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Nr. 1

1901

ihre TVollgcborn .Srcitlcin Ricke Schmitt
Solldaddenbrif, ciclienc Ahngelegenheut
-cs Apscnrers

Posemukel, l. Januar 1010
Steine Ricke!

Jllmbet fdiite ich Dich meine ncucsde Bodografie,
wo ich bei,,, Feldbauer Hab machen lassen, du
>nusd aber schonst ctutt sein und mich umgehend
°se Kosten ersezen. welche nemlich in Ahnbedracht
°.'e kille Auszeichnunken, wo ich jetzt habe, sehr groß
»nd und macht 8 Mark snnszich.

Iteh ich nich da win Generali?

Die Schüzzeuschnur kennst Du schon. Dahn
bawe ich awer noch den Ringkragen mit -r o-
dumm vons Rementsjubiläum an echte Nickel-
kette. Die Orten sink eichentlich keine Orten nich
sondern Erinncrunksmedalchen 1. von die
^rössnnng der Pserdebahnlinche Posemn-

äel-Schtviemeld orf 2. von die letzte Monds-
linsternis; 3. von die Verlobung von die

Kusine von derMuttervonRementsinhaber

ihre seiner Tante ihre Großnichte. 4. als
Zeitgenosse. — Fernerst: aus eine Ba-
lrondasche den Rammenszuch von die
Gwiehn Fiktorja und aus der andern den
dMo Vom Prins of Wels. Aus dieGnr-
ielschnahle das Dadumm von die
huntertste Aussührunk von „Tschar-
leis Dante." Aus die Hintere Batrondaschc
wo man awer nich sehen kahn das Porträ
» o n G r a f W a l t e r se h. Aus die Aermel:

2ch arsschi es ab Zeichen, Zimmerstuz-

ienschießabzeichen,Ehrensalfenschieß-
n bz eich e n , Blatzbatronenschieß ab-
ieicheu. Aus den linggen Gefreidenknopfs
das Porträ von Könich Addila und
aus den rechten das Porträ von Leo XIII.

An die lingge Schulter die neuchen Ba-
rademarschbän der Trauerbarad e-
d ander und Stieselba radebänder.

Auf jeden Unisormknopss das Dadumm
von eine scheue Rede, wo gehalden
worden ißt.

Mich gct es serr gut bloß bin ich Amends
von die ville Auszeichnunken zu tragen etwas
midc und durschtich. Dieses zu bericksichtichen
winscht Dich

Dein gcdreicr

Schorsch Schulz

Gefrcider im öl. Gardekrcnnadir-
rement „Fürscht Albert von Mo-
nako" in Posemukel.

öylvesler-Munsck eines Jung-
gesellen

^leib wie der Baum im Lichenwald
2o stark und säftefrisch, — doch halt,
^limm noch den Zreundeswink an:
Heuer keinen Ring an!

_ II. K.

Aus dem

Tagebuche eines Dofmarichalls

Ganz abgewendet ist die Geiahr jedenfalls
noch nicht. So lange er um unsre Grenzen
ternmschlejchl, knnn er Tag für Tag einen
kemdlichen Einsall riskiren. lind die V-Züge
. e'n lächerlich geringes Geld jeden

flwr;',,.®etl ln wenigen Stunden nach
Sternber» knauserig wie unser Freund

mR w !’■ btm!1 '°nnte man ihn vielleicht
"‘Z™ ^ die Platzgebühr von

zwei Mark abschrccken. Aber so ... Vielleicht
wäre em neuer Eisenbahn-Unsall mit gehörig
vielen lobten grade jetzt von Segen. Der-
gleichen nimmt sich nicht schlecht aus und ver-
ehlt stme Wirkung auf empfängliche Ge-
muther me. Ich werde mit Thielen sprechen.

vöerso - es ist unsre Pslicht, Sr. M.
den Anblick dieses Scheusals zu ersparen.

