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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 6.1901, Band 1 (Nr. 1-26)

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Nr. 6
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* * * i. . s

Nr. 6

. JUGEND -

1901

Arnold Roecklin t

Der Meister starb — nicht wild und bitter Klage,
wer ihn geliebt! verschließt in tiefer Brust
Der Thronen Born an seinem Sarkophagen
Sein Werk war fertig, als er fortgemußt.

Und ausgelebt das vollmaß seiner Tage
Und ausgeleert der Becher heitrer Lust;

Kein Rausch des Schaffens hat ihn mehr

umfangen —

Lin müder Mann ist stille schlafen gangen!

Gönnt ihm den Schlummerl Gönnt ihm, daß

das Tosen,

Der Schrei der Gasse nimmer zu ihm klingt,

Der Lärm des Kampfes, des erbarmungslofen,
Drin Mensch den Menschen gierig niederzwingtl
Umhagt sein Bett mit einem Wall von Rosen,
Durch den kein Zuß von Ungeweihten bringt!
Dann schließt die Pforte! wendet Luch zum Leben,
Und wägt sein Lrbe, das er uns gegeben I

wie war er reich I Mit frohem Staunen gleitet
Der Blick auf all' die farbenreiche Pracht;

Das Land der Träume steht er ausgebreitet,

Das Riegeschaute steht er wahr gemacht,

Das Riegewesne lebt und webt und schreitet
Durch einen Lenz, der ewig blüht und lacht;
Uralte Sage strahlt in Dffenbarheit,

Das Wunderbare wird vertraute Wahrheit!

Wie war er starkl von keines Menschen Gnade
ward ihm der Kunst Geheimniß aufgethan.

Und stolz und einsam schritt er seine Pfade.

Dem Gott im Busen folgend, himmelan,

Daß er die Brust in reinern Lüften bade —

Und kreuzte Roth und Sorge feine Bahn,

Lr schritt nur lächelnd aufwärts zur Vollendung,
Sich selber treu und seiner hohen Sendung,

So wird er uns für alle Ankunft gelten:

Als Vorbild herrlich, nicht als Schöpfer blos,
Als wegebahner in verschloss'ne Welten,

Als Mensch und Kämpfer, furcht- und makellos!
Lr war zugleich — und das ist wunderselten! —
Lin Kind im Herzen und im Geiste groß!

Lin Weiser war er, ein gedankenlichter,

Lin Seher war er — und er war ein Dichter!

Lrröthe nur und lerne spät bereuen,

Wie Du ihn lang verkanntest, deutsches Land!
Und lerne täglich seliger Dich freuen
Der Schätze, die er ließ in Deiner Hand!

Und sendet Gott einst wieder einen Reuen,
Der, kühn wie er, dem Alltag abgewandt.
Selbstherrlich trotzt veralteten Geboten,

So grüße ihn — und denke jenes Todten!

V. v. O.

Verte von Arnold Boecklin

(Eine Dame hatte den im Sedicht erwähnten
'Vorgang erlebt und wünschte, ihn von Uoecklin im
Bilde dargeftellt zu sehen, öm der Dame zu be-
weisen, daß der Stoff weniger für malerische als für
dichterische Behandlung geeignet sei, vertahte Boecklin
die hier mitgetheilten 5trophen,)

Im Dämmerfchein kehrt ich zurück zur Stadt,
Verlassend auf der Via JTppia
Die ßräbertrümmer, weiche schweigend ernst
0en lzimmel fchau'n.

Wie viel 6efchlechter lagen modernd dort!
Wie vieles Leid mag dort begraben fein!
Wer weih davon? Vorüber ift es feit
Jahrtausenden.

Da nähert sich eintöniger Llefang,

Lin Mönch trägt einen kleinen ffinderfarg.
Lin Priester fingt fein traurig ssequiem,

Und diesen folgt

Lin kleines paar, das kaum fo eilen kann,
6efchwifter find es jener Leiche dort,
dhr Vater todt, die Mutter im Spital,

Sie ganz allein.

Das Unglück ift der Menschheit dauernd Coos
i Wer geht durch's Leben ohne Leid? öeduld!
Mit Dir auch ift’s vorüber einst) — schon feit
dahrtaufenden.

Julius Diez (München)

Das Jubiläum

Zweihundert Jahre! Krönungsfcst!
Depeschen: Süd, Rord, Vst und West!
Lrst Schloßkapelle, Lercle dann!
Manch fremder hochgestellter Mann
Lrlasse, Reden, wie's so geht!

Der Reichs an zeiger stolz gebläht!

von Gottes Segen viel man spricht,
von Dankbarkeit und Treu und Pflicht,
Gehorsam, Tapferkeit und Lhr,
verdienst und so dergleichen mehr,
von Ahnen, Ruhm und Tradition
Und steh, schon winkt der Treue Lohn:

Und auf des Landesherrn Gebot
Sich senken Adler schwarz und roth,

Ls wimmeln alt' und neue Drden,
Zürst, Graf und Rath ist mancher worden,
Amts ketten steht man festlich blinken
Und allenthalben Schampus winken!

Und Jnfant'rie und Kavall'rie
Und Schießschul', Train und Artill'rie,
Lin jedes kriegt zu seinem Heil
Der Thren wohlgemeff'nes Theil:

Die hohe Gnad' des Kriegesherrn
Genehmigt Schießpreis, Garde st ern!

Lin Regiment steht stolz man ziehn,

Dem ein Parademarsch verliehn;

Den Lhrenmarsch aus Riederland
Man just zu rechter Zeit noch fand,

Auf daß mit dem histor'schen Stücke
Die blauen Zungens man beglücke.

Ja, alles, herrlich vorbedacht,

Hat Millionen froh gemacht.

Rur eines hat man unterdessen
vergessen gänzlich: das vergessen!

Und vielen ward's im Käfig weh um
Das Herz gleich nach dem Jubiläum!

Kilian

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Register
Kilian: Das Jubiläum
F. v. O.: Arnold Böcklin †
Arnold Böcklin: Verse von Arnold Böcklin
Julius Diez: Memorialstätte Arnold Böcklin
 
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