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1900

JUGEND

Nr. 25

Verkannte Unschuld Julie Hifthorn (lBenin,

„Warum hast Du denn unser Dienstmädchen fortgeschickt, Mama?" — „weil sie nicht gehorcht hat." — „O doch, Mama, wenn

Du mit Papa gezankt hast, hat sie jedesmal — gehorcht."

„wos isch, — tiefer?"

„Io, woascht, pochwürden, die fetten san
halt alli unten in der Tieften!"

Sakra, dachte sich der Pfarrer, der bei den
Schweinen seine alte Häuserin ganz vergessen
hatte, so a zehn, zwölf fette Schweine brauchet
i auch! Und da er so deutlich Micheln, den er
ins Wasser geworfen hatte, mitten unter leib-
haftigen Schweinen sah, fuhr ihm der Gedanke
Durch den Kopf: was ich Micheln gethau habe,

mag mir nun Michel thun. Bat den also wegen
seines üblen Vorhabens um christliche Verzeih-
ung und schlug ihm vor, was er sich gedacht.

Michel kratzte sich hinterm Mhr: „Ja, poch-
würden, wann i an Sack hätt' für Eure Dickt'n!"

„„Nähscht halt mei'Betttuch z'sam, Michel!"

Und sie gingen mit einander ins widduin,
und Michel nähte den Pfarrer ins Betttuch.
Dann nahm er ihn auf den Rücken. „Sakra,
pochwürden, Du bischt sei schwaar! Da muß

i an Tragerlohn ha'm!" „Nimm Dir an Guld'n-
zettel aus d'm Strumpf. Aber nit mehra!
Ischt alles nachgezählt!"

„Du wirscht mi nimmer kontrolliren," dachte
sich Michel, nahm den ganzen Strumpf, huckte
den Pfarrer auf, trug ihn an den Fluß, warf
ihn hinein und rief: „Nehmt fei bloß d'fettescht',
pochwürden!"

Dann ging er heim und zählte den Strumpf
aus. Es waren 8 579 Gulden und \5 Kreuzer.
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Julie Wolfthorn: Verkannte Unschuld
 
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