Nr. Z7
JUGEND
iöOO
Keine Sov$ei
Der Lzechenführer Herold hat jüngst bei
einem czechischen Meeting Deutschland be-
schuldigt, es plane die Annerion Böhmens.
Deutschland sollte Luch begehren,
Wenzel? — wie furios!
Glaubst Du ernst an solche Mären,
Gder lügst Du blos?
was die Andern nicht vertragen,
Unverdaulich, schwer —
Glaubst Du, daß für unfern Magen
Dies genießbar wär? —
Ja, Dein Land, das sag' ich ehrlich,
Das gefiel uns schon —
Aber man bekommt es schwerlich
Ghne die Nation!
was der „deutsche Ränkeplaner"
Auch begehren mag —
Lieber Südseeinsulaner,
Als das Volk von Prag!
Lieber schwarze Bantuneger,
Raffern aus Transvaal,
Als das Volk des Or. Gregr
Und des Dolezal!
Lieber Ainos und Rariber,
Botokuden, Sioux —
Alle, Wenzel, sind uns lieber,
Alle noch, als Du!
Lieber Boxervolk und Mandschuh,
Eskimo's voll Thran —
Wenzel! Nein! Mit keine,n Handschuh
Rühren wir Dich an!
Höchstens, wenn man uns von drüben
Mal um Hilfe bat,
weil es gar zu frech getrieben
Wenzel hat im Staat,
Und in Ungezogenheiten
Außer Rand und Band —
Schicken wir Luch 'neu Gefreiten
Mit sechs Mann in's Land:
Luch den großen Mund zu stopfen,,
Der so furchtbar schreit
Und die Jacken auszukloxfen,
Bis Ihr artig seid!
Solches kann ja mal xaffiren,
Wenzel, dann thut's weh!
Aber Böhmen annektiren,
Bruder Wenzel? — Ne!
Hans
Saure Gurken
Nicht zufrieden mit den glanzenden Erfolgen
der Jesuiten in China, und in dem heißen Be-
mühen, auch bei uns etwas in chinesischen Wirren
zu machen, verlangt die Berliner „Germania" die
schleunigste Zulassung der jesuitischen Mis-
sionen im Deutschen Reiche. „Die Jesuiten-
frage ist im Fluß. Es soll unsere Sorge sein,
immer an dieselbe zu erinnern, und sie nicht
versumpfen zu lassen. Das Laviren muß
endlich (!) aufhören."
Also schön, nehmen wir diese saure Gurke aus
dem „Sumpfe" des Zentrums heraus, werfen
wir sie in den „Fluß" (bei Regensburg), um sie
ihrer fröhlichen Bestimmung, nämlich dem Ersaufen
im „Schwarzen Meere" zuzuführen. Wenn
die Gurke ersoffen ist, braucht sie auch nicht mehr ge-
waschen zu werden, — das „Laviren" kann aufhören!
Sollte sie aber nicht ersaufen, so werden wir
uns mit Vergnügen bei der ferneren Pökelung
und Desinfektion dieser unsterblichen Urgurke be-
theiligen.
» & *
*Dr. Sigl hat in seinem herrlichen „Bay-
rischen Vaterland" den 70. Geburtstag des Kaisers
von Oesterreich durch die Aufforderung an
das Bayernvolk begangen, seine Gebete an diesem
Tage nach Wien zu richten, wo der eigentliche
Kaiser der Deutschen residire, und sich abzu-
wenden von der Parvenü-Trikolore „Schwarz-
Weiß-Roth". Wie wir hören, hat vr. Sigl für
den ersteren Theil seiner Behauptung die Haus-
knechtmedaille des Heil. Wenzel, für letztere
dagegen ein Patent als Eunuche bei I. Maj.
der Kaiserin Tsu-Tsi erhalten. Namentlich über die
Betonung der deutschen Mission des Herr-
schers über Oesterreich hat sich Wenzel unsinnig ge-
freut, da hiedurch nach böhmischem Staatsrecht auch
die Czechisirung Wien's näher gerückt wird.
