Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
1901

JUGEND

Nr. 18

High Life

Wien, im April. Sc. gräfl. Gnaden, der Herr Rittmeister Graf

Rainer P. aus Nagy-Dingsda > haben sich mit Hinterlassung von

200000 Kronen Schulden auf beschleunigte Weise nach Amerika begeben,
nachdem Hochdero reiche Braut, die schon wiederholt beträchtliche Posten
gräflicher Schulden bezahlt, das verlöbniß wegen der Liiderlichkeit des
Herrn Grafen gelöst.

New-Hork, im Mai. Miß Ellen Gosse, die Tochter des bekannten
«ofachen Millionärs gleichen Namens, des Gründers des Lloakenreiuiguugs-
Thrusts für die U. St., hat sich mit dem ungarischen Magnaten, Grafen
Rainer p. vermählt. Bei der Hochzeit wurden sechs Millionen Dollars
für Blumen ausgcgeben. Die Eloakcnpriuzcssin trug allein zwölf Kilo
Brillanten an ihrem Brautkleid.

Budapest, im Juli. Line Skandalaffaire erregt hier großes Auf-
sehen. Gräfin Ellen p., die Gattin des bekannte» Magnaten und Sports-
mann, ist mit Mr. Tip Top, dem Schlangenmenschen des Brpheums,
durchgegange».

u. f. w. — Vivant sequentes! w.

Lustige llacbricbten

Ref 0 rnte 11 im russischen Unterrichts wesen stehen in Aus-
sicht. Es gibt sogar Leute, die dran glauben, nachdem General KleigelS
durch den ersten Schritt auf diesem Wege sich bereits den Dank des Zaren
verdient hat: Der tapfere General hat nämlich mit der Verminderung
der Zahl der Studenten (durch Abschlachten und Einkerkern) be-
gonnen, damit man sich der Ausbildung des Restes mit um so größerer
Intensität widmen könne.

Bei einem Wohllhäligkeitsfest in Johannesburg erschien auch der große
Burenbezwinger, General Baden-Pawel und wurde von den anwesen-
den Tommis angecheert und angehurraht. Hierauf kletterte der General
wie ein Affe auf das Musikpodium, setzte sich auf dessen Fußboden und
sang ein humoristisches Lied: „Dean Kose, my sweet heart!“ — Warum
soll ein Operettengeneral auch kein Couplet singen?

Im Stadttheater zu Barmen demonstrirten bei der Aufführung der
Tragödie „Heinrich von Plauen" katholische Studenten und Gymnasiasten
in der unverschämtesten Weise gegen die freiheitliche Tendenz des Stückes —
unter Leitung eines Oöerlehrersl — Ei, eil Flachsmann
als Erzieher!

Salvatore Farina, dessen Stück „Blinde Liebe" in Nom nach
allen Regeln der Kunst durchgerasselt war, hat sämmtliche Kritiker
auf Schadenersatz verklagtl — Endlich wieder einmal ein neuer
Weg zur Unsterblichkeit!


<£*-

flßarterln

von Kassian Rluibcnschedl, Tulkeiemaler
6pitapbium congregationale
Sitte Viatori

0 Ulandrer stehe still» du brauchst nicht so rii eilen,

Ulcil ja auch dich erschiesst der Cod mit seinen scharfen Pfeilen,
So wenig wird er dich, mein lieber Christ, verschonen,

Ulie die da drunten morschenden frommen Kongregationen.
Denen die sündhaften Spanier, franzosen und Portugiesen
In argem frevelmuth jählings das Lebenslicht ausbliesen 1
Uler wird anietzt anstatt der Kochwürdigen Kerren Pater
Die Ulelt absolpiren von ihrem Sündenkater,

Uler wird mit heiligem Sinn und ohne nur zu mucken,
Cagtäglich alle die schrecklichen Codsünden hinunter-
schlucken!

