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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 5.1900, Band 2 (Nr. 27-52)

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Nr. 31 (30. Juli 1900)
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https://doi.org/10.11588/diglit.3411#0090
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1900

Nr. 31

£s hat der Lebensweg, den Sie bcfchritien —

© glauben Sie dem Mann, der viel erfuhr —
Ja feine frohen Seiten, unbestritten,

Doch diese dauern kurze Weile nur!

Der Weg führt sicher in des Teufels Küche —
© Fräulein, denken Sie an Ihre Psyche!

© denken Sie an die Kameliendame,

© denken Sie an Marion de Lormel

Die welkten hin, geknickt von frühem Grame

ilnd litten wohl auch physisch ganz enorm:

Denn jede Nacht bis Drei in tollem Bund fein,
Düs kann ja doch unmöglich recht gesund sein!

Und was Sie da als Liebe so betreiben,

Jch sag' es Ihnen kühnlich ins Gesicht,

Das ließen Sic viel besser unterbleiben —
ist die wahre Liebe nämlich nicht,

Die Sie da pflegen so zum Spaß, anstatt in
Der Pflicht als Hausfrau, Mutter oder Gattin!"

-o sprach ich sanft, mit Rührung im Mrgane,
Und blickte ihr ins Antlitz kummervoll —

Sie aber lachte, wie erfaßt vom Wahne,

Nis ihr das Wasser aus den Augen quoll!

Und statt zerknirscht zu sein von meinem Rüffel,
Rief sie: „Va t’en, flehe moi la paix, v’lain muffle l“

Und mit dem Parasol, dem rothgeblümten,

Schlug sie nach 'mir und zielte auf's Profil
Und statt der Reuethräncn, die sich ziemten,
Schumpf sie mich bete, ringe und imbecile.

Ich rief prophetisch über sic ein „Weh!" aus,
Nahm meinen put und schritt aus den: Tafehans!

So hätte sich kein deutsches Weib betragen,

Dem guter Rath von biedrer Lippe stoß.

So derbe Worte durfte sie nicht sagen,

Auch wenn die Warnerstimme sie verdroß!

Ich hielt Tuch stets für schlecht, Lutetia'? Töchter —
Nun sch' ich ein: Ihr seid sogar noch schlechter!

Mir war der Ankunft allzugroßer Jubel
Nun sehr geschwind ins Gcgcnthcil verkehrt —
Ich schritt ernüchtert durch den Gaffentrubel,

Gar oft bedroht von einem Droschkenpferd l
So manche Huldin hat mich angeschmunzelt,

Doch strenge Hab' ich nur die Stirn gerunzelt.

Ich bin kein Mensch, der allzu prüde mäkelt,
lind denke nicht so hart, wie ein Trappist,

Doch fühlt' ich mich beträchtlich angeekelt
Zunächst von Allem, was französisch ist!

Und schleunigst spült' ich jenes Weibes Thaten
Mir bei poussct hinab mit deutschem „Spaten".

Biedermeier mit «i

. JUGEND .

Beim Zeitmigslesen

Die Herren von der chinesischen Gesandt-
schaft in Berlin haben der Kultur des Westens
die Konzession gemacht, sich die Zöpfe abschnei-
dcn zu lassen. „Unbegreiflich!" sagte ein
hoher Beamter im bayrischen Kultusmini-
sterium, als er diese Nachricht in der Zeitung snhl

Herr Gröber las, das; in Regensburg der
Cooperator Rüth zu 1 'h Jahren Gefängnis; ver-
nrthcilt wurde wegen Sittlichkeitsverbrechen, be-
gangen an kleinen Kindern. Gröber rief aus:
„Der arme Mensch ist gewiß wieder durch das
Bild der Venus von Milo im Schaufenster einer
Kunsthandlung verführt worden!"

Die Einweihung des Cäsariums auf der
Saalburg soll durch ein klassisches Kostümfest
gefeiert werden, wie die Blätter melden. Herr
Laufs wird einen Prolog für die Mimik verfassen.
Das kann allerdings klassisch werden!

Zu der kriegerischen Stimmung der deutschen
Presse angesichts der chinesischen stdreueltbaten äu-
ßert sich die Zeitschrift „Ethische Cultur": „Diese
Verbindung von primitivster Jndianermoral mit
dem Brustton von kultureller Neberlegenheit, diese
Stimmung wilder Blutrache im Namen der Aus-
breitung christlicher Zivilisation — das ist wirklich
die tiefste Erniedernüg Deutschlands seit den Tagen
von Jena und Austerlitz . . ." Als Prinz Tu an
das gelesen hatte, wischte er sich mit dein Blatt
den blutigen Säbel ab und sagte: „Mir scheint
ich gehe mit den weißen Hunden immer noch zu
anständig um!"

Chinesisch-Bayerisch

A.: Bitt schö', Herr 8., kinnas ma net
10 Mark pumpen? (China.)

8.: Na, na, da knnnt a jeda daher kem-
nm (Taku)! A propos, Ecchnan Sch an g
(Jean) ha'i gestern a scho 5 Mark glieha.
(Shanghai).

A.: So, di entsinn' i mi net (Tientsin).

(Caran cP Ache im Figaro“)

Dame 6uropa in der Sommerfrische

„Dieser chinesische Schatten ist gar nicht angenehm!"

Der neue Mutarch

Mit Zeichnungen von Arpad Schmidhammriy

Die Transvaalbahnerbauer fragten den
Präsidenten Krüger, ob er sich nicht auch in
gewissem Sinne an dein Unternehmen de
thciligcn wolle.

„Nein!" erwiderte der fromme Mann.
„Ich will ein reines Gewissen haben, ich will
nichts wissen von diesem Unternehmen
Uebernchmcn will ich daher im Gcgcnthcil
die JOOOOO Franken, von denen Sic gesprochen
haben."

Der dcutschnationale Abgeordnete Iro sagte
einmal zu einem Tschechen, er halte das tschech-
ische Volk im Grunde für gut und bescheiden,
„Ich verbitte mir jede ironische Bemerk
ungl" schrie der Tscheche.

Diogenes war sehe genügsam, weil er
nicht viel hatte. Freie Luft und Hellen Sonnen-
schein liebte er dagegen sehr.

Einst besuchte ihn ein gewichtiger Herr
und forderte ihn huldvollst aus, sich eine Gnade
zu erbitten.

„Geh mir ein wenig aus der Sonne!"
sagte der bescheidene Diogenes.

Der österreichische Feldmarschall Graf
Montecncnli war nicht nur ein bedeutender
Feldherr, sondern auch ein arger Schalk.
Nichts machte ihm mehr Vergnügen, als Siege
zu erfechten und die Leute zum Besten zu habe».
Eines Tages besuchte ihn ein reisender
Engländer, um ihn über das Lriegführen zu
interviewen. Montecuculi machte ein ernstes
Gesicht und sagte: „Zum Rricgsührcn braucht
inan drei Dinge: Geld, Geld und noch einmal
Geld."

Der Engländer bedankte sich und thcilte
das Rezept sofort dem englischen Rriegsminister
mir — und seither halten sich die Engländer
für das kricgstüchtigstc Volk der Erde.

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Register
[nicht signierter Beitrag]: Beim Zeitungslesen
Caran d'Ache: Aus "Figaro": Europa in der Sommerfrische
Arpad Schmidhammer: Illustrationen zum Text "Der neue Plutarch"
Plutarch [Pseud.]: Der neue Plutarch
[nicht signierter Beitrag]: Chinesisch-Bayerisch
 
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