Die österreichische Regierung dagegen soll gegen
vr. Sigl einen Haftbefehl erlassen haben, weil
er sich landesverräther,sche Hanswurstereien gegen
einen benachbarten Verbündeten habe zu Schulden
kommen lassen. Ob sich in München eine Staats-
anwaltschaft oder Polizeibehörde finden wird, welche
jenen Haftbefehl auszufiihren bereit wäre, erscheint
uns sehr zweifelhaft; denn während der Ober-
ammergauer Spiele herrscht bei uns unbedingte
„Freizügigkeit" im Biertrinken und -reden.
Trüber Ausblick
Die Blätter berichten, daß der Reichskanzler Fürst
Hohenlohe bei dem zwangsweisen Verkauf seiner
russischen Güter ein kolossales Vermögen zugesetzt
und nur 19 Millionen Rubel dafür gelöst habe.
Wenn man hinzurechnet, was der Fürst außer-
dem noch besitzt, so ist ja immerhin für seine Zu-
kunft gesorgt. Aber die Kinder, die Kinder!
*„Das Strafgericht Gottes"
nennen ultramontane Blätter Rietz-
sche's Wahnsinn. Heuchlerisches Pack!
Wir könnten mit einer ganzen Reihe
aflerchristlichster Könige und Frommer
aller Grade aufwarten, darunter sogar
Jesuiten vom reinsten Wasser, — die
alle an sehr schweren und unheilbaren
Gehirnerkrankungen, religiösem Wahn-
sinn u. s. w. gelitten haben und zu
Grunde gegangen sind, wenn wir uns
nicht — schämten, jenes blödsinnige
Ammenmärchen anders zu nehmen, als
was es ist: ein Kniff Dummer für
noch Dümmere!
Rlafsische Erläuterungen zur
deutschen Literatur
Ein sächsischer Gymnasiallehrer kam
mit seinen Schülern bei der Lektüre des
Schiller'schen „Grafen von Habsburg"
an die Stelle:
„Süßer Wohllaut schläft in der Sai-
ten Gold" und brachte diesen Vers auf
folgende Weise „dem künstlerischen Em-
pfinden näher":
„Sinn denn de Saiten merklich von
Gold gewäsen? Nu, nee, se sind na-
tierlich nich von Gold gewäsen! 's
wer'n halt Schaafsdärme gewäsen sein?!"
Derselbe Kunstpädagoge erklärte den „Monolog"
wie folgt:
,,'n Monolog is es, wenn zwei auf der Bihne
sind und einer geht weg!"
Und auf die Frage, was Priameln seien, er-
klärte der begnadete Interpret:
„Priameln sinn Gedichte (mit Daumen und
Zeigefinger andeutend) von dieser Länge, wo's
erscht gonz am Ende 'rausgommt?!"
sieben auf einen streich
Vor einem Berliner Gericht standen sieben
Jäger, die während der Schonzeit zusammen mit
vierzig Schüssen vier Stück Rothwild abgeschossen
hatten. Auf die Tödtung eines Stückes Rothwild
während der Schonzeit steht eine Geldstrafe von
90 Mk. Macht für vier Stück 360 Mk. Diese
Summe mußte jeder der sieben Jäger bezahlen,
weil „jeder auf die Thiere schoß, jeder das Han-
deln des andern als das seinige gelten lassen
wollte und durch seine eigene Thätigkeit unter-
stützte." Im Ganzen kosteten also die vier Stück
Wild 2520 Mk.
Diese Rechtsprechung muß denn doch im höch-
sten Grade Befremden erregen. Allerdings kann
ein Stück Wild nur eimnal sterben, es kann aber
eine größere Zahl von tödtlichen Schüssen em-
pfangen. Nehmen wir an, daß — was sicher
nicht zu hoch gegriffen ist — von den vierzig
Jägerschüssen nur vierzig tödtlich waren, so war
der Thatbestand der Wildtödtung vierzigmal er-
füllt. Macht 3600 Mk. Dieser Betrag war von
jedem der Jäger zu zahlen, weil „jeder auf die
Thiere schoß, jeder das Handeln des andern als
das seinige gelten lassen wollte und durch seine
eigene Thätigkeit unterstützte." Macht für sieben
Jäger 25 200 Mk. (in Worten: fünfundzwanzig-
tausend auch zweihundert Mark.)
Fiat Justitia et pereat — tristitia.
