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Nr. 52

JUGEND

1901

Gi, was iit rianett’

Faul am frühen Morgen,
Steigt fie aus dem Bett,
Will fie nichts beforgen.

Stellt [ich hin und lieft
3hres Mehlten Briefe,
Bis ihr Bug' fich schließt,
Sanz als ob fie fchliefe.

Die Frau,

die ihren Mann betrügt

Gin Zwifehenipiel

von Raoul Jfucrnbeitmr

Arthur, 24 Jahre.

Emmerich, 27 Jahre,

Eine verschleierte Dame.

Arthurs Wohnung, Halbdunkles Par-
terrezimmer, rothe Sammtmöbel, dunkel-
rothe, schwere Vorhänge, An den Wän-
den Kupferstiche: „Tie Erwartung" »nd
den „Zerbrochenen Krug" darstellend,
lieber dem Kanapee eine Madonna in
Oeldruck, Daneben, aus dem Tische, ein Aus-
wärter mit Süßigkeiten und eine Vase, darin'ein
schwerer Niederstraus;, Ztvei Fenster, durch die
man in den Garten blickt. Das eine derselbe»
steht weit offen. Vor dem anderen ein Blumen-
korb mit immergrünen Blattpflanzen,

Es ist Nachmittag, Arthur geht nervös aus
»nd ab. Zweimal bleibt er vor dem Flieder
stehen und athmet seinen Dust ein. Zweimal
nimmt er eine Makrone vom Answärter und
verschluckt sie. Plötzlich horcht er in's Vorzimmer,
Man hört eine Thüre gehen,

Arthur: Endlich! (Er stellt sich kindisch
lächelnd hinter der Glasthüre aus, die ins Vor-
zimmer führt.)

Emmerich (tritt ein): Servus!

Arthur (enttäuscht hinter der geöffneten
Thüre hervorkommend): Ah! Du bist's?

Emmerich: Uebertrieben liebenswürdig ist
dieser Empfang wirklich nicht!, (Er wirst seinen
Hut ans's Kanapee, tritt an's Fenster.)

Arthur: Du mußt auch gleich wieder fort.

Emmerich: So, (Er nimmt im Schaukel-
stuhl Platz.) Und warum?

Arthur: Weil —, weil ich auch sortgehe.

Emmerich: Schön, Ich werde Dich be-
gleiten. (Er schaukelt sich.)

Arthur: Nein, das geht nicht. Ich mache
einen Besuch.

Emmerich (schaukelt sich): Bei wem?

Arthur: Bei — bei einem Hosrath, Bei
einem Hosrath, der mich protegiren will.

Emmerich: Aha! Und dem bringst Du jeden-
falls auch den Flieder mit?

Arthur: Den Flieder —! Du bist unaus-
stehlich.

Emmerich (schaukelt sich): Wie heißt sie?

Arthur: Wer?

Emmerich: Na, die'Dame, die Du erwartest,

Arthur: Erstens erwarte ich keine Dame.
Zweitens iväre es eine Gemeinheit, Dir ihren
Namen zu nennen.

Em m e r i ch: Sie ist also eine verheiratheteFrau.

Arthur (erschrocken): Woher weißt Du?
Emmerich (steht lachend aus): Na,
jetzt weiß ich es ja wirklich!

Arthur: Gar nichts weißt Du! Du,
mit Deinen Untersuchungsrichter fragen! (Er
nimmt eine Makrone.)

Emmerich (nimmt seinen Hut): Also
— ich gehe! (Beim Fenster): Halt!

Arthur: Nun? Ich habe geglaubt

Du gehst?

K. Härlin (Uhlbach)
Und Io wird die nacht
3hr zum üagbegleiter:
Kaum vom Craum erwacht,
Cräumt iie weiter.

Kory Towska

Emmerich (beim Fen-
ster): lieber den Tisch da
kann man ja prächtig in den
Garten hinuntersteigen,
Arthur: Natürlich, Da-
zu steht er ja da,

Emmerich: Und vom
Garten kommt man durch
den Flur aus die Straße?

A rthu r: Selbstverständ-
lich. Das hat mich ja bei
dem Zimmer, so angezogen,
Emmerich: Ein Zim-
mer, wie geschaffen, um den

Besuch einer Verheirathelen Frau zu empfangen,
(Er setzt sich wieder.) Ich bleibe,

Arthur: Erlaube,

Emmerich: Keine Angst. Wenn sie läutet,
so empfehle ich mich durch das Fenster.