Schorsch Schulz M. Feldbauer
Ein deutscher Soldat aus dem Jahre ISIS

Thielen meint, bei dem rabiaten Subjekt helfe
auch ein zweites Osscnbach wenig. Hat schon zu
zahlreiche Panzerzüge zum Entgleisen bringen lassen,
als daß ihm ein lumpiger, umstürzeuder V-Zug
imponiren würde, vamuedi Dabei ist auzuuehmen,
das; er sich vor der zweiten Attaque ordnungsgemätz
ankündigt; wir sind dann außer Stande, nochmals
eine Etikettcn-Querelle aus der Angelegenheit zu
machen. Käme er doch wie seiner Zeit Cccil Rhodes
im Sommerjaquet, dann wäre die Abweisung leicht
Aber einen Frack soll er auch besitzen. Und einen
Cylinder, der alte Modegeck! Ich bin in rechter
Sorge.

» * « *

Aber getrost, alter Junge! Halte den Kops hoch,
so lange du noch welchen hast! Ist es, bei Licht
betrachtet, nicht doch eine Lust zu leben? Jahrzehnte
hindurch haben sich unsere genialsten Diplomaten,
Bismarck voran, darum bemüht, die entonte oordiale,
die Einigkeit der europäischen Mächte, herbeizu-
führen. Niemals aber gelang das große Werk.
Selbst in China wollte es partout nicht glücken.

'Ind nun plötzlich, wo Krüger nach Europa gekom
men ist und Intervention erbittet, nun plötz-
lich sind alle, aber auch alle Mächte einig ...
keinen Schritt zu Gunsten der Buren zu tbnn.

Ein wahrhaft glänzender diplomatischer Er-
folg Krügers, mit dem er zufrieden sein sollte!

Uebrigens tvill man den Unheimlichen ge-
stern aus der Höhe von Arcona kreuzen ge-
sehen haben!

Ob ich mich mit Justizrath und Notar D>\
Cello in Verbindung setze? Wenn man sieht,
wie spottbillig Eide und eidesstattliche Ver-
sicherungen im Prozeß Sternberg sind; wie
sür ein Glas Bier oder einmal Apfelkuchen
mit Schlagsahne zehn Meineide geschworen
werden, dann sollte man es doch auch sür
möglich halten, etliches krügerfeindliches
Gesindel In Berlin auszutreiben und eine
begeisterte Antiburen-Demonstration in
Berlin zu erzwingen.

Cello soll an Luppa in London schreiben.
Als momentaner Engländer verdient Luppa
unser besonderes Vertrauen. Dem Manu
mit seinen Verbindungen in den Berliner
Mädchenschulen wäre es doch ein Kleines,
imposante Kinderumzüge gegen Krüger zu
veranstalten!

Zeugen aus dem Konitzer Prozeß beschwö-
ren, Krüger in der Nähe der Synagoge am
Mönchsee beobachtet zu haben.

Der Feind bereits im Lande! Im Zentruni
unserer Zivilisation!

Es beginnt zu schneien! Die Zeit der Ver-
kehrsstockungen ist da! O gesegnete Zeit! Wie
der Schnee treibt! Geht es noch einen Tag
so fort, dann kann eine volle Woche lang kein
Eiseubahnzug mehr nach Berlin hinein.

Ich bin gerettet! Dankbar will ich statt
der geforderten zwei Tagesgehälter zwei und
einen halben zum Moltke-Denkmal beitragen.
(Lessing sagt zwar, „kein Mensch muß müssen,"
aber er kannte die Einrichtung der freiwil-
ligen Beiträge nicht). Die höchste Stelle
wird es anerkennen, daß mir der Löwen-
antheil an diesem Erfolge zusteht.

Ich muß doch mehr englisch lernen. Was
heißt zum Beispiel der Satz, den mir heute
Freund K. in's Album schrieb, mit der
Ueberschrist „Deutsche Weltpolitik von 1901"?
— „Our sole aim is the just interest of
England regardless of the objects of other
nations. (Rieh. Cobden, 1835).“

• >»r»n

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Register
Max Feldbauer: Schorsch Schulz - Ein deutscher Soldat aus dem Jahre 1910
M. E.: Sylvesterwunsch eines Junggesellen
Caliban: Aus dem Tagebuche eines Hofmarschalls
[nicht signierter Beitrag]: Soldatenbrief
 
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