Nr. 4
1903
schon im Mutterschooße den freie» Gebrauch
der Vernunft hatte »nd in Folge dessen durch
höhere Erleuchtung Gott erkannte und liebte.
Wie zahllos werten die Liebesakte gewesen
sein, die sse in den neun Monaten ihres
Einsiedlerlebens wird gemacht haben! Liebes-
akte komme» ans heißer Liebesglnth!"
Ich frage: Kann ein „Gelehrter", der solchen
Mysterien auch nur de» leisesten Schimmer
oon wissenschaftlicher Berechtigung zuerkennt, den
guten Wille» zur Voraussetzungslosigkeit be-
haupten? Wenn schon aus dem Gebiete der
Tbierpspchelogie ein so braver Arbeiter, wie der
Jcsnitenpater und Ameisenforscher Wasmann,
durch kirchliche Lehren abgehalten wird, das rich-
tige Wort auszusprechcn, wie mag es erst einem
Embryologe» ergehen, der um seines liebe»
Seelenheiles willen ans die eben vorgetragenen
Lehren „Rücksicht" nehmen muß? Und wo ist
die Grenze solcher Rücksichtnahme, wenn es im
Belieben des unfehlbaren Kirchenoberhauptes
stebt, den Spieß nmzukehren und schon solche
Lehren und Forschungswege mit dem Anathema
-« belegen, welche im Verdachte stehen, ge-
wissen Dogmen gefährlich zu werden?
Wird damit nicht nur der gute, sondern auch
ker freie Wille zur Voraussetzungslosigkeit ge-
lahmt? Und wo ist die Grenze zwischen „ka-
k h o l i sch" u„d — ltramouta n"? Endlich:
hat nicht insbesondere der deutsche Fvrschnngs-
idealismus das Zeug, um auch ohne die traurigen
Pfade ultra montes seinen Zielen nachzustreben?
Was mich anbetrifft, so möcht ich lieber Stiefel-
putzer des schwarzen Aujust, als ultramontaner
Embryologe sein. — Wenn schon schwarz, dann
doch mit Glanz.
Georg Hirrh
ver Ptinze$sin Iftorgenlied
OTCetobie: Morgenrot, Morgenro',
Leuchtest mir zum frühen Tod?
Morgenrot, Morgenrot,
keuchtest mir zur Liebcsuot?
Lebe, Dresden, wohl, und Meißen!
Ich will als Isolde reisen
Mit dem Liebsten in den Tod.
Raum gedacht, kaum gedacht,
Ivird der Lust ein End' genracht.
Da Prinzessinnen nicht sparen,
Fehlt es bald am nöt'gen Baren,
tvas dem Tristan Kummer macht,
Ach, wie bald, ach, wie bald
wird ein heißer Mann dock kalt!
Gestern Feuer noch und Flamme;
Pente — daß ihn Gott verdamme! —
Findet er mich viel zu alt!
Darum still, darum still
Kehr' zurück in Zucht und Drill!
Laß das Lieben und das Reisen!
Tine Königin zu heißen,
Ist doch auch kein Pappenstiel!
Crl-Cri
"Vorsichtig
Die preußische Postverwaltuug
hat die Einsührung der neuen Recht-
schreibung angeordnct, mit der ein-
zige Ausnahme, daß in den Jm-
mediatberichten an S, Majestät
die bisherige Schreibweise beizube-
halten sei. Sie befürchtete vssenbar
von der Weglassung des li in „Uuter-
than" eine Schwächung des monar-
chischen GesühlS.
. JUGEND .
Oben und unten
Nachdem der Direktor des Potsdamer Viktoria-
Gymnasiums, Professor vr. Treu, in Sachen der
dreistündigen Karzerstrafe gegen den Primaner La
Pierre, Sohn des Leibarztes des Kronprinzen, vom
provinzial-Schulkollegium Recht bekommen hat,
wird der junge Mann das Gymnasium verlassen
und an einem anderen Gymnasium seine Studien
bis zur Abschlußprüfung fortseycn. Bis zur Er-
ledigung der Angelegenheit hatte übrigens der Dbcr-
präsident von Bethmann-Hollweg persönlich
auf Bitten des Vaters des La Pierre die Verbüßung
der Karzerstrafe inhibirt.
wenn so ein Biirschlcin, dessen Papa
Zufällig dient einem hohen Perm,
Drei Stunden Tarccr bekommt — ah! ah!
Da gibt's ein Rennen und Flennen und Plärr'n!