650
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Keine Sov$ei
Der Lzechenführer Herold hat jüngst bei
einem czechischen Meeting Deutschland be-
schuldigt, es plane die Annerion Böhmens.
Deutschland sollte Luch begehren,
Wenzel? — wie furios!
Glaubst Du ernst an solche Mären,
Gder lügst Du blos?
was die Andern nicht vertragen,
Unverdaulich, schwer —
Glaubst Du, daß für unfern Magen
Dies genießbar wär? —
Ja, Dein Land, das sag' ich ehrlich,
Das gefiel uns schon —
Aber man bekommt es schwerlich
Ghne die Nation!
was der „deutsche Ränkeplaner"
Auch begehren mag —
Lieber Südseeinsulaner,
Als das Volk von Prag!
Lieber schwarze Bantuneger,
Raffern aus Transvaal,
Als das Volk des Or. Gregr
Und des Dolezal!
Lieber Ainos und Rariber,
Botokuden, Sioux —
Alle, Wenzel, sind uns lieber,
Alle noch, als Du!
Lieber Boxervolk und Mandschuh,
Eskimo's voll Thran —
Wenzel! Nein! Mit keine,n Handschuh
Rühren wir Dich an!
Höchstens, wenn man uns von drüben
Mal um Hilfe bat,
weil es gar zu frech getrieben
Wenzel hat im Staat,
Und in Ungezogenheiten
Außer Rand und Band —
Schicken wir Luch 'neu Gefreiten
Mit sechs Mann in's Land:
Luch den großen Mund zu stopfen,,
Der so furchtbar schreit
Und die Jacken auszukloxfen,
Bis Ihr artig seid!
Solches kann ja mal xaffiren,
Wenzel, dann thut's weh!
Aber Böhmen annektiren,
Bruder Wenzel? — Ne!
Hans
Saure Gurken
Nicht zufrieden mit den glanzenden Erfolgen
der Jesuiten in China, und in dem heißen Be-
mühen, auch bei uns etwas in chinesischen Wirren
zu machen, verlangt die Berliner „Germania" die
schleunigste Zulassung der jesuitischen Mis-
sionen im Deutschen Reiche. „Die Jesuiten-
frage ist im Fluß. Es soll unsere Sorge sein,
immer an dieselbe zu erinnern, und sie nicht
versumpfen zu lassen. Das Laviren muß
endlich (!) aufhören."
Also schön, nehmen wir diese saure Gurke aus
dem „Sumpfe" des Zentrums heraus, werfen
wir sie in den „Fluß" (bei Regensburg), um sie
ihrer fröhlichen Bestimmung, nämlich dem Ersaufen
im „Schwarzen Meere" zuzuführen. Wenn
die Gurke ersoffen ist, braucht sie auch nicht mehr ge-
waschen zu werden, — das „Laviren" kann aufhören!
Sollte sie aber nicht ersaufen, so werden wir
uns mit Vergnügen bei der ferneren Pökelung
und Desinfektion dieser unsterblichen Urgurke be-
theiligen.
» & *
*Dr. Sigl hat in seinem herrlichen „Bay-
rischen Vaterland" den 70. Geburtstag des Kaisers
von Oesterreich durch die Aufforderung an
das Bayernvolk begangen, seine Gebete an diesem
Tage nach Wien zu richten, wo der eigentliche
Kaiser der Deutschen residire, und sich abzu-
wenden von der Parvenü-Trikolore „Schwarz-
Weiß-Roth". Wie wir hören, hat vr. Sigl für
den ersteren Theil seiner Behauptung die Haus-
knechtmedaille des Heil. Wenzel, für letztere
dagegen ein Patent als Eunuche bei I. Maj.
der Kaiserin Tsu-Tsi erhalten. Namentlich über die
Betonung der deutschen Mission des Herr-
schers über Oesterreich hat sich Wenzel unsinnig ge-
freut, da hiedurch nach böhmischem Staatsrecht auch
die Czechisirung Wien's näher gerückt wird.
