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Nr. 34 (Redaktionsschluss: 12. Aug. 1902)

1902

uissen. An Sonn* und Feiertagen stechen sie
einander, um ihren frommen Sinn zu zeigen, in-
dem sie fid; freiwillig Schmerzen verursachen zur
Buße für ihre Sünden. Bei Kirchweihen und
Hochzeiten soll das Stechen sie daran mahnen,
daß der Mensch auch in der höchsten Freude des
Leides und Unglückes nicht vergessen darf. Nach
Begräbnissen geschieht es zur Ehre des Toten.
Sie wollen nämlich damit sagen: Du hast sterben
müssen; daß wir auch gleich sterben, das kannst
du nicht von uns verlangen, aber als gute Freunde
wollen wir dir unsere aufrichtige Trauer zeigen
und deshalb stechen wir uns. Zuweilen hauen
sie sich auch blos mit Maßkrügen, Stühlen und
Zaunpfählen.

Die Bewohner dieses Landes sind fast alle
Bauern. Sie sind von schöner Gestalt. Be-
sonders entwickelt sind bei ihnen die Füße, die
Hände und die Hirnschalen.

Die Kleidung besteht bei den Männern aus
einem sehr kurzen Rock,, derselbe reicht nur halb
soweit wie bei uns, damit der untere Teil des
Körpers, welcher bei ihnen am schönsten ist, sicht-
bar bleibt. Auch deshalb ist er so kurz, damit
sie das Messer gleich bei der Hand haben. Die
weibliche Kleidung wird gebildet von sehr vielen
Röcken, von denen der innerste der schönste'ist.
Deshalb werden audj die äußeren alle hoch auf-
gehoben, damit man den inneren sehen kann.
Lin weiteres weibliches Kleidungsstück ist das
Kopftuch.

Ihre Nahrung besteht meistens aus großen
Kugeln, welche in der Sprache des Landes
Knödeln genannt werden. Doch essen sie auch
die meisten Dinge, welche den anderen Menschen
zur Speise dienen. Bbwohl das Land keinen
Wassermangel leidet, bildet ihren gewöhnlichen
Trank doch das Bier. Ihre einzige Leidenschaft,
welche aber nicht so schlimm ist wie die Leiden-
schaften anderer Völker, ist das Schnupfen.

Die Leute sind meistens gesund und erreichen,
mit Ausnahme derer, welche früher abgestochen
werden, ein hohes Alter.

Daraus sollen wir die Lehre ziehen, daß die
Menschen nidft glücklicher werden, wenn sie
größere Bedürfnisse bekommen.

VIx für Ungut!

f^iederbaycrn ist ein Kreis von Bayern.

Cs zeichnet sich durch drei Dinge besonders aus:
erstens durch das Fehlen größerer menschlicher
Ansiedlungen, zweitens durch das spärliche Vor-
kommen berühmter Männer, drittens hauptsächlich
aber durch die Häufigkeit des Messers. Dieses
Messer ist immer ein solches, welches nidft zugelft,
und welches man deshalb in diesem Lande ein
feststehendes nennt. Jeder männliche Lin*
wohncr trägt, wenn er ;o Jahre alt geworden
ist, manchmal auch schon früher, stets ein solches

Hiederbayern

Lin Schulaufsatz, mit Abbildung
Ls

Max Feldbauer

Messer bei sich und zwar in der Hosentasche.
Aber sie haben die Hosentaschen nicht da, wo
sie bei uns sind, sondern weiter hinten, so daß
sie sich fast auf das Messer setzen, welches sie
hineingesteckt haben. Selbst wenn sie die Hose
ausziehen, legen sie das Messer nicht von sich.

Das Messer dient bei ihnen nicht zum Schneiden,
sondern zum Stechen. Dieses findet jedoch nicht
alle Tage statt, sondern nur bei feierlichen An-
lässen, an Sonn* und Feiertagen und besonders
bei Kirchweihen, Hochzeiten, auch nach Begräb*

100,000 Mark

Die gewünschte Okrfeige

Dr. Heim im bayr. Landtag am <5. August: „3h
der Reichsrathskammer haben einige Mitglieder in
schönen Reden über den Abstrich der 102,020 Mark
geklagt. Wenn diese Herren sich alle um die Kunst
verdient machen und dem Lentrum eine gehörige Dhr-
feige geben wollen, so sollen sic hergehen und in die
Tasche greifen, alle die Llaschenbarone, die
Geburts-, Kunst- und Sp0rtsbarone, die
Schlotbarone und solche, die sehr vorsich-
tig gewesen sind in der Wahl ihrer Eltern,
dann bekommen wir viel mehr zusammen als diese
122 222 Mark." (Beifall rechts.)

Die Flaschen* und Schlotbarone",
verehrter Herr vr. Heim,

Sind doch nicht gar so „ohne"I
Ls steckt in solch einer „Drohne"

Doch oft ein guter Keim.

Zum Beispiel lächelnd spendieren
Sie looovo iMark,

Mt denen Sie und die Ihren
Nichts konnten als sich blamieren.
Gediegen und voll und stark.

Den „Flaschen- und Schlotbaronen"

Gab eben Gottes Hand,

Scheint's, außer den MUionen
Auch noch ganz nette Portionen
Von Kunstsinn und verstand.

« „Jugend“

Herausgeber: Dr. GEORG HIRTH; Redaktion: F. v. OSTINI, Dr. S. SINZHEIMER, A. MATTHÄI, F. LANGHEINRICH. Für die Redaktion verantwortlich: Dr. S. SINZHEIMER ■
G. HIRTH’s Kunstverlag, verantwortlich für den Inseratentheil: G. EICHMANN, sämmtlich in München. Druck von KNORR 4 HIRTH, Ges. m. beschr. Haftung, München-

ALLE RECHTE VORBEHALTEN.
Register
A. De Nora: 100,000 Mark oder Die gewünschte Ohrfeige
Max Feldbauer: Zeichnung zum Text "Niederbayern"
Nix für Ungut: Niederbayern
 
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