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Nr. 14

JUGEND

1901

Bismarck

Zum I. JTpril 1901

Cs ftirbt clie yabe,

Cs sterben clie 5reunde,
k§ stirbt ein Jeder der Männer,

Doch niemals stirbt
ves Mannes Chat,
yat er großes gewirkt im Leben.

(Ldda)

Elf Fahre find im Sturm vorbeigelegt.

Seit Du gar Kuder aus ger Yang gelegt —
Elf Fahre fehlt dem geutfchen Vaterland
Nun Deine TtarUe, treue, feite Yang!

Und wenn ich forschend In die Hunde fei)',
Sie fehlt uns heute, furcht' ich, mehr denn je!

Zn keinem yerzen ist Dein Bild verblaht,
Und wer Dich einft beleidigt und gehaht,
wag heute oft, auch wenn er'r nie geftand,
Mit IVehmuth denken Deiner treuen Yang,
Die uns geführt aus manchen Sturmer Noth,
.Hus Nacht und Toten — herrlicher Pilot!

Wenn unter yoffen fank und unter Muth —
Mir fah'n auf Dich und Filler wurde gut;
Und ging er jäh vorbei an wildem Piff —
Mir waren ficher Du ja warft im 8d)iff!
Mir lernten endlich Deiner Kraft vertrau'n,
Mie Kinder lächelnd auf den Vater bau'n!

Und heut ift'r anders: banger Sorge voll
geht unter Fragen um, war werden toll?
Menn auch dar Doof nicht ohne Steuer blieb,
Mir willen kaum, wohin die Fahrt uns trieb
Und Sturmerahnung drückt uns wetterfchwer
Und Kindlid) glauben können wir nicht mehr!

Da blieb ein Trott nur, der uns nimmer lügt:
Dah D u'r gewesen, der dar Deich gefügt!
Und dah ein Merk, von Deinem 8eift geweiht,
Fluch trotzen mag dem Metterfturm der Zeit!
Und dah ein Volk, geeint von solchem Mann,
Ffn Kraft und gröhe nid)> verarmen kann!

So blelbft Du unter, ob Du lang aud) fern,
Und grühefl mild herab von Deinem Stern
Und fdrau'ft dar Treiben an in guter Kuh':
„Mein deutfcher Schifflei», fchwanke,

schwanke zu:
Menn Du Dich aud) im

tollsten Mirbel drehft,

Eins weih id) dodi: dah Du
nicht untergehft!"

„Sugend“

Der Lockvogel

„Hansl", der Auf, ist im Frühjahr
verschieden- Er kränkelte lange, drückte
sich in alle Ecken seiner kleinen Stube,
ließ sich durch da? schönste Eichkatzl
nicht mehr hervorlocken und sträubte
keine Feder mehr; sein sonst so feuriger
Blick war trübe, halb erloschen, die
grauen Schleier darüber hoben sich nicht
mehr. Eines Tages fand ihn sein Herr
mit ausgestreckten Flügeln auf dem
Boden, das Haupt nach rückwärts ge-
beugt, als habe er im letzten Traum
noch einen Feind erblickt, hoch über ihm
iin blauen Aether.

Der „Hansl" war der Liebling seines
Herrn und daher der Schmerz groß. So
trug er ihn zum Ausstopfer, auf daß er
ihm wenigstens den Schein des Lebens
verleihe, was mehr ist, als man ge-
wöhnlich glaubt.

Der Ausstopfer aber war ein Künstler
in seinem Fache, und als der Herr nach
Monaten kam, seinen Hansl zu holen,
da drehte der Bursch seinen Kopf wie
früher, seitwärts, rückwärts, in die Höhe,
und spreizte die Flügel, daß es eine
Freude war, nur knaken und fauchen
konnte er nicht. Sein tapferer Zorn
war still geworden; Heu und Wolle
bilden nun einmal kein Herz, und die
Tapferkeit und der Zorn kommen aus
dem Herzen.

„Jetzt können'- damit auf d'Hütt'n
geh'n, als wenn er leb'n thät," meinte
selbstbewußt der Ausstopfer.

Ans dem lustigen Hansl war ein
„Lockvogel" geworden, dessen Leiden-
schaften durch ein dünnes Schnürchen
zu reguliren waren.

Dem Herrn gefiel es und gefiel e§
nicht. Er wußte selbst nicht, warum.
Der Hansl machte ihn traurig.

An einem schönen Herbstmorgen
ging er mit einem Freunde zum ersten
Male wieder nach der Hütte, den „Lock-
vogel" auf dem Rücken.

Die beiden Flügel spreizten sich, der
gläserne, starre Blick, der harte Körper,
— schöner war es schon, wie er so
warm im Arme lag, sein gcheimniß-
volles Augenfpicl trieb, hie und da eine»
heimtückischen Schnabelhieb führte, mehr
Scherz als Ernst.

Was ist alle Kunst gegen das Leben,
die größte Kunst gegen das dürftigste
Stück Leben?

Bor der Hütte stand der
alte Pfahl, feine Federchen
hingen noch daran.

P. Hauslein (München)

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Register
Anton Frh. v. Perfall: Der Lockvogel
Paul Haustein: Zierrahmen
Redaktioneller Beitrag: Bismarck
 
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