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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 6.1901, Band 1 (Nr. 1-26)

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Nr. 9
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JUGEND

Nr. 9

1901

Der junge Schnee

Dcr junge Schnee will fort und fort
Hoch oben tanzen und lachen;

Er möchte nimmermehr sein RIeid
Auf Erden schmutzig machen.

Doch einmal muß er niederwärts,
Ihm geht's wie allem Andern.
Man kann nicht ewig unschuldsvoll
In reinen Höhen wandern.

Und wie er weinend niedersinkt,
Bis nah zur Erde gleitet,

Sieht er ein holdes Frühlingskind,
Das wie im Jubel schreitet.

Er küßt sie auf den rorhen Mund
Und will sich nimmer trennen,

Und als er glücklich lächelnd stirbt,
Fühlt er ein heißes Brennen!

Kätbi I)artmann


Zweierlei Köpfe

Zwei Sorten Köpfe gibt es; grundoerseijiedne sind's.
Die einen brennen eignes Licht im Schädel drin,
Ein theures Licht, — es zehrt die Kraft des

Gebens auf.

Die Andern brennen fremdes Licht im Schädel drin,
Ein billiges Licht, mit dem sich's trefflich leben Iaht,
Ob’s nun gekauft, geborgt, gestohlen ist, das Licht.

Albert Matthä!

Hn den Ikater

Als der gewaltige Zeus sich des herrschenden Scepters bemächtigt,
Hab er jeglichem Hott aus der Zahl der lebendigen Wesen
Eines zu Dienst, dass es fortan treu ihm zur Seite gesellt sei t
fiera den Pfau, dem Poseidon das Ross, Aphroditen die taube,
Artemis gab er das flüchtige Reh und den Talter dem Eros.

Und dann lächelt’ er fein und er winkte Athenen und Bakchcus:
„Lange schon führet erbitterten Kampf ihr Beiden, ich weiss es.
Bakcheus heischt und Athene verlangt von den Männern die Nächte,
Und so gebührt euch Beiden ein thier, das sich freuet des Dunkels.
Dir, ernstblickende tochter, verleih’ ich die mürrische Eule,

Dir, mein Bakchcus, schmieg’ an den Tuss sich der knurrende Rater.
Hebt nun und streitet euch fort. Um die goldenen tische gelagert
Schauen wir Hotter den Zank. Doch die Rosten bezahle das

Menschlein."

Max von Seydel

ÄKen-ras?

In den Linden fkebt ein Lied,
süß und öanz —
zitternd üßev (Ylloov und (Nied
webt ein Gkockenkkang.

Hüsst ein Achterer tief die Q2)eff
und mich müden (Wandrer ein —
einen kieken Pfad nur HE

fern ein ftikker Aternenfchei'n ...

Wilhelm Roizamer

s

Aschermittwoch

hM'

(Eine Sjbnc von
Gtto Julius Bierbaum
Dem Club „Zur BetHelnnß" gewidmet

(Das Schlafzimmer des Dandy. In der
Mitte ein enormes Himmelbett, das von
weißen Mullvorhängen umgeben ist, die
mit fallenden grauen Roseir in Seide be-
stickt sind. Ebensolche Vorhänge an den
hohen Fenstern. Gegenüber dem Bett eine
große Waschtoilette aus grauem Marmor.
Die Wände haben grauseidene Bespann-
ung ; der durch das ganze Zimmer gehende
Teppich zeigt hellrothe Rosen auf grauem
Grunde. An den Wänden hängen in iveißen
Lackrahmen Lithographien von Eoulouso-
Lautrec.

Es ist zwei Uhr Nachmittags, aber im
Zimmer herrscht vollkommene Dämmerung.)

Der Dandy (im Traum, hinter den Gardinen des Betles,
singend):

Bald links herum, bald rechts herum, doch stets am Liebes-
ba . . a . . ndel (Ein Gespräch wiederholend, mit Nachahm-
nng der Stimmen ec.): Kathi, die Welt ist eine Bethelnnß. . -
Was für'n Ding? - . . Eine Bethelnuß . . . Woaß i, was
dös is? . . . Frag Deinen Kunstmaler. - A, der Fadian I der
schlaft ja scho' . . . Kathi? .. Wos is? ... Die Welt ist eine
Bethelnuß!

(Singend):

Und der Herr Marguis in Gran
Hat 'ne bli-bla-blonde Frau
Mit gefärbten Haaren;

Ei jawohl, ei jawohl,

Die 'mal anders waren.

(Sprechend): Daran ist kein Zweifel erlaubt; man sieht« ai»
Ansatz. Aber dennoch:

Ich mag nicht jene, ich will nicht diese,

Ich lieb allein die Frau Marquise.

Sekt kann sie trinken wie ein Fähnderich; sie war nicht um-
sonst Büffetmamsell.

(Erwacht, gähnt, ruft): Ka—simirl

Rasimir (der Kammerdiener, erscheint im Schmucke seiner
schwarzen Koteletten): Gnädiger Herr befehlen?

Der Dandy: Heute ist Dienstag?

Rasimir: Sehr wohl, gnädiger Herr, aber eigentlich . . .

Der Dandy (brüllend): Sie sollten sich das Wort „eigent-
lich" abgewöhnen! Das Wort ist eine Impertinenz I Wolle»
Sie vielleicht behaupte», daß ich betrunken bin?

Rast mir (unerschrocken, aber flötend): Im Allgemeinen ist
heute Mittwoch. (Betont): A-scher-

Der Dandy: Auch das noch! Auch das noch! Kan»
Einem dieser verfluchte Kalender denn gar nichts gönnen?
Kasimir, haben Sie gebeichtet? Haben Sie Ihr schlechtes Lebe»
abgeschworen? Fühlten Sie das Kreuz von Asche auf Ihrer
lasterhaften Stirne?

Rasimir: Ich hatte noch keine Zeit dazu heute, gnädiger
Herr, aber...

Der Dandy: Kasimir, Kasimir, Sie sind
ein Soolei von einem Sünder. So hart ge-
sotten sind Sie! Ist es wahr, daß Sie >>'
Frack und Lack und Claque, und zwar i»
meinem Frack und Lack und Claque in de»
Blumensälen waren! Ich reiße Ihnen die linke
Kotelette ab, wenn Sie leugnen!

Rasimiv (betroffen, aber schnell in Fassung-
mit dem Tone des verdächtigten Unschulds-
engels): Aber gnädiger Herr...

Der Dandy: Kasimir, Sie tremoliere»-
also sind Sie erkannt. Ich würde sagen-
Echämen Sie sich! wenn ich ein Idealist wäre-
Da ich das aber nicht bin, schenk ich Ihne»
das Zeug.


H. Nisle (München)
Register
Otto Julius Bierbaum: Aschermittwoch
Max v. Seydel: An den Kater
Albert Matthäi: Zweierlei Köpfe
Heinrich Nisle: Zierleiste
Käthi Hartmann: Der junge Schnee
Wilhelm Holzamer: Abendrast
 
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