Der Rektor wird vor de» Kadi zitirt,
Der Minister befaßt sich mit der Geschicht'
Und der Präsident selbst inhibirt
Einstweilen das drohende Strafgericht!
wenn aber ein simpler Bürger dann
Einem Herrn Schanidarmcn nicht gefällt,
Der eine Jungfer für einen Mann,
Einen Piccolo für'n Raubmörder hält —
Da wird nicht lang geflennt und geplärrt,
Da heißt's: Marsch mit dem Luder in's Loch!
Und wenn er sich etwa dagegen sperrt,
Bekommt er tüchtige Prügel noch.
Beschweren kann er sich später schon,
Doch helfen thut es ihm nichts.... warum?
Erstens ist er kein Höflingssohn
Und zweitens auf keinem Gymnasium!
Weines Sespräcl)
„Was wird man wohl jetzt über mich sagen?"
seufzte Ehrhard nach seiner Romfahrt.
„Heldensammer doch!" lächelte Schell. „Ham
sich denn die Buren net aa unterworfen?"
O diese Männer'
Die schluchzende Eva: „Ja, leugne es nur no'ch, treuloser
Adam! Ich weiß es längst: Du liebst eine andere!"
ü;
Oie Freimaurer
haben nach Ansicht ultramontaner Blätter
die ganze Unglücksgeschichte am sächsischen Pose
angerührt und Giro» nach -Dresden gebracht, „uin
die Kronprinzessin als Sturmbock gegen die im
Königshause treu bewahrte religiöse Gesinnung
zu benützen." Sehr richtig: aber das ist noch nicht
Alles! Die Freimaurer haben auch die Katastrophe
von Martinique, den Südafrikanischen Krieg, die
Hungersnot in Indien, das schlechte Wetter im
vergangenen Sommer, die derzeitige Inflncnza-
epidemie, die hohen Fleischpreise und die gänzliche
Verblödung der ultramontanen Presse auf dem
Gewissen! — » —
Telegramm an die Münchner Sezession
platzfrage gelöst, wenn einverstanden, daß
Bilder eins auf darr andere gehängt werden.
Berliner Sezession
Spruch
(Aus der Weisheil des Herrn von Wangenhelmj
Lerne zu leiden, ohne zu klagen —
So was kann nur ein Schwärmer sagen!
Willst Du was gelten in unseren Zeiten —
Lerne zu klagen, ohne zu leiden!
Berichtigung
„Der Senat von Hamburg beschloß ein-
stimmig, bei der Bürgerschaft zu beantragen, daß
dem Dichter Gustav Falke anläßlich seines 50. Ge-
burtstages ein Ehrengehalt von 3000 Mark aus-
gesetzt werde." Dazu erhalten wir aus himmlischen
Höhen folgende Zuschrift:
Vielliebe Jugend! Drei Jahre sind
vom Strom der Zeiten verschlungen,
Seit ich als Gespenst durch Deutschland gereist
Und Dir diese Reise besungen.
Du weißt: Da Hab' ich von Hamburg gesagt,
Als boshaft-sarkastischer Richter:
„Ein Kaffecsack gilt dort
immer noch mehr,
Als fünfzehn lyrische Dichter!"
Berichtigen muß ich das harte wort
Zu meiner Freude jetzunder:
Es stiegen die lyrischen Dichter
im Preis
Z» Hamburg — es ist wie ein
wunder!
Sie haben daselbst ein
Ehrengehalt
Gewährt einem deutschen
Poeten!
(Mich hätte man damals in's
Tollhaus gesperrt,
Hätt' i ch mir dergleichen erbeten!)
Da sah ich init Tränlein der
Rührung im Blick
Hinab auf das Hamburg von heute
Und trank voin ältesten Nektar
ein Glas
Auf's wohl der vortrefflichen Leute!
Fürwahr, man erlebt, wenn
man warten kann,
Die seltensten Metamorphosen:
Da wandelt sich Schellfisch-
seelengeruch
In den Duft von Lorbeer
und Rosen!
Seht euch mein Volk an der
Waterkant
Ihr andern nur an, im Reiche:
Und wenn ihr wo einen Dichter
entdeckt,
Geht hin und tuet das Gleiche!
H. Heine
1903
schon im Mutterschooße den freie» Gebrauch
der Vernunft hatte »nd in Folge dessen durch
höhere Erleuchtung Gott erkannte und liebte.
Wie zahllos werten die Liebesakte gewesen
sein, die sse in den neun Monaten ihres
Einsiedlerlebens wird gemacht haben! Liebes-
akte komme» ans heißer Liebesglnth!"