Arthur: Aber sie läutet nicht. Sie hat den
Schlüssel,

Emmerich: Um so besser. Dann sperrst Du
einfach ab. Und wenn sie aussperrt, so gehe ich-
Arthur: Meinethalben! (Aus die Uhr bli-
ckend.) Es ist ja ohnehin noch nicht vier. (Er
geht in's Vorzimmer, sperrt die Thüre ab, kommt,
den Schlüssel in der Hand, zurück. Emmerich
hat mittlerweile eine Süßigkeit vom Auswärter
genommen.)

Emmerich: So, Und jetzt plaudern wir
von — Ja so, ich weiß ja gar nicht, wie sie heißt,
Arthur: Und wirst es nie erfahren,
Emmerich: Macht nichts. Wir können dock
von ihr plaudern. Wir nennen sie einfach:
Die Frau, die ihren Mann betrügt. Sie ist ja
ohnehin sicherlich ein Typus.

Arthur: Ich lütte sehr, mit welchem Recht
vermut hest Du das?

Emmerich: Die Frau, die ihren Man»
betrügt, ist immer ein Typus!

Arthur: Was Du alles weißt,

Emmerich: Ja, Soll ich Dir sie schildern?
Arthur (amüsirt): Bitte sehr —
Emmerich: Also, sie ist,. . Du sag' ein-
mal: Wie sieht sie eigentlich aus?

Arthur: Das nennt er schildern!
Emmerich: Ja, ein bischen mußt Du mir
schon Helsen, weißt Du, Tn mußt mir zu», Bei-
spiel sagen, ob sie schwarz ist oder blond. Tan»
weiß ich schon allein weiter,

Arthur: Sie ist nicht schwarz, sie ist nicht
blond. Sie ist braun,

Emmerich: Kastanienbraun?

Arthur: Kastanienbraun.

Emmerich: Jetzt seh' ich sie schon ganz
deutlich. Also — sie hat leichtgewelltes, dickes,
seidenweiches Haar von der Farbe einer ge-
bräunten Vergoldung, ein Haar, das vielleicht
noch gestern blond war und morgen schon roll)
sein wird.

Arthur: Was unterstehst Tu Dich?
Emmerich (langsam, visionär): Sie hat ganz
schmale Brauen und große, braune Mandclaugen
Arthur: Das stimmt schon eher.
Emmerich: Augen von einem ganz cigen-
thümlich verwirrenden Ausdruck.

Arthur: Ja, ja ,..

Emmerich: Augen, die darüber zu lachen
scheinen, daß sie auch weinen können, und die
darüber zu trauern scheinen, daß sie so schrecklich
viel lachcit..,

Arthur (leise): Ja, ja. . .

Emmerich (in erhöhtem Tone): Sie ist
eine große, schlanke, beinahe fürstliche Erschein
>ing... Sie ist sür gewöhnlich sehr blaß . • •
Und sie hat schmale, rothe Lippen, die über
alles lächeln und über nichts mehr staunen. —
Arthur: Du beschreibst sie eigentlich wirk-
lich ganz gut.

Emmerich: — und die beim Küssen ab-
särben. Sie trägt sehr enge Kostüme und breite
Hüte mit Federn, (Arthur nickt.) Ihr Gang
ist Musik, ihr Lächeln eine Schmeichelei, ihr
Wort ein süßes Lied... Ihr Mann ist ein Idiot.
Arthur: Woher weißt du das?
Emmerich: Der Mann einer solchen Fra»
ist immer ein Idiot, — Also, siehst Du, st'
sieht die Frau, die ihren Mann betrügt, aus,
wenn sie braun ist. (Er nimmt eine Makrone,
Arthur (nachdenkiich): Das ist aber eigent-
lich komisch. Tu hast sie nämlich wirklich ganz
gut beschrieben. Merkwürdig gut,

Emmerich: Ich sagte Dir ja: Sie ist el"
Typus.

Arthur: Nein, »ein. Du mußt >>e n»w-
dingt schon einmal gesehen haben, Ihr Bild mull
Dir vorschioeben.

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Register
Raoul Auernheimer: Die Frau, die ihren Mann betrügt
Kory Towska: Morgengruß
Käthe Härlein (Härlin): Nanette
 
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