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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 5.1900, Band 1 (Nr. 1-26)

DOI Heft:
Nr. 26 (Joh. Gutenberg nat. Anno 1400)
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https://doi.org/10.11588/diglit.3886#0442

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1900

JUGEND

Nr. 26

m

%

Aus dem lyrischen

TageöuD des Leutnants von Zersewiß:

Zur 6utenbergfeier

Rüsten sich jetzt, besonders in Mainz,

Jutenbergfest zu bejehen-

Offen jestanden: für Unsereins
Jubel nich recht zu verstehen.

Zu viel Dunkles an Chose d'ran,

Janz in Nebel verloren:

Nich mal sicher an jutem Mann,

Ob überhaupt jeborenl
Jedenfalls Iahrzahl unjewiß,

Tag nun schon jar nich erweisen!

Dann aber weiteres Hinderniß:
wissen nich recht, wie jeheißen!

Chronik bald so, bald so jenannt -
Heut noch Jelehrte sich streiten —:

Einem als Jutenberg bekannt,
Jensfleifch jenannt vom Zweiten!

Alles in Duster, Nebel und Dunst!
Beispielsweise an dem Runden
Fraglich sojar, ob „schwarze Runst"
Ueberhaupt hat erfunden!

Heißt ja, aus Holland irgendwer
Richt'jer Erfinder jewesen —

Jedenfalls 1000 Jahre vorher
Druck schon bekannt bei Chinesen!

Aber — wenn wirklich Erfinder war,
Jutenberg auch jeheißen —

Unverständlich doch offenbar,

Ihn als Heros zu preisen!

Nett ja, daß heut Jeneralstabswerk
Vorliegt in deutlichen Lettern —

Aber deshalb diesen Jutenberg
Nöthig noch nich zu verjöttern!

Uns doch auch schweren Schaden jebracht,
Beispielsweis un vor Allen:
Schnoddrige Presse jroß jemacht —
Deshalb schon höchlich mißfallen!

Runterj edrückt auch Dichterstand!
Früher nur aufjeschriebcn,
was sich an Creme von Dichtkunst fand —
Heute janz anders betrieben:

Heute schafdämlichste Verselei
Schleunigst in Druck jejeben!

Reinweg verjiftet durch Schmiererei
Janzes jeistiges Leben!

Buchdruck Meriten — sicherlich!

Sage auch weiter nichts d'rüber.

Aber — behalte Meinung für mich:
pulvererfindung mir lieber!

Mebmüwige Wetracbrung

von Max Litelberg

Ach, wie selten ist hienieden
Doch dem wackeren der Lohn
Seiner guten That beschieden —

Dester hat er nischt davon!

Daran muß ich wieder denken,

Denke ich an Gutenberg,

Der ein Licht der Welt that schenken,
Lin so unvergleichlich Werk:

Trotzdem ging's uns ganz verloren,
wann just er — Geburtstag hat,
Denn am Tag, da er geboren
Stand ja nicht im Abendblatt:

„Die glückliche Ankunft eines ge-
sunden jungen beehren sich hocherfreut
anzuzeigen

Gutenberg sen. und Frau
Mainz am???

Der neue ZZluiarch

(Mit Zeichnungen von Arpad Schmidhammer)


Gutenberg hieß mit seinem Vornamen
bekanntlich Johann.

„Mit dieser Erfindung wirst Du noch
Millionär, lieber Hans!" sagte ein Freund
zu ihm.

„Du willst mich hänseln!" lachte Gutem
berg bitter.

m

Berthold Schwarz und Johann Gu-
tenberg stritten sich einst in freundschaft-
licher weise über ihre Erfindungen.

„Ich," sagte Letzterer, „habe die Buch-
druckerkunst erfunden, das ist historische
Thatsache."

„Und ich habe das Pulver erfunden!"
erwiderte der Andere.

„wer weiß!" sagte Gutenberg lächelnd
zu dem schlichten Mönche.

Vergeblich suchte Gutenberg seine Mit-
bürger von dem hohen Werth seiner Er-
findung zu überzeugen — sie blieben blind
dagegen.

Da sah man ihn von Herberge zu Her-
berge wandern.

Rurz darauf prangten an allen Straßen-
ecken schön gedruckte Plakate:

Heute Leberknödel beim Franziskaner.

Morgen Schlachttag beim Schotten-
Hammel.

X-Bier, früher Salvator, beim Au-
gustiner u. s. w.

Nun erst gingen ihnen die Augen auf,
und überall erscholl das Lob des kunst-
reichen Mannes.

TI n


urriejones

t

Ein unentwegter Freiheitsapostel ver-
warf die neue Erfindung als schmachvoll
und reaktionär.

437

„Oho!" rief Gutenberg. „Inwiefern?"
„weil dabei ein Druck von oben aus-
geübr wird!" entrüstete sich der Volksmann.

Gutenberg pflegte sich an Winternach-
mittagen aus Ersparnißrücksichten im Cafe
an den Früchten seiner Erfindung zu er-
bauen.


Eines Tages warf er unmuthig die Zeit-
ung auf den Tisch: „Der lügt wie gedruckt!"

Als er fort war, hängte der Piccolo
die „Times" an den Nagel.

Der kleine Gutenberg hatte eine Joppe,
deren Rnöpfe einzelne Buchstaben trugen,
die der Reihe nach seinen Namen bildeten.

Da er ein munterer Rnabe war, rissen
ihm oftmals welche ab; wenn er sie wieder
eingenäht hatte, las er mit Vergnügen:
gutbergen, gebt gruen, neger
g u b t u. dgl.


Später, als er längst keine Rnöpfe mehr
hatte, dachte er wieder daran und kam auf
die Idee der beweglichen Lettern.

So erklärt es sich auch, daß damit zu-
weilen auch sinnloses Zeug gedruckt wird.

Jemand wollte Gutenberg demüthigen
durch den Hinweis, daß die Buchdrucker-
kunst ja schon von den Chinesen erfunden
worden sei.

„Freilich," gestand Gutenberg zu, „die
geistlichen und weltlichen Behörden scheinen
noch Alles im Zopflande drucken zu lassen."

Als Einer die Schlechtigkeit der Welt
beklagte, sagte Gutenberg:

„Es hat Alles sein Gutes auf der Welt:
wenn es nicht so viel Lumpen gäbe, wo-
her sollt' man dann all das Papier nehmen,
dessen man zu meinem segensreichen Werke
benöthigt?"
Register
Leutnant v. Versewitz: Aus dem lyrischen Tagebuch des Leutnants von Versewitz
Max Eitelberg: Wehmütige Betrachtung
Arpad Schmidhammer: Illustrationen zum Text "Der neue Plutarch"
Plutarch [Pseud.]: Der neue Plutarch
 
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