Uler endlich, seitdem die nun verblichenen inmitten
von Ruhm und Glanz der bleiche Cod erritten
Ganz unvermuthet schnell auf seiner Schindermähren,

Ulird in Zukunft wohl die reichen Stiftungen verzehren >
Plange Viator t

0 weine, Ulanderer, an diesem Grabesgitter,

Ulo man zur Zierde und zugleich als hüter
Gesetze! sorgsam hat auf jede Seit’

Einen langen dürren (Jesuit als trauerweidv
Die schreien unermüdlich auf zum Kimmei >

„0 Kerrgott, strafe Du doch endlich diese Lümmel 1
Ulenn Du es machen könntest, dass sie plötzlich todt da lägen.
Gäben wir ihnen gerne ohne Stolgebühren unseren Segen 1“

%

Hutodafe

Auf einer frühlingsgrünen wiese bei Busserro ist ein Holzstoß
aufgcrichrcr für ein seltsames Brandopfer. In feierlichem Schweigen
stehen die Lieben, stehen die Freunde des todren Maestro im Kreise.
Zwei Kisten, gefüllt mit Aufzeichnungen von des Verewigten Hand,
werden auf den Scheiterhaufen gehoben. Eine Fackel lodert, Flam-
men züngeln auf. Krachend und qualmend verbrennen das Holz
und die Schriften, die nach des Todren letztem Wunsch kein Auge
mehr entziffern darf.

Die Flammen prasseln und lodern. Die Freunde schweigen und
sinnen: Ist jetzt nicht Unersetzliches zerstört? Wirbeln da nicht Ge-
danken in die blaue Frühlingsluft hinauf, wie sie nie wieder gedacht
werden? war da nicht Arbeit für Menschenalter gegeben, das Bild
seines Wesens und seiner Größe noch zu runden und zu vollenden?
war es nicht Frevel, der zerstörenden Laune des rodren Meisters
zu willfahren?

VTeinl Laßt Asche werden, was Asche werden soll! Er wollte
nicht, daß sie sich um den Abfall seiner Schöpfungen balgten und
sein Bild verwirrten in ihrem Gezänk! Gab er Euch nicht genug?
Nicht zehnmal mehr, als er Euch schuldig gewesen?

Die brennenden Scheiter stürzen polternd zusammen. Funken
stieben. Die verkohlten Blätter krümmen sich in der Gluth.

Maestro Giuseppe Verdis Nachlaß ist vor neugierigen Blicken
sicher auf ewig.

Seltsam! Auch ein deutscher Poet hat einmal das Vermacht-
niß geschrieben:

„werft jenen Wust verblichner Schrift in's Zeuer,

Der Staub der Werkstatt mag zu Grunde geh'n:

Zm Reich der Kunst, wo Raum und Licht so theuer,

Soll nicht der Schutt dem Werk im Wege steh'n!"

Der Mann hieß Gottfried Keller! <».

Df—'

Di« DurdigcfaUcncn der Saison

So lang sind sic auf den Parnass gestiegen.

Bis abgcpurzelt sie und drunten blieben liegen.

Das G’nack gebrochen und noch verschiedene Knochen weiter,

Sie wurden grässlich zugerichtet diese armen Käufer,
von all den Brettern, wo Geld und Ruhm sie wollten suchen,
Cangt’s grade noch zu einem schmalen Codtentruchen.

Und weil der Cischler sparte mit dem ganzen Bettel,

Blieb für den Martermaier noch dies kleine Ueberbrettel,

Um drauf statt auf der Reichen Marmelsteinen
Bescheiden sich in Reim und färben auszuweinen.

0 klaget mit mir, viel getreue Leut und Christen,

Uebcr die hier verscharrten natural-, Symbol- und andern -istent
Ulie schlimm man sie behandelt auch hienieden,
finden sie jetzo nicht einmal im Grabe frieden»

Denn sogar der Ulindmacht’s wie das undankbare Publikum
Und pfeift nach allen Noten rings um sie herum.


29]
Register
Monogrammist Frosch: Zeichnung zum Text "Marterln"
Monogrammist Frosch: Zeichnung zum Text "Die Durchgefallenen der Saison"
[nicht signierter Beitrag]: Die Durchgefallenen der Saison
Kassian Kluibenschädl: Marterln
N.: High Life
[nicht signierter Beitrag]: Lustige Nachrichten
O. [Ostini]: Autodafé
 
Annotationen