erbaut von der kindlichen
Reinheit des jungen Mannes;
alle übrigen aber hatten während
der ersten Gänge genug an ihren
Lippen zu beißen.
Die neueste Ictee
Ueber allen Gipfeln
Ist Ruh.
prince Wales trägt jetzt zum
full dress
Braune Schuh!
Die gefallen gar sehr
Den Affen rings im Reiche.
Schleunigst thun sie das Gleiche
wie er. Bohemuml
Salomonisches Urtheil
Frau Deilchenstaub (her-
zueilend , als ihre drei ältlichen
Töchter sich darüber streiten, wer
zuerst den gemeinschaftlichen
Schminkkasten benutzen soll):
,,Die Sach' ist doch sehr einfach:
wer zuerst kommt, malt z u erst!'*
Anima candida
In Haus und Armeecorps
eines bekannten Eorpscomman-
deurs herrschte eine sehr aus-
gedehnte Frömmigkeit, wo er
und seine Gattin residirten und
die Spitze der Gesellschaft bil-
deten, da entwickelten Militär-
und Eivilbehörden einen gerade-
zu fabelhaften Kirchenbesuch und
das immer so lange, bis der
General ein anderes Eorps er-
hielt und in eine andere Stadt
übersiedelte.
Eines Tages hatte mit vielen
anderen auch ein ganz junger,
frisch gebackener Leutnant eine
Einladung zum Diner bei den
Excellenzen erhalten. Natürlich
war er hochbeglückt. Da aber,
als man sich zu Tische setzen
will, bleibt alles hinter den
Stühlen stehen, und hinter dem
jungen, aber schon recht langen
und breiten Leutnant flüstert die
Stimme eines Dieners:
„Ihre Excellenz lassen Herrn
Leutnant um das Tischgebet
bitten."
Unserm Leutnant fiel das Herz
so tief herunter, wie es einer
Militärperson nur immer fallen
darf. Ein Gebet? CEiit Gebet?
Ein Königreich für ein Gebet!
Er konnte sich beim besten Witten
P a r x s
fl. Heise (Paris)
Paris
Zur Zeichnung von R. Reise
Paris, die Stadt der ew’gen
Menschenrechte,
Sie gleicht sich selber wahr-
lich wenig mehr,
Sie beugte sich ins doch der
Pfaffenknechte,
Pie grofse Stadt der Rous-
seau und Voltaire,
Pie so apart, so unnach-
ahmlich war,
ln ihrer JTrt ein einzig
Ejemplar.
Poch sieht man mit dem
Zederhut, dem kecken,
Zum Marsfeld wandeln die
Pariserin,
Mit seidnen, zierlich auf-
gerafften Röcken,
Pa schiesst es Einem lustig
durch den Sinn:
Paris ist doch, wie sich's
auch sonst verhält,
Noch die pariserischste
Stadt der Welt.
Korv Cowska
1900
. JUGEND .
Nr. 24
Pariser und wie ich! Wenn sie
dann immer spitzer und reizloser
geworden ist, hat sie wohl bei
der Tugend ihre Zuflucht nehmen
müssen. Schwer genug mag es
ihr gefallen sein! Wenn man das
so gar nicht gewöhnt war! —"
„Hah, Unsinn! Man nimmt
solche Fräuleins doch nur auf
Empfehlungen, Zeugnisse hin" —
„Die wird sie sich verschafft ha-
ben! Ich stelle mir vor, sie zog
in eine kleine Stadt, suchte sich
einen braven Beichtvater, spielte
die Reuige, die Fromme und wußte
mit unschuldsvollen Augen einem
würdigen geistlichen Herrn das
Herz zu erweichen, bis er ihr ein
lobendes Certifikat ausstellte."
