Nr. 29
1900
JUGEND -
Ginglpielgesellschaft „Arion"
Von dem Podium tönt ein Schrci.
Da stch'n Drei:
Line Dicke presst den Musen
Mit kontusen,
Sechsmal wiederholten Morten
Dann steht dorten
Line Aüng're, deren Mund
ikugelrund
Aukgcrisscn zum Lrharmcn;
Mit den Armen
Fuchtelt sie herum im Kreise
Mechseiweise.
Lndlich sicht man einen Mann.
Dann und wann
Murmelt er im tietsten Lass
Irgendwas.
Meistens aher steht er da
"And schreit: „Da!"
Gott sei Dank, hald ist's vorbei,
Alle Drei
Steigen dann vom Podium nieder
tllnd betreten mit Geschrei
Dottentlich cs niemals wieder.
Theater-Grammatik
Engagement.Hauptwort
Rollo.Eigenschaftswort
Eage.Zahlwort
Kontrakt ...... Bindewort
Applaus . . . . . . vocatio
Souffleur.. Hilfszeitwort
Zulage. . ... . . Steigerung
Bescheidenheit .... Fremdwort
Be>:effz. ...... Sammelname
Ordnungsstrafe .... Empfindungswort
Urlaub.Negation
Kündigung.Leidende Form
Haute volee
Etwas aus meinem Leben
Von
Marie Lonrad-Ramlo
war im Jahre — das weiß ich
nicht mehr. — Meine Mutter ging
im Zimmer umher, auf dem rechten Arm
trug sie ein kleines Kind, mit der linken
Hand räumte sie auf. Anders habe ich
meine Mutter überhaupt selten gesehen.
Ich ging hinter ihr her, mit bettelndem
Gesicht, eine rothc Taille in der Hand.
„Was willst Du denn mit dem alten
Ding?" fragte sie. „Wo hast Du denn
das her?" Sie warf einen kritischen Blick
auf das Kleidungsstück.
„Aus dem Lnmpcnkorb der Tante,"
sagte ich. „Oh da sind noch viele schöne
Sachen drin. Die Taille ist doch hübsch?"
Sie war ans hochrothcm Baumwollstoff,
tief ausgeschnitten und vorne und hinten
hatte sie eine Schncbbe, Äermelchen kaum
bis zum Ellbogen, alles ganz schmucklos.
„Großartig!" spottete die Mutter gnt-
müthig. „Jedenfalls der Faschings-Staat
eines Dienstmädchens."
„Darf ich?" bettelte ich.
„Was denn?"
„Auf die innne voläa."
Sie lachte. „Mit der Taille?" Dann
ernsthaft: „Du weißt, der Papa will nicht,
daß Du schon wohin gehst. Jetzt bist Du
noch nicht einmal sechzehn Jahre alt. Plag
inich nicht so! Ich Hab' so immer Verdruß."
„Ach Mutter, der Papa brauchts ja
nicht zu wissen. Die Lina unb die Sophie
und die Laura dürfen auch gehen. Die
Laura geht als Schottin. Denen hat's ihre
Mutter gleich erlaubt, aber wir Habens
nicht so gut — weil wir ärmer sind. —
Immer nur in der Kinderstub'!" — Und
ich fing zu weinen an.
Ich wußte, diese Worte thaten meiner
Mutter weh, aber ich egoistischer Fratz
wollte sie weich machen, und ich erreichte
ineinen Zweck.
„Weil wir ärmer sind," — murmelte
sie — dann sagte sie nichts mehr.
Meine kleine Schwester, die eingeschlafen,
war, legte sie in's Bettchen. Ich drückte
ihr sofort die rothe Taille in die Hände
und sie selbst in einen Stuhl.
Sie musterte das Ding lächelnd.
„Tja," sagte sie und drehte es herum,
dann summte sie: „Ein Schäfermädchen
weidete — der Papa darf freilich nichts
erfahren," mit einem Blick auf die Taille:
„aber mager ist die Geschichte." Sie sang
wieder leise, das that sie immer während
der Arbeit: „Zwei Lämmchen an der Hand
— da um den Ausschnitt könnte man von
dein blauen Tarlatan eine Rüsche machen,
und um die Aermel auch." Sie stand auf
und ging zum großen altmodischen Glas-
schrank, von meinem Papa „Museum" ge-
nannt. In diesem Schrank war alles zu
finden, was man in einem Haushalt braucht,
ja noch weit mehr: Kinderwäsche, Kerzen,
Speisereste, Geschirr, Schulartikel, Blunien
und Bänder, alles ziemlich kunterbunt durch-
einander. Die braungeblümten Vorhänge
verdeckten den ganzen Inhalt. Die Mutter
warf alles hinein, wenn sie's eilig hatte;
das nannte sic aufräumcn.
Sic zog ein großes Stück lichtblauen
Tarlatan heraus und fing summend an,
es in Streifen zu schneiden. Ach, sie konnte
so entzückende Rüschen und Schleifen machen.
„Ein Schäfermädchen weidete.
Zwei Lämmchen an der Hand,
In einer Flur am Genfersee ..."
