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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 5.1900, Band 2 (Nr. 27-52)

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Nr. 42 (??. Oktober 1900)
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1900

JUGEND

Nr. 42

Luther zu einem Flammenschwerte der Denkfreiheit
und des Bekcnnermuthes entwickelt hat, — sie
ist in den Augen Roms das instrumentum
diaboli, mit dessen Beseitigung sa mancher
römische Schmerz zur Ruhe, so manches gestörte
Herrschaftsgelüste zur definitiven Anerkennung kom-
men würde.

Dieser fromme Wunsch zieht sich als „schwar-
zer Faden" durch den ganzen österreichischen Jam-
mer, aber auch durch die deutsche Politik der Röm-
linge und ihrer blinden Hilftstruppen. Znm Zwecke
der Entprotestantisirung, der Entdentschung, der
Sprachabtödtung werden nun zum X ten Male
auch wieder die Jesuiten herbeigerufen. Eigent-
lich haben wir sie ja immer gehabt. Sie
gehen leibhaftig unter rrns herum, und das Col-
legium Germanicum (ein Irrens a non lucendo!)
in Rom und die Stella matutina in Feldkirch ver-
sorgen die Höfe, die höhere „Gesellschaft" sowie
alle klerikal angehauchten Kreise Deutschlands mit
dem nöthigcn schwarzen Sauerteig. Daher hat cs
ja einen Schein von Berechtigung, wenn auch
die Demokraten für die Aufhebung des Jesuiten-
verbotes stimmen, und wen» auch außerhalb des
Zentrums die Meinung besteht, daß die Jesuiten
den klerikalen Kohl nicht fett machen. Aber zwischen
Jesuitenbummel und Jcsuitcnniederlassungen ist
t ch ein gewaltiger Unterschied, etwa so wie Na-
r leon I. von gewissen Parasiten gesagt hat: sie
3 haben ist keine Schande, wohl aber sie zu
behalten.

Ich gehe aber noch weiter und sage: jede
organisirte, staatlich geduldete Feind-
seligkeit gegen die deutsche Sprache ist
eine Schande nicht nur für das deutsche Volk,
sondern für jeden Staat, der an der Erhalt-
ung des Deutschen ein Lebensinteresse
hat. Eine Schande, sage ich, nicht blos eine
Dummheit und Schwäche; denn Volk und Staat
sollen männlich denken und sich nicht ent-
mannen lassen. Gekrönte oder ungekrönte Wei-
ber mögen sich mit den deutschfeindlichen Kutten
nach ihrer Weise abfinden, für deutsche Män-
ner aber ist jedes derartige Entmannungs-Kom-
promiß schmachvoll.

„Nun laß uns Sühne trinken"

— so heißt's im „Tristan" und so sagte auch
der Kaiser von China in seinem Briefe an
Kaiser Wilhelm II. Offenbar beruht das
freundliche Anerbieten des Chinesenkaisers, die
Ermordung des deutschen Gesandten durch
„Trankopfer" zu sühnen, auf der Reise-
beobachtung des braven Li-Hung-Tschang,
daß die Deutschen immer gerne noch
Eines trinken! Wie es aberscheint, sollen
bei dem nunmehr proponirten „Sühnetrank"
nur die chinesischci, Pfaffen etwas zu schlucken
bekommen. Der Vorschlag des Chinesenkaisers
stellt mithin geradezu den Gipfel der Unvcr-
lrorenheit bar 1

Es ist manch einem aufgefallen, daß Kaiser
Wilhelm II. unter Berufung auf die christ-
liche Glaubensgenossenschast Genugthuung
und Sühne für die Hinmetzelung von Unter-
thanen des chinesischen Kaisers for-
dert; diese Forderung —so sagen die Nörgler —
vertrage sich nicht mit den Begriffen des euro-
päischen Staats- und Völkerrechts. Das fin-
den wir nicht, einer der ältesten europäischen
Grundsätze lautet doch bekanntlich: „Haust Du
meinen Juden, hau ich Deinen Juden;"
man braucht nur das Dein und mein zu ver-
wechseln und statt des Juden einen Christen
zu setzen, so ist der deutsche Rechtsanspruch
vollkommen aufgeklärt.

Der neue Mttarch

„was sagen Sie zu der Reise waldcr-
secs?" sagte ein Hausfreund zum Fürsten
Herbert Bismarck, „wenn Einem schon im
Vorhinein alle möglichen Auszeichnungen und
Ehrungen zu Ehest werden, was bleibt dann
noch übrig als Belohnung für vollbrachte
Eharen?"

„Da kann man sich leicht aus der Ver-
legenheit helfen," erwiderte der Fürst, „dann
kann man ihn ja ab sägen!"

Mahnruf!

Wie lange soll der Narrentanz noch dauern
Im schnöben Osten, dort auf China's Flur?

Da gibt ein Schauspiel, wahrlich zum Erschauern!
Den grinsenden Barbaren die Cultur:

Europa's Flaggen weh'n von Pekings Mauern,
Doch frecher wird dies Mordgesindel nur
Und ungezüchtigt darf es uns betrügen
Mit Negerschlauheit und mit Kinderlügen I

Da lagern sie, des Westens stolze Mächte,
Unüberwindlich einzeln jedes Heer
Und stark genug, daß cs den Frevel rächte
Und Sühne heischte, fürchterlich und schwer!