Ich frage: Kann ein „Gelehrter", der solchen
Mysterien auch nur de» leisesten Schimmer
oon wissenschaftlicher Berechtigung zuerkennt, den
guten Wille» zur Voraussetzungslosigkeit be-
haupten? Wenn schon aus dem Gebiete der
Tbierpspchelogie ein so braver Arbeiter, wie der
Jcsnitenpater und Ameisenforscher Wasmann,
durch kirchliche Lehren abgehalten wird, das rich-
tige Wort auszusprechcn, wie mag es erst einem
Embryologe» ergehen, der um seines liebe»
Seelenheiles willen ans die eben vorgetragenen
Lehren „Rücksicht" nehmen muß? Und wo ist
die Grenze solcher Rücksichtnahme, wenn es im
Belieben des unfehlbaren Kirchenoberhauptes
stebt, den Spieß nmzukehren und schon solche
Lehren und Forschungswege mit dem Anathema
-« belegen, welche im Verdachte stehen, ge-
wissen Dogmen gefährlich zu werden?
Wird damit nicht nur der gute, sondern auch
ker freie Wille zur Voraussetzungslosigkeit ge-
lahmt? Und wo ist die Grenze zwischen „ka-
k h o l i sch" u„d — ltramouta n"? Endlich:
hat nicht insbesondere der deutsche Fvrschnngs-
idealismus das Zeug, um auch ohne die traurigen
Pfade ultra montes seinen Zielen nachzustreben?
Was mich anbetrifft, so möcht ich lieber Stiefel-
putzer des schwarzen Aujust, als ultramontaner
Embryologe sein. — Wenn schon schwarz, dann
doch mit Glanz.
Georg Hirrh
ver Ptinze$sin Iftorgenlied
OTCetobie: Morgenrot, Morgenro',
Leuchtest mir zum frühen Tod?
Morgenrot, Morgenrot,
keuchtest mir zur Liebcsuot?
Lebe, Dresden, wohl, und Meißen!
Ich will als Isolde reisen
Mit dem Liebsten in den Tod.
Raum gedacht, kaum gedacht,
Ivird der Lust ein End' genracht.
Da Prinzessinnen nicht sparen,
Fehlt es bald am nöt'gen Baren,
tvas dem Tristan Kummer macht,
Ach, wie bald, ach, wie bald
wird ein heißer Mann dock kalt!
Gestern Feuer noch und Flamme;
Pente — daß ihn Gott verdamme! —
Findet er mich viel zu alt!
Darum still, darum still
Kehr' zurück in Zucht und Drill!
Laß das Lieben und das Reisen!
Tine Königin zu heißen,
Ist doch auch kein Pappenstiel!
Crl-Cri
"Vorsichtig
Die preußische Postverwaltuug
hat die Einsührung der neuen Recht-
schreibung angeordnct, mit der ein-
zige Ausnahme, daß in den Jm-
mediatberichten an S, Majestät
die bisherige Schreibweise beizube-
halten sei. Sie befürchtete vssenbar
von der Weglassung des li in „Uuter-
than" eine Schwächung des monar-
chischen GesühlS.
. JUGEND .
Oben und unten
Nachdem der Direktor des Potsdamer Viktoria-
Gymnasiums, Professor vr. Treu, in Sachen der
dreistündigen Karzerstrafe gegen den Primaner La
Pierre, Sohn des Leibarztes des Kronprinzen, vom
provinzial-Schulkollegium Recht bekommen hat,
wird der junge Mann das Gymnasium verlassen
und an einem anderen Gymnasium seine Studien
bis zur Abschlußprüfung fortseycn. Bis zur Er-
ledigung der Angelegenheit hatte übrigens der Dbcr-
präsident von Bethmann-Hollweg persönlich
auf Bitten des Vaters des La Pierre die Verbüßung
der Karzerstrafe inhibirt.
wenn so ein Biirschlcin, dessen Papa
Zufällig dient einem hohen Perm,
Drei Stunden Tarccr bekommt — ah! ah!
Da gibt's ein Rennen und Flennen und Plärr'n!
Der Rektor wird vor de» Kadi zitirt,
Der Minister befaßt sich mit der Geschicht'
Und der Präsident selbst inhibirt
Einstweilen das drohende Strafgericht!
wenn aber ein simpler Bürger dann
Einem Herrn Schanidarmcn nicht gefällt,
Der eine Jungfer für einen Mann,
Einen Piccolo für'n Raubmörder hält —
Da wird nicht lang geflennt und geplärrt,
Da heißt's: Marsch mit dem Luder in's Loch!
Und wenn er sich etwa dagegen sperrt,
Bekommt er tüchtige Prügel noch.