49?
1900
JUGEND -
Ginglpielgesellschaft „Arion"
Von dem Podium tönt ein Schrci.
Da stch'n Drei:
Line Dicke presst den Musen
Mit kontusen,
Sechsmal wiederholten Morten
Dann steht dorten
Line Aüng're, deren Mund
ikugelrund
Aukgcrisscn zum Lrharmcn;
Mit den Armen
Fuchtelt sie herum im Kreise
Mechseiweise.
Lndlich sicht man einen Mann.
Dann und wann
Murmelt er im tietsten Lass
Irgendwas.
Meistens aher steht er da
"And schreit: „Da!"
Gott sei Dank, hald ist's vorbei,
Alle Drei
Steigen dann vom Podium nieder
tllnd betreten mit Geschrei
Dottentlich cs niemals wieder.
Theater-Grammatik
Engagement.Hauptwort
Rollo.Eigenschaftswort
Eage.Zahlwort
Kontrakt ...... Bindewort
Applaus . . . . . . vocatio
Souffleur.. Hilfszeitwort
Zulage. . ... . . Steigerung
Bescheidenheit .... Fremdwort
Be>:effz. ...... Sammelname
Ordnungsstrafe .... Empfindungswort
Urlaub.Negation
Kündigung.Leidende Form
Haute volee
Etwas aus meinem Leben
Von
Marie Lonrad-Ramlo
war im Jahre — das weiß ich
nicht mehr. — Meine Mutter ging
im Zimmer umher, auf dem rechten Arm
trug sie ein kleines Kind, mit der linken
Hand räumte sie auf. Anders habe ich
meine Mutter überhaupt selten gesehen.
Ich ging hinter ihr her, mit bettelndem
Gesicht, eine rothc Taille in der Hand.
„Was willst Du denn mit dem alten
Ding?" fragte sie. „Wo hast Du denn
das her?" Sie warf einen kritischen Blick
auf das Kleidungsstück.
„Aus dem Lnmpcnkorb der Tante,"
sagte ich. „Oh da sind noch viele schöne
Sachen drin. Die Taille ist doch hübsch?"
Sie war ans hochrothcm Baumwollstoff,
tief ausgeschnitten und vorne und hinten
hatte sie eine Schncbbe, Äermelchen kaum
bis zum Ellbogen, alles ganz schmucklos.
„Großartig!" spottete die Mutter gnt-
müthig. „Jedenfalls der Faschings-Staat
eines Dienstmädchens."
„Darf ich?" bettelte ich.
„Was denn?"
„Auf die innne voläa."
Sie lachte. „Mit der Taille?" Dann
ernsthaft: „Du weißt, der Papa will nicht,
daß Du schon wohin gehst. Jetzt bist Du
noch nicht einmal sechzehn Jahre alt. Plag
inich nicht so! Ich Hab' so immer Verdruß."
„Ach Mutter, der Papa brauchts ja
nicht zu wissen. Die Lina unb die Sophie
und die Laura dürfen auch gehen. Die
Laura geht als Schottin. Denen hat's ihre
Mutter gleich erlaubt, aber wir Habens
nicht so gut — weil wir ärmer sind. —
Immer nur in der Kinderstub'!" — Und
ich fing zu weinen an.
Ich wußte, diese Worte thaten meiner
Mutter weh, aber ich egoistischer Fratz
wollte sie weich machen, und ich erreichte
ineinen Zweck.
„Weil wir ärmer sind," — murmelte
sie — dann sagte sie nichts mehr.
Meine kleine Schwester, die eingeschlafen,
war, legte sie in's Bettchen. Ich drückte
ihr sofort die rothe Taille in die Hände
und sie selbst in einen Stuhl.
Sie musterte das Ding lächelnd.
„Tja," sagte sie und drehte es herum,
dann summte sie: „Ein Schäfermädchen
weidete — der Papa darf freilich nichts
erfahren," mit einem Blick auf die Taille:
„aber mager ist die Geschichte." Sie sang
wieder leise, das that sie immer während
der Arbeit: „Zwei Lämmchen an der Hand
— da um den Ausschnitt könnte man von
dein blauen Tarlatan eine Rüsche machen,
und um die Aermel auch." Sie stand auf
und ging zum großen altmodischen Glas-
schrank, von meinem Papa „Museum" ge-
nannt. In diesem Schrank war alles zu
finden, was man in einem Haushalt braucht,
ja noch weit mehr: Kinderwäsche, Kerzen,
Speisereste, Geschirr, Schulartikel, Blunien
und Bänder, alles ziemlich kunterbunt durch-
einander. Die braungeblümten Vorhänge
verdeckten den ganzen Inhalt. Die Mutter
warf alles hinein, wenn sie's eilig hatte;
das nannte sic aufräumcn.
Sic zog ein großes Stück lichtblauen
Tarlatan heraus und fing summend an,
es in Streifen zu schneiden. Ach, sie konnte
so entzückende Rüschen und Schleifen machen.
„Ein Schäfermädchen weidete.
Zwei Lämmchen an der Hand,
In einer Flur am Genfersee ..."
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