Für sich allein — jawohl! Wer aber dächte,
Nun käm's zu Thaten — ach! der irrte sehr:
Für sich allein ist Jeder groß und mächtig —
Vereint geberden sie sich niederträchtig!

Wärst Du allein, wie würden sie erzittern,

Lieb Vaterland, vor Deiner Eisenfaust,

Die schwer, wie Donars Hammer in Gewittern,
Auf kecker Buben Schädel niedersaust I
Da tangt's den Dankee's und den Moskowitern,
Daß ihre Pfote plump Dein Werk zerzaust —
Sie machen Flausen — spielen die Humanen —
Und drängeln Dich aus wohlerwognen Bahnen!

Sine ILNirnerkigur

Zur Rechten sieht man, wie zur Linken.

Linen halben Deutschen heruntersinken.

Für ein Douceur von zwölf Millionen Seelen.
Und wären'? Mandschu — ach, was thut man nicht,
Mac Kinley denkt: „Wenn sie mich wieder wählen,
Dann pfeif' ich gern auf Ehr' und Menschenpflicht!"
Und gibt's für England irgend was zu stehlen,
Wer weiß, für wen's zu guter Letzt noch ficht?
Der Franzmann bleibt des Zaren treu'ster Pudel —
Und Vetter Michel steht allein im Rudel!

Und knirschend fügt sich Deutschland der Jntrigue
Das erst so laut sich seiner Kraft gefreut —

Es kommen Zeiten, wo man besser schwiege,
Wo's besser ist, man handelt, eh' man dräut;
Und Waldersee's Triumphzug vor dem Siege
Hat auch die Dümmsten bitter schon gereut!

Was hilft es, redlich sein und stark und tüchtig,
Macht man die Nachbarn damit eifersüchtig!

Wem darf man trau'» ? Der Eine lügt in

Stummheit -

Der Andre mit homerischem Geschrei,

Ans jeden Uebermuth und jede Dummheit
Folgt pünktlich drüben eine Schurkerei;

Die selbst bewußt sind ihrer Wege Krnmmheit,
Die glauben nie, daß Einer ehrlich sei.

Und, Hand auf's Herz nur: im concreten Falle,
Mehr oder minder, glaub' ich, lügen Alle!

Ihr beugt Euch vor dem blutbefleckten Weibe
Und heilig ist Euch ihr verruchter Kopf —

Blos ihren Sklaven wollt ihr kühn zu Leibe,

Ihr Biedern — ach, wie lang ist Euer Zopf!

So macht Ihr Euch zu ihres Spottes Scheibe
Und mit ihr höhnt Euch Li, der alte Tropf,

Er weiß: wie viel wir morden, brennen, senge»,
Sie alle wagen's nicht, uns d'rum zu hängen!

Habt Jhrs im Sinn, den Hunnen gleich zu toben,
Nun wohl, so habt den Math zu Mord und Brand,
Dann sei die Hand, die drohend sich erhoben,
Wie Asraels, des Rächers böse Hand!

Vermeint Jhrs christlich? O, ich will Euch loben!
Zieht wieder friedsam heim in Euer Land —
Nur amüsiert die gelben Widersacher
Nicht länger fürder durch Gekeif und Schacher!

Und endet bald dies Schwanken und dies Klügeln:
Des Schlachtengottes Blutgier ist entfacht —

Ihr werdet sie so leicht nicht wieder zügeln,

Er will sein Opfer! Nehmt Euch wohl in Acht,
Daß er sich nicht ans seinen schwarzen Flügeln
Des Wartens müde auf die Reise macht
Und schickt sich an, im Abendland zu kosten,
Was Eure Schwäche, ihm versagt im Osten!

©.

Weltpolitik

Ede: Du Lude, wat is denn det mit die
Anslandsflotte? Erklär' mir det mal.

Lude: Det mußte so verstehen: lVena
Du een Roofmann in KiaNtschau bist nn die
Injeborenen ermorden Dir, nn Deutschland
hat keen Kriegsschiff hinznschicken, denn bist
Du der jelackmeierte Ulittelenropäer, nach dem
keen Hahn kräht. Haben wir aber die Flotte —
E d e: Denn ermorden se mir nich?
Lnde: Doch, ermorden thnn se Dir uff
jeden Fall, aber et wird nachher Krieg um
Dir jeführt, sichste, det is der vortheil.

In der „Augsburger Abendzeitung" finden
wir das merkwürdige Wort „Petresaktcn-
versammlung." Das ist nicht etwa ein
Druckfehler für Petrefakten-Sammlung, son-
dern offenbar eine tückische Anspielung ans
den Katholischen Gelchrtcncong reß!

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Register
Monogrammist Frosch: Eine Jammerfigur
[nicht signierter Beitrag]: "Nun laß uns Sühne trinken!"
O. [Ostini]: Mahnruf!
Arpad Schmidhammer: Illustration zum Text "Der neue Plutarch"
Plutarch [Pseud.]: Der neue Plutarch
[nicht signierter Beitrag]: Weltpolitik
 
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