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JNr. l

JUGEND -

1901

o

tiefen
einöen

„Wir haben lang genug geliebt
Und wollen endlich Haffen!"

Singt Herwegh, was mich tief betrübt,
)Nan soll das lieber lassen!

Wohlan, verehrte Feinde, laßt
Das Sprüchlein uns verschieben:

Wir haben lang genug gehaßt
Und wollen endlich lieben!

Schenkt ein! Schenkt ein l Stoßt an! Stoßt an!

In allererster Reihe

Bist Du's, geliebter Hetzkaplan,

Dem dieses Glas ich weihe!

Den Rcichsfeind grüß' ich: prost! Juhei!
Gleichviel ob er ein Landsmann,

Db römisch oder böhmisch sei,

Lin Pole oder Franzmann!

Ich grüß die Brut der Unterwelt,

Die ZNucker rings im Lande,

von Hochmuth und von Haß geschwellt,

Der Heuchler ekle Bande!

Die Demagogen grüß' ich auch,

Die's eigne Rest besudeln.

Und als den allerschlimmsten Gauch
Den deutschen RUchel hudeln!

Und Jene aus der Junker Schaar,

3TOt neun und sieben Jacken,

Die thun, als hält' ein Gott sie gar
Aus befferm Teig gebacken;

Die Schranzen, die der Fürsten Blick
7Uit Schmcicheldunst umnebeln,

Der Bureaukraten trockne Llique,

Die Geist und Freiheit knebeln!

Heran denn zum Sylvestertrunk,

Die Jugend lädt zum dUahle!

Auch Lhamberlain, der Lrzhalunk',

Kriegt seine volle Schale!

Ihr haltet mir jahraus, jahrein
Das Blut in heißem Flusse —

So soll mein Dank auch Luer sein
Iu des Jahrhunderts Schluffe!

4

Ich brauch LuchHe die Himmeisluft,
Wie's liebe Brot, Ihr Biedern:

Und jeder Rarr und Schelm und Schuft,
Gibt Stoff zu Bild und Liedern!

Drum weih' ich heut den Becher ganz
Dem Wohlsein meiner Feinde:

Trhalte Gott in ihrem Glanz

Die liebliche Gemeinde! .iucf.\s>

Gott sei Dank, bei uns M's beffer!

Fern im Süd, im schönen Spanien,

Gehr cs höchst bedenklich zu,

Denn im Scharten der Rastanien
Ist der Pfaffe ein iilou!

Täglich hörr man Runde, wie er
Recht und Freiheit unterdrückt,

Wie Loxola als Erzieher
Jenes arme Volk beglückt!

Freies wort ist längst verboten
Jedem liberalen Mann
Und die geifernden Zeloten
Sind gar flink mit Acht und Bann!

Neulich in Pamplona wieder
Hat der „varvenir" erzählt,

Daß diverse Riostcrbrüdcr
Lonira sexlum sich verfehlt,

Die mir Mägdlein sich vergnügten,

Unter vierzehn Jahren alt,

(wenn sic willig sich nicht fügten,

O, dann brauchte man Gewalt!)

Und der Bischof der Gemeine
warf den Bannstrahl, glaubt es mir! —
Aber nicht auf jene Schweine,

Sondern auf den „?arvsnir"!

Auf die Scycr, auf die Träger,

Auf die ganze Redaktion —

14

Auch die Leser und Verleger
Reiegtcn etwas ab davon!

Faßt's uns nicht das Hirn wie Schwindel
Ob so arger Niedertracht?
welch abscheuliches Gesindel
Har in jenem Land die Macht!

Aber auch im schönen westen
Sind die Pfaffen nicht von Blech,

Die dorr auch das Land verpesten,
wie die Wanzen schnöd' und frech!

In des stolzen Frankreich Mitten,

In dem Land der liberts,

Rsmmandir'n die Jesuiten
Unvcrhüllr die grande arm6e!

Schwarze Bigorrrie verschandelt
Blanke waffenchrc hier
Und im Beichtstuhl wird verhandelt
Zwischen Mönch und Offizier.

wenn der Leutnant dort die predigt
Oder gar die Messe schwänzt,

Ist sein Avancement geschädigt,

Ob er dienstlich noch so glänzt!

Ist er gar zu seinem Schaden
Bios civilircr gcr. '"'"t,

Aergcr» ihn die Ramcraden
Successtvc aus der Haut!

Heilen muß er seine Ehre
Dann auf blutiger Mensur —

(Nach der alten Rirchenlchrc
Eine streng verpönte Rur I)

Blicker nach Italien weiter,
wie der Rlerus sich gcrirr,
wie er, schice als Gottesstreiter,

Einem Mörder applaudier I

Stumpf und roh in ihrem Wahne
Rasen sic — ich weiß cs nicht,

Ob man nicht im Varikane
Noch den Brcssi heilig spricht!

Auch in Rußland sind die Popen
Reinen schlechten Groschen wcrrh —
wird man nicht zum Misanthropen,
wenn man all' die Schmach erfährt?

Bios in Deutschland ist cs besser,

Denn der deutsche Priester ist
Nicht vom Stamm der Retzcrfresscr,

Der die Nächstenlieb' vergißt!

Hier ist Duldung, hier sind Sitten,

Sanft und gut und llcb und wahr,

Hier sind keinerlei Jesuiten
In Livil und im Talar!

Hier verdient der Rlerus seinen
Extrafeinen Lorbccrkranz,

Bringt er doch im Reichstag einen
Antrag ein auf — Toleranz!

He rin an n

Ferdinand von 6dnü und der
„Vorwärts"

weil in Berlin man ehren will
Den Helden Ferdinand von Schill,

Der kühn sich erhob
Für des Landes Noth,

Der furchtlos zog in den Heldentod -
Und mir ewigem Ruhm sein Haupt umwob,
Beschimpft nun der „vorwärts" den

herrlichen Man» —
Es thur halt Jeder, was er kann!

Dem Schill gcficl's, eine Schaar zu werben
Und mit ihr für sein Volk zu sterben,
was Dem natürlich widerstrebt,

Der lieber von seinem Volke lebt!
Index
Hermann, Herrmann [Ostini]: Gott sei dank, bei uns ist's besser!
Monogrammist Frosch: Titelbild zum Text "Den lieben Feinden"
Redaktioneller Beitrag: Den lieben Feinden
Hanns (Hans): Ferdinand von Schill
 
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