Die österreichische Regierung dagegen soll gegen
vr. Sigl einen Haftbefehl erlassen haben, weil
er sich landesverräther,sche Hanswurstereien gegen
einen benachbarten Verbündeten habe zu Schulden
kommen lassen. Ob sich in München eine Staats-
anwaltschaft oder Polizeibehörde finden wird, welche
jenen Haftbefehl auszufiihren bereit wäre, erscheint
uns sehr zweifelhaft; denn während der Ober-
ammergauer Spiele herrscht bei uns unbedingte
„Freizügigkeit" im Biertrinken und -reden.
Trüber Ausblick
Die Blätter berichten, daß der Reichskanzler Fürst
Hohenlohe bei dem zwangsweisen Verkauf seiner
russischen Güter ein kolossales Vermögen zugesetzt
und nur 19 Millionen Rubel dafür gelöst habe.
Wenn man hinzurechnet, was der Fürst außer-
dem noch besitzt, so ist ja immerhin für seine Zu-
kunft gesorgt. Aber die Kinder, die Kinder!
*„Das Strafgericht Gottes"
nennen ultramontane Blätter Rietz-
sche's Wahnsinn. Heuchlerisches Pack!
Wir könnten mit einer ganzen Reihe
aflerchristlichster Könige und Frommer
aller Grade aufwarten, darunter sogar
Jesuiten vom reinsten Wasser, — die
alle an sehr schweren und unheilbaren
Gehirnerkrankungen, religiösem Wahn-
sinn u. s. w. gelitten haben und zu
Grunde gegangen sind, wenn wir uns
nicht — schämten, jenes blödsinnige
Ammenmärchen anders zu nehmen, als
was es ist: ein Kniff Dummer für
noch Dümmere!
Rlafsische Erläuterungen zur
deutschen Literatur
Ein sächsischer Gymnasiallehrer kam
mit seinen Schülern bei der Lektüre des
Schiller'schen „Grafen von Habsburg"
an die Stelle:
„Süßer Wohllaut schläft in der Sai-
ten Gold" und brachte diesen Vers auf
folgende Weise „dem künstlerischen Em-
pfinden näher":
„Sinn denn de Saiten merklich von
Gold gewäsen? Nu, nee, se sind na-
tierlich nich von Gold gewäsen! 's
wer'n halt Schaafsdärme gewäsen sein?!"
Derselbe Kunstpädagoge erklärte den „Monolog"
wie folgt:
,,'n Monolog is es, wenn zwei auf der Bihne
sind und einer geht weg!"
Und auf die Frage, was Priameln seien, er-
klärte der begnadete Interpret:
„Priameln sinn Gedichte (mit Daumen und
Zeigefinger andeutend) von dieser Länge, wo's
erscht gonz am Ende 'rausgommt?!"
sieben auf einen streich
Vor einem Berliner Gericht standen sieben
Jäger, die während der Schonzeit zusammen mit
vierzig Schüssen vier Stück Rothwild abgeschossen
hatten. Auf die Tödtung eines Stückes Rothwild
während der Schonzeit steht eine Geldstrafe von
90 Mk. Macht für vier Stück 360 Mk. Diese
Summe mußte jeder der sieben Jäger bezahlen,
weil „jeder auf die Thiere schoß, jeder das Han-
deln des andern als das seinige gelten lassen
wollte und durch seine eigene Thätigkeit unter-
stützte." Im Ganzen kosteten also die vier Stück
Wild 2520 Mk.
Diese Rechtsprechung muß denn doch im höch-
sten Grade Befremden erregen. Allerdings kann
ein Stück Wild nur eimnal sterben, es kann aber
eine größere Zahl von tödtlichen Schüssen em-
pfangen. Nehmen wir an, daß — was sicher
nicht zu hoch gegriffen ist — von den vierzig
Jägerschüssen nur vierzig tödtlich waren, so war
der Thatbestand der Wildtödtung vierzigmal er-
füllt. Macht 3600 Mk. Dieser Betrag war von
jedem der Jäger zu zahlen, weil „jeder auf die
Thiere schoß, jeder das Handeln des andern als
das seinige gelten lassen wollte und durch seine
eigene Thätigkeit unterstützte." Macht für sieben
Jäger 25 200 Mk. (in Worten: fünfundzwanzig-
tausend auch zweihundert Mark.)
Fiat Justitia et pereat — tristitia.
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