Der Doktor ist ganz erregt ge-
worden. „Der Geschichte mußt Du
nachforschen," mahnt er, aufspring-
end. „Das mußt Du -zur Anzeige
bringen! Das geht doch absolut
nicht! In einer Mädchenschule,
ein Fräulein mit einer solchen
Vergangenheit!" Direktor Müller
streicht sich^über das Haar. „Ja,
recht passend ist es nicht! Aber
weißt Du, was gehlls mich eigent-
lich an? Meine Tochter ist nun
nicht mehr in dem Institut! War-
um soll ich dem armen Ding das
Brod wegnehmen, das sie sich sauer
genug verdienen muß. Wird die
sich langweilen, - Donnerwetter!
Nun singt sie das alte Lied wohl
in einem weniger übermüthigen
Ton:
Oornbien je regrette
Mon bras si dodu
Ma Jambe bien faite
Et le temps perdu.“
nicht erinnern. Doch! heureka!
Ein rettender Gedanke! Ein
Lächeln der Erlösung fliegt über
seine Züge; er schlägt die Nacken
zusammen, faltet die Hände und
spricht alsbald:
„Ich bin noch klein;
Mein Herz ist rein;
Soll niemand drin wohnen,
Als Gott allein. Amen."
Die Frau Generalin, eine Frau
von einfachem Gemüth, war
innig erbaut von der kindlichen
Reinheit des jungen Mannes;
alle übrigen aber hatten während
der ersten Gänge genug an ihren
Lippen zu beißen.
Die neueste Ictee
Ueber allen Gipfeln
Ist Ruh.
prince Wales trägt jetzt zum
full dress
Braune Schuh!
Die gefallen gar sehr
Den Affen rings im Reiche.
Schleunigst thun sie das Gleiche
wie er. Bohemuml
Salomonisches Urtheil
Frau Deilchenstaub (her-
zueilend , als ihre drei ältlichen
Töchter sich darüber streiten, wer
zuerst den gemeinschaftlichen
Schminkkasten benutzen soll):
,,Die Sach' ist doch sehr einfach:
wer zuerst kommt, malt z u erst!'*
Anima candida
In Haus und Armeecorps
eines bekannten Eorpscomman-
deurs herrschte eine sehr aus-
gedehnte Frömmigkeit, wo er
und seine Gattin residirten und
die Spitze der Gesellschaft bil-
deten, da entwickelten Militär-
und Eivilbehörden einen gerade-
zu fabelhaften Kirchenbesuch und
das immer so lange, bis der
General ein anderes Eorps er-
hielt und in eine andere Stadt
übersiedelte.
Eines Tages hatte mit vielen
anderen auch ein ganz junger,
frisch gebackener Leutnant eine
Einladung zum Diner bei den
Excellenzen erhalten. Natürlich
war er hochbeglückt. Da aber,
als man sich zu Tische setzen
will, bleibt alles hinter den
Stühlen stehen, und hinter dem
jungen, aber schon recht langen
und breiten Leutnant flüstert die
Stimme eines Dieners:
„Ihre Excellenz lassen Herrn
Leutnant um das Tischgebet
bitten."
Unserm Leutnant fiel das Herz
so tief herunter, wie es einer
Militärperson nur immer fallen
darf. Ein Gebet? CEiit Gebet?
Ein Königreich für ein Gebet!
Er konnte sich beim besten Witten
P a r x s
fl. Heise (Paris)
Paris
Zur Zeichnung von R. Reise
Paris, die Stadt der ew’gen
Menschenrechte,
Sie gleicht sich selber wahr-
lich wenig mehr,
Sie beugte sich ins doch der
Pfaffenknechte,
Pie grofse Stadt der Rous-
seau und Voltaire,
Pie so apart, so unnach-
ahmlich war,
ln ihrer JTrt ein einzig
Ejemplar.
Poch sieht man mit dem
Zederhut, dem kecken,
Zum Marsfeld wandeln die
Pariserin,
Mit seidnen, zierlich auf-
gerafften Röcken,
Pa schiesst es Einem lustig
durch den Sinn:
Paris ist doch, wie sich's
auch sonst verhält,
Noch die pariserischste
Stadt der Welt.
Korv Cowska