Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 7.1902, Band 1 (Nr. 1-26)

DOI Heft:
Nr. 20
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.3897#0330
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Nr. 20

JUGEND

1902

Scbul^umor

In einer Knabenklasse wird das deut-
sche Heerwesen vom Lehrer besprochen
und dann mit den Schülern dnrchge-
nommen.

Lehrer: „Sobald also Krieg erklärt
ist, wird mobil gemacht. Mer macht
denn nun mobil?"

Schüler: „Der Hauptmann."

Lehrer: „Nein; höher!"

2. Schüler: „Der General."

Lehrer: „Noch höher!"

S. Schüler: „Der Kaiser."

Lehrer: „Gut. Und da nun der
Kaiser allein das Recht hat, zu jeder
Zeit das Heer mobil zu machen, ist ihm
eine große Befugniß übertragen. Wie
nennt man ihn deshalb?"

4. Schüler: „Den stets mobilen
Kaiser."

Mai-Lieder

Es brummelt her und brummelt hin
Ls brummt von allen Seiten,
Maikäfer und Maikäferin,

Die sagen sich Heimlichkeiten.

Maikäfer spricht zur Käferin:

»Ls muß am Zrühling liegen;

Seit ich kein Engerling mehr bin,

Ist mir's, als könnt' ich stiegen.

Seit ich kein Engerling mehr bin,
Macht' ich mich gern vermählen
Laß mich ein Bischen zu Dir hin;

Ich will Dir was erzählen!" —

»Ach ja," spricht sie, »ich bin dabei.

Doch, bitte, keine Gedichte!"-

Und er erzählt ihr was vom Mai
Und von der Raturgeschichte.

Ich habe einen großen Strauß
von Flieder und Radieschen.
Radieschen find mein Abendschmaus,
Der Zlieder ist für Lieschen.

Die Gartenbank steht hinterm Haus;
Dort feken wir uns nieder.

Sie steckt die Rase in den Strauß
Und zeigt sie gar nicht wieder.

Und immer, wenn ich Hunger Hab',
Da mach' ich mir's zum Spaße
Und beiße ein Radieschen ab
Ganz dicht'vor ihrer Rase.

Und beiße ich einmal vorbei,

Dann regt sich was im Zlieder.

Und thut sie einen kleinen Schrei,
Dann beiß' ich immer wieder.

Rudolf F^irfcbberg-^ura

Muh man es tagen?

„Aber Bubi, das thut ja weh, weuu Du Line»
ins Ghr küßt..."

„Ich weiß."

„Ueberhaupt, jetzt könntest Dn mich schon in
Ruh' lassen, setz' Dich dorthin, ich muß an Mama
schreiben."

„Deine gute Ulama! Sie ist ein rühmlicher
Ansbund aller Schwicgermamas!"

„Du bereust es also noch immer nicht, mich
geheirathet zu haben?"

„Fritzl! Mein süßer, kleiner, rother, geliebter,
sommersprossiger Abgott Du! Nein, daß man
einen Menschen so lieb haben kann, so die ganze
Tonleiter entlang, von der zartesten Schwärmerei
bis zur tollsten Unvernunft!"

„Ja, und noch dazu eine Wittwe. Neulich
habe ich gehört, wie in der .Elektrischen' ein Herr
zu einem Andern sagte: ,Ich könnte ttic eine
Wittwe oder eine geschiedene Frau heirathen'."

„Der Schafskopf! Weißt Du, ich habe mich
schon oft gefragt, wie Du rnir verführerischer er-
schienen wärst: wenn ich Dich im Ballsaale als
junges Mädchen kennen gelernt hätte oder so wie's
geschehen ist, in Deinen Trauerkleidern damals in
Laden im Tursaale, an jenem unvergeßlichen
;o. August. Du mußt nämlich wissen, daß Trauer-
kleider junge Frauen noch reizender machen. —
Aber was geht D i ch das an, Du mein rosiges,
blühendes Leben! Genirt es Dich, wenn ich,
während Du schreibst, da auf der Armlehne Deines
Fauteuils sitze?"

„Aber natürlich!"

„Macht nichts; ich seh' Dir so gern schreiben
zu, es ist mir ein Ersatz dafür, wenn ich Dich
rächt sprechen höre."

„Laß mich doch. Wenn Du an meinen Haar- ,
nadeln ziehst, wie soll ich denn da schreiben? Bubi, ;
jetzt hast Du mir gar eine herausgezogen, na schau,
und nun fällt das Haar herunter. . . Was machst
Du denn? Du bist närrisch, was für ein ver-
gnügen kann denn das fein?"

„Das verstehst Du natürlich nicht, die Frauen
wissen Alle miteinander nichts . . . Hm, der Herr
in der Elektrischen ist wirklich ein Schafskopf!"

„Nicht wahr, ja? Wittwe, das macht doch
gar nichts?"

„Gar nichts. Fritzl, mein süßes Weibsi -
daß heißt, Du Fritzl — bist Dn böse, wenn ich
Dich »m etwas bitten würde, was mir schon lang
im Kopfe herumgeht. Schau Du hast da genug
Photographien auf Deinem Schreibtisch stehen; die
eine nimm weg, die da, ja?"

„warum?"