Beschweren kann er sich später schon,
Doch helfen thut es ihm nichts.... warum?
Erstens ist er kein Höflingssohn
Und zweitens auf keinem Gymnasium!
Weines Sespräcl)
„Was wird man wohl jetzt über mich sagen?"
seufzte Ehrhard nach seiner Romfahrt.
„Heldensammer doch!" lächelte Schell. „Ham
sich denn die Buren net aa unterworfen?"
O diese Männer'
Die schluchzende Eva: „Ja, leugne es nur no'ch, treuloser
Adam! Ich weiß es längst: Du liebst eine andere!"
ü;
Oie Freimaurer
haben nach Ansicht ultramontaner Blätter
die ganze Unglücksgeschichte am sächsischen Pose
angerührt und Giro» nach -Dresden gebracht, „uin
die Kronprinzessin als Sturmbock gegen die im
Königshause treu bewahrte religiöse Gesinnung
zu benützen." Sehr richtig: aber das ist noch nicht
Alles! Die Freimaurer haben auch die Katastrophe
von Martinique, den Südafrikanischen Krieg, die
Hungersnot in Indien, das schlechte Wetter im
vergangenen Sommer, die derzeitige Inflncnza-
epidemie, die hohen Fleischpreise und die gänzliche
Verblödung der ultramontanen Presse auf dem
Gewissen! — » —
Telegramm an die Münchner Sezession
platzfrage gelöst, wenn einverstanden, daß
Bilder eins auf darr andere gehängt werden.
Berliner Sezession
Spruch
(Aus der Weisheil des Herrn von Wangenhelmj
Lerne zu leiden, ohne zu klagen —
So was kann nur ein Schwärmer sagen!
Willst Du was gelten in unseren Zeiten —
Lerne zu klagen, ohne zu leiden!
Berichtigung
„Der Senat von Hamburg beschloß ein-
stimmig, bei der Bürgerschaft zu beantragen, daß
dem Dichter Gustav Falke anläßlich seines 50. Ge-
burtstages ein Ehrengehalt von 3000 Mark aus-
gesetzt werde." Dazu erhalten wir aus himmlischen
Höhen folgende Zuschrift:
Vielliebe Jugend! Drei Jahre sind
vom Strom der Zeiten verschlungen,
Seit ich als Gespenst durch Deutschland gereist
Und Dir diese Reise besungen.
Du weißt: Da Hab' ich von Hamburg gesagt,
Als boshaft-sarkastischer Richter:
„Ein Kaffecsack gilt dort
immer noch mehr,
Als fünfzehn lyrische Dichter!"
Berichtigen muß ich das harte wort
Zu meiner Freude jetzunder:
Es stiegen die lyrischen Dichter
im Preis
Z» Hamburg — es ist wie ein
wunder!
Sie haben daselbst ein
Ehrengehalt
Gewährt einem deutschen
Poeten!
(Mich hätte man damals in's
Tollhaus gesperrt,
Hätt' i ch mir dergleichen erbeten!)
Da sah ich init Tränlein der
Rührung im Blick
Hinab auf das Hamburg von heute
Und trank voin ältesten Nektar
ein Glas
Auf's wohl der vortrefflichen Leute!
Fürwahr, man erlebt, wenn
man warten kann,
Die seltensten Metamorphosen:
Da wandelt sich Schellfisch-
seelengeruch
In den Duft von Lorbeer
und Rosen!
Seht euch mein Volk an der
Waterkant
Ihr andern nur an, im Reiche:
Und wenn ihr wo einen Dichter
entdeckt,
Geht hin und tuet das Gleiche!
H. Heine
Cri-Cri: Der Prinzessin Morgenlied
[nicht signierter Beitrag]: Berichtigung
Edgar Steiger: Vorsichtig
Walter Caspari: O diese Männer
Fritz Frh. v. Ostini: Berichtigung
-a-: Die Freimaurer
A. De Nora: Oben und unten
[nicht signierter Beitrag]: Telegramm an die Münchner Sezession
[nicht signierter Beitrag]: Spruch
[nicht signierter Beitrag]: Kleines Gespräch
[nicht signierter Beitrag]: Berichtigung
Edgar Steiger: Vorsichtig
Walter Caspari: O diese Männer
Fritz Frh. v. Ostini: Berichtigung
-a-: Die Freimaurer
A. De Nora: Oben und unten
[nicht signierter Beitrag]: Telegramm an die Münchner Sezession
[nicht signierter Beitrag]: Spruch
[nicht signierter Beitrag]: Kleines Gespräch