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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 5.1900, Band 2 (Nr. 27-52)

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Nr. 29 (??. Juli 1900)
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https://doi.org/10.11588/diglit.3411#0050
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Nr. 29

JUGEND

Der «ölz von Berlicbingen
Cässt an Hornbranntwein bringen

„Und iicb wiill sin Pscboon“
Brüllt der Karl Moor.

3edocb der weise Datban
Der schafft Eimonad’ an.

Josef Willomitzer

A. Schmidhammei

Ichauspielerehe

Plauderei in 2 Scene::

Von Hartl-dRitius
l. Scene:

Vor cler Vorstellung

(Frau Mizzi liegt im Schlafrock auf der Chaise-
longue und raucht eine Cigarette. Es klingelt.)

Fran Missi: Um Gotteswillen! Es
lvird doch kein Besuch sein, wenige Stun-
den vor der Premiere! (Die Thüre wird
geöffnet.) Du bist's, Bertha? Na — Du
gcnirst mich nicht.

Frl. Durlach (eine hübsche rothblonde Er-
scheinung in auffallender Toilette): Servus
Mizzil Ich war' längst gekommen, aber
seitdem Du von der Hochzeitsreise zurück
bist, steckst Du ja beständig im Theater.

Frau Missi: Leider. — Charmant
vom Direktor — was? Erst gibt er
uns nur 14 Tag' Urlaub, und dann
schickt er noch neue Rollen nach. Rollen
lernen auf der Hochzeitsreise! Eine klassische
Zumuthung!

Frl. Durlach: Ja — man gehört
nicht ungestraft zu den Lieblingen des
Publikums. Richtig, heut' ist ja die Pre-
miere vom „Star." Hat Dein Mann
auch zu thun?

Frau Misst: Freilich, er spielt wie
gewöhnlich meinen Schatz. (Sie lacht). Es
ist eigentlich urdumm, mit dem angetrauten
Mann solche Semen aufzuführen!

Frl. Durlach: Was werden Deine
Verehrer sagen?

Frau Misst: Na weißt Du, das ist
mir jetzt schon egal. Die können sich
einmariniren lassen wie die Häringe. —

Frl. Durlach: Wo steckt er denn, der
schöne Rudi? Kann man ihn nicht sehen?

Frau Missi: Er hat sich niedergelegt.
Die Probe dauerte ungewöhnlich laug,
und es ist eine alte Geschichte, (sie dehnt
sich lächelnd) daß wir vom schwachen Ge-
schlecht mehr aushalten, als die von:
starken.

Frl. Durlach: Das stimmt. — Wie
läßt er sich denn als Gatte an? Ich
bin so furchtbar neugierig. Weißt Du —
alle andern College:: eher, aber grad den
Rudi Thallcr kann man sich als Ehe-
mann gar nicht denken.

Frau Misst: Warum denn? Gehört
dazu was Besonderes? Das trifft doch
ein Jeder! Auf die Frau kommt's an.
Die muß Einsicht haben und vernünftig
sein, dann geht's schon.

Frl. Durlach: Du fühlst Dich also
glücklich in Deiner Ehe?

Frau Missi: Und wie! Der Rudi
ist ja so ein lieber Kerl! Und gern hat
er mich — für den existirt keine Andere,
der schaut keine Andere an.

Frl. Durlach: Mag sein, aber es ge-
hört doch immer eine Courage dazu, eine
Schauspielerehe einzugehen.

Frau Mstsi: Ganz im Gegentheil.
Das ist für uns die einzig richtige Ehe.
Gleiches Streben, gleiches Interesse, gleiche
Begeisterung! Ich kann nur ja nichts
Schöneres denken, als eine solche Harmonie
der Seelen! Das gleiche Verständniß für
Künstlerschwäche auf beiden Seiten. Und
dann — ich bin gerade keine musterhafte
Hausfrau. Na ja — wo sollt' ich's her
haben? Bei einem andern Mann wäre
das sicher eine Quelle von Verdruß —
mein Rudi bemerkt es gar nicht. Er ist
es selber gewohnt, seine Sachen genial
durcheinander zu werfen, warum sollte er
mir deßhalb einen Vorwurf machen?

Frl. Durlach (ironisch): Nun. ja, wenn
man die Sache so ansieht, und wenn Du
genug Verständniß für seine kleinen Schwä-
chen hast —

Frau Misst (spitz): Ich weiß nicht,
wie Du das meinst. In puncto Treue
gibt's keine Nachsicht, das könnt Ihr E::ch
alle merken, Du auch, verehrte Collegin.

Frl. Durlach (verlegen lachend): Ich?
_ Ah _ das machst Du gut. (Im
Nebenzimmer hört man lautes Gähnen).

Frau Missi (lauscht): Horch — des
Löwen Erwachen! — Rudi, konnn' her-
ein, die Durlach ist da. — Jetzt kannst
Du gleich eine Probe von unserm Glück
sehen.

Frl. Durlach (steht aus): Nein, nein,
ich will nicht stören. Man erwartet mich
auch zum Thee. — Leb wohl und grüß
mir den Beneidenswerthen!

Frau Missi: Werd's ausrichten. Adieu!

Rudi (öffnet die Schlafzimmerthür): Ist
sie fort?

Frau Misst: Ja — Gott sei Dank.
Die liebe Collegin! — Sie gönnt mir
mein Glück nicht.

Rudi: Kann ich ihr nicht verdenken.

Frau Missi: Hörst! arrogant brauchst
Du nicht zu werden. (Er nimmt sie i» Me
Arme.) Laß mich los, Rudi! (Er küßt sie.)
Ich Hab' meine Garderobe noch nicht ein-
gepackt! (Er küßt sie >vieder). Es ist gleich
fünf — wir müssen in's Theater! (Er
küßt sic immer heftiger.) Rudi — das Publi-
kum erwartet uns!

Rudi: Das Publikum ist mir momen-
tan Wurscht!

Frau Missi: Rudi, sei nicht so un-
artig ! Rudi •— i — i — i —!

2. Scene:

Hach der Vorstellung

(Frau Mizzi und ihr Gatte sitzen beim Abend-
essen.)

Frau Missi: Das war einmal ein
Bombenerfolg!

Rudi (kauend): Hm — ja — schöner
Erfolg.

Frau Misst: Ich begreif' nicht, wie
Du essen kannst, nach solchen Aufregungen.

Rudi: Erlaube, es ist halb zwölf, da
darf man doch endlich einmal Hunger
haben.

Frau Misst: Ich nicht. Ich brächte
keinen Bissen hinunter. Nur Durst Hab'
ich — schenk' mir ein, Rudi!

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Register
Philomene Hartl-Mitius: Schauspielerehe
Arpad Schmidhammer: Zeichnung zum Gedicht "Klassisches Intermezzo"
Josef Willomitzer: Klassisches Intermezzo
 
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