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Nr. 10

• JUGEND •

(Redaktionsschluss:
20. Februar 1901.)

Frei nach IV. v. Kaulbach

(Fortsetzung)

Der lange kjofmann im Vrdensglanz,

Das ist der Graf Thun, der brave Franz!

Und der mit dem molligen Ambonpoein
scheint mir der verflossene Gautsch zu sein,

Er tröstet sich in seinem Aerger

Mit dem Mein des Schwiegerpapa's Schlumberger.

Daneben — ganz capnt, — salva veni

Im polnischen Kapperl liegt der Badeni

(Und der Polizist, sein treuer Genoß!)

Jetzt ist er gepurzelt vom hohen Roß
Und einen Höllenspektakel macht da-
Rüber sein Schatz, die polnische Schlachta.

Und jammern um ihren Lieblingssohn
Sieht man daneben Mama Reaktion!

Eine nette Versammlung ward dies allmählig —
Na, jetzt sind sie tobt — Gott Hab' sie selig! —
Rechts oben aber in unserm Bild,

Da hebt man den Wenzel auf den Schild,
wie einst den berühmten Kunig Etzel —
fjat er nicht ein ganz allerliebstes Frätzel?

Die Geißel schwingt er und thut nicht faul —
Aber das Größte an ihm ist das Maul.

Und was ist der Schild? Nun, Leser, errath's recht!
Der Schild, drauf er sieht, ist „bemmische Staats-
recht!"

Und die ihn erheben sind die Elerikalen
Nebst der hochedelen Schaar der Feudalen
Und alle Slaven, Kroaten, Schlowaken

In böhmischen Nützen und polnischen Jacken.
Und alle Rückwärtser und Freunde derselben
Und Bureaukraten und Ultraschwarzgelben
Und alle spießigen, g'müatlichen Wiener —

Und hinten, da fliegt noch ein Herr Kapuziner
Und ein jesuitischer Seelenpirat rum —

(Ich sage blos: Nobile par fratrum!)

Links naht sich der Michel, um mit dem frechen
Wenzeslaus ein wörtlein zu sprechen.

Ihn schieben und heben die Deutschradikalen,

Die Deutsch-Deutschen und Deutsch-Liberalen,

Der Wolf und der Schönerer und wie sie heißen,
Die nicht blos bellen, sondern auch beißen!

Der Deutschtiroler verprügelt die Wälschen,

Die ihm den Mein und die Sprache verfälschen;
Aus den Gefilden hoher Ahnen
Kommen die Schatten großer. Germanen,

Segnen den Michel für diesen Streit
Mit der Erinnrung gewaltiger Zeit —

Aber der Michel kommt nicht heran,

Hängt ja zu vieler Ballast ihm an:

Doktrinäre und trockne Magister,

Halbe Naturen und ganze Philister,

So daß •— links unten! Da seht sie nur! —
Schier verzweifelt die deutsche Kultur!

Zwischen den beiden streitenden Schaarcn
Hat man den Anblick von etlichen Paaren,

Die sich balgen und die sich zanken —

Michel kann sich bei ihnen bedanken,

Denn sie sind immer und ewig dazwischen,
will er den Wenzel am Kragen erwischen:

Da raufen Juden und Antisemiten —

Schaut nur den Lueger, den Erzjesuiten! —
Mit dem Bourgeois den: feisten und tristen
Prügeln sich die Herrn Sozialisten!

Und die rabiate Gesellschaft vergißt,

Daß ihr Erbfeind der Wenzel ist! —

Was Ihr da seht im Hintergrund
Schneckenhausförmig und kringelrund,

Das ist der Thurm voir Babylon —

Ihr habt ja wohl gelesen davon
Und von der großen Sprachenverwirrung,
Welche aus dieser Geschmacksverirrung
Altbabylonischer Architektur
Besagte Thurmbaugesellschaft erfuhr!

Hinter dein Trubel guckt voll Humor
Der dicke Magyar eraber hervor,

Als der gaudens tertius

Bei den zwo litigantibus! — —

Das ist die neue Hunnenschlacht,

Die wir dem , Kaulbach nachgemacht!

Und schier täglich erlebt nun diese
Im Wiener Reichsrath eilte Reprise,

Täglich ist neu der Kampf entbrannt —

Schön ist er nicht — aber interessant!

IIm«

Herauigeber: Dr. GEORG HIRTH; verantwortlicher Redakteur: F. vom OSTINI; G. HIRTH’s Kunstverlag, verantwortlich für den Inaeratentheil: G. EICHMANN, aämmtUch in München

Druck von KNORR A HIRTH, Ges. tn. beachr. Haftung in München.

ALLE RECHTE VORBEHALTEN.
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Hanns (Hans): Hunnenschlacht
Monogrammist Frosch: Zeichnung zum Text "Die Hunnenschlacht"
 
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