„Weil, — weil ich so gern ganz glücklich sein
möchte, und dazu gehört, daß man sein Gemüth
vom Neide frei erhält, auch nicht einmal einen
verstorbenen soll man beneiden. Fritzl, wir sind
ja nebstbei treue Freunde, weißt Du, manchmal
und gerade dann, wenn es mich ans allen Him«
mein zu stürzen drohte, denke ich an „ihn", und

dann schießt es in mir auf: Eine ge-
heime wuth und ein schleichender Groll,
wenn ich mir vorstelle, daß dieser Mann
Dich zuerst lieben durfte, den ganzen
unvergleichlichen Reiz zuerst gekostet hat,
das holde Münder Deiner ersten Blüthe..
daß er es vielleicht gar nicht so geschätzt
hat... Fritzl, ich sage Dir, ich erlebe
Stunden, in denen ich mich tüchtig zur
Wehr setzen muß, wenn mir diese dummen
Gedanken alleWonnen vergiften wollen!"
„Das ist garstig."

, „Ja, Du hast Recht. Ich sollte nicht
daran denken. Ls ist thöricht, seinen
Haß noch auf ein Grab zu richten. Ls
war ja sein gutes Recht, aber das ist's
eben, daß Einer etwas zwischen Dich
und mich stellen darf, von dem zu sprechen
wir vermeiden; wer darf Erinnerungen
in Dich gepflanzt haben, die so bedeut-
ungsvoll und einzig im Leben des Wei-
bes sind? Dein ganzes Leben kenne ich,
weil Du mir's erzählt hast, bis auf die
Epoche Deiner ersten Ehe. Zwei Jahre!
Diese unheimliche Lücke! Fritzl, wie mich
das manchmal übermannt; erst gestern
wieder. Du warst längst eingeschlafen,
aber ich lag noch wach da und grübelte.
Da stellte ich mir Alles vor, was ge-
wesen ist, ehe Du die Meine wurdest.
Ich war nahe daran, Dich zu wecken.
Ich wollte Dich flehentlich bitten, mir zu sagen,
ob Du auch nur eine Stunde lang glücklich warst
mit ihm; wie er Dich nannte, wenn er zärtlich
war, Alles, Alles; — ich hätte Dich gequält, bis
Du mir's gestanden hättest. Ich war ja so ver-
zweifelt wie über einen eben erst erduldeten Ver-
rätst. Zuletzt wollte ich mich herausschleichen und
seine Photographie zerreißen."

„Was für Gedanken sich die Männer machen!
Ah, jetzt fange ich an zu begreifen, was der Herr
in der Elektrischen meinte. Aber Du sollst sehen,
daß ich Dir jeden Gefallen thue; da nimm das
Bild, leg' es dort hinein in die japanische Lassette."

„Du mein geliebter, einziger Abgott, D»!
Gib her! So, hinein damit! — Ah jetzt ist mir
wohler. Gott sei Dank!"

„Kurzsichtiger Egoist! Hätten wir uns hei
rathcn können, wenn Wilhelm nicht gewesen wäre?
Daß ich ihn geheirathet habe, ist begreiflich. Was
konnte ich erwarten? Schön und arm und mit
einer heißblütigen Sehnsucht nach Glück im Herzen,
glücklich sein wollen um jeden Preis. Und er
mar eine vornehme Natur."

„Fritzl ich bitte Dich, die „Vornehmheit", ein
alternder reicher Mann, der ein kaum neunzehn-
jähriges armes Mädchen heirathet!"

„Ja, „arm". Das hat mitgespielt. Die Be-
schränktheit der Verhältnisse in unserem kinderreichen
Haus war mir unerträglich. Ich brauche Licht und
Wärme. Du nennst mich in Deiner Verliebtheit
Deine „durchlauchtigste verwunschene Prinzessin".
Ja, ein bischen Wohlleben war mir immer ein
Bedürfnis;, dessen Befriedigung ich unter allen Um-
ständen angestrebt hätte. Daher der Plan, zum
Theater zu gehen. Heute kann ich Dir's gestehen:
Ls hat sich glücklich gefügt,, daß eine ausreichende
- Versorgung Allem zuvorgekommen ist, was mir
sonst vielleicht an Ueblem beschieden wäre! . . . Ich
bin oberflächlich, ich will gut sein, aber ich will cs
auch gut haben. Zwei Herzen und ein Strohdach,
schön, aber eine Badestube in u ß dabei sein. Also
schlag' Dir die überflüssigen' Selbstquälereien aus
dem Kopf, bist doch sonst kein Philister, mein dummes
Bubi, denk' nicht an das, was war, sondern nur
an das, was ist, und daß Du mein Alles bist!"

Er fühlte, daß diese Worte aus dem Born der
Wahrheit kamen, und darum faßte er Muth; er
beugte sich zu ihrem Dhr.

„Nur eilt Wort, Fritzl, hast Du ihn geliebt?"

Sie sah ihm voll ins Gesicht.

„Mit neunzehn Jahren, was man da „lieben"
nennt! Erst jetzt weiß ich es, seit einem Jahr!"

Z26
Register
Paul Schönthan von Pernwaldt: Muß man es sagen?
Julius Diez: Vignette
Rudolf Hirschberg-Jura: Mai-Lieder
[nicht signierter Beitrag]: Schulhumor
